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Extremsportler Szwed am Südpol: Alles nur ein Fake?

Foto: DPA/martin-szwed.com

Angeblicher Rekord von Martin Szwed Die Südpol-Lüge

In 15 Tagen durch die Antarktis? Neue Fakten und Zeugenaussagen bringen den Extremsportler Martin Szwed in Bedrängnis. Offensichtlich war er bei seiner Solotour nie am Pol.

Der Südpol war sein großer Traum. Erst auf den Mount Vinson und dann zu Fuß durch die Antarktis zum Pol - allein, eine Strecke von weit über 1100 Kilometern. Seit Jahren hatte der Extremkletterer Martin Szwed für diese Expedition trainiert, hatte Sponsoren und Geld gesammelt, Trainingsvideos  gedreht.

Und dann pulverisiert der Baden-Württemberger auch noch den Weltrekord. Nur 14 Tage und 18 Stunden will er für die Distanz gebraucht haben, das wären umgerechnet knapp zwei Marathons am Tag. Er war fast zehn Tage schneller als der bisherige Rekordhalter Christian Eide aus Norwegen. Sagt er.

Doch dann kommen in der Extremsportszene erste Zweifel  an seinem Rekord auf, Beweise werden verlangt. Aber Szwed will sie nicht vorlegen. Er argumentiert mit den Ermittlungen des Umweltbundesamts wegen einer fehlenden Genehmigung zur Antarktisquerung.

Tatsächlich aber hat Szwed einen anderen Grund für sein Schweigen: Ganz offensichtlich war er niemals am Pol. Davon ist inzwischen auszugehen. Nicht nur, weil sich sein angebliches Beweisfoto am Donnerstag als Fälschung herausgestellt hat - die Nachrichtenagentur dpa hat das Bild inzwischen offiziell zurückgezogen. Ein zum Verwechseln ähnliches Foto findet sich außerdem in einem Internetblog  sowie auf der Internetseite Southpolestation  - sicher kein Zufall.

Etliche weitere Aussagen von Zeugen und Beteiligten werfen die Frage auf: Wann soll Szwed am Pol gewesen sein?

Eine Rekonstruktion der Expedition:

  • Am 30. Dezember ist Szwed mit dem Reiseveranstalter Amical alpin zum Union Glacier in die Antarktis geflogen. Dort hat er unter der Führung des bekannten Alpinisten Ralf Dujmovitz am 5. Januar den Mount Vinson bestiegen. Und die Antarktis zusammen mit den fünf weiteren Expeditionsteilnehmern am 9. Januar wieder verlassen. Unterlagen zu der Reise liegen derzeit beim Umweltbundesamt in Dessau. Auch ein US-Veranstalter, dessen Flugzeug für die Reise genutzt wurde, bestätigt diese Daten samt dem Ausflug vom Union Glacier nach Punta Arenas in Chile.
  • Auf der Reise wurden bereits einige der Fotos gemacht, die später von Szwed an die dpa gegeben wurden - als angebliche Südpol-Tour-Selfies. "Auf seine Bitte hin habe ich eine der Aufnahmen am Union-Gletscher gemacht - ein Expeditionsteilnehmer am Fuß des Vinson", sagt Dujmovitz. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Es ist durchaus üblich, für Sponsoren vorab Bilder zu produzieren - aber nicht, sie später als Expeditionsbilder zu bezeichnen.
  • Nach der Ankunft in Punta Arenas per Flugzeug ging es für Szwed zusammen mit den anderen Kletterern zurück nach Deutschland. Er landete am 14. Januar in Frankfurt am Main. "Er hat gesagt, dass er nach dem Rückflug von Chile in Frankfurt bleiben wollte, um von dort nach Südafrika und dann weiter in die Antarktis in den norwegischen Sektor zu reisen", sagt ein Vinson-Bergsteiger, der mit ihm zusammen geflogen ist. Am 17. Januar bekam der Mann dann per Facebook-Chat von Szwed mitgeteilt: "Ich bin vor einer Stunde in Cape Town gelandet, um 6.00 Uhr geht es weiter bzw. zurück in die Antarktis. Ich gebe alles, um gesund und mit allen Körperteilen zurück zu kommen." Später irritierte ihn Szweds Internettätigkeit, während der Extremsportler täglich zwei Marathons bei klirrender Kälte absolviert haben soll. "Ich habe mich gewundert, dass er Facebook-Freundschaftsanfragen bestätigt hat, in der Zeit, in der er eigentlich in der Antarktis sein wollte."

Am 17. Januar war auch in der Regionalpresse ein Bericht über Szweds angebliche Rekordtour erschienen. Der Reporter hatte sich dafür mit dem Extremsportler getroffen - einen Tag vorher, am 16. Januar bei ihm zu Hause. Dort bekam er auch Fotos von Szwed auf einem USB-Stick überreicht.

Selbst wenn der 33-Jährige direkt nach dem Termin am 16. Januar über Kapstadt zurück in die Antarktis gereist sein sollte: Es bleibt zu wenig Zeit für den 14-Tages-Rekord. Denn am 2. Februar nahm Szwed bereits in Helsinki die Urkunde für die erfolgreiche Südpol-Expedition persönlich entgegen, wie sein inzwischen abgesprungener Sponsor Tespack bestätigt.

Stutzig machen zusätzlich die Blogeinträge auf der Internetseite  eines kleineren Sponsors, die überhaupt nicht zu den mehrfach belegten Reisedaten und dem Facebookchat von Szwed passen. Über einen Kontaktmann, einen in Marbella lebenden Portugiesen, hat Szwed dort am 13. Januar eintragen lassen: "Ende Tag 13. Vorbereitung für die Nacht" - dazu ist Szweds Gesicht in einem Zelt zu sehen. Der Portugiese bestätigt per E-Mail nur, dass er den Kontakt mit Szwed abgebrochen hat - mit SPIEGEL ONLINE reden will er nicht.

Ein weiterer Eintrag stammt vom 9. Januar, jenem Tag, an dem Szwed in einer Iljuschin-Maschine Richtung Chile saß. Er schreibt: "Mehr als den halben Weg zum Südpol habe ich hinter mir. Ich bin mir sicher, dass ich den Rekord brechen werde ;)." Die Nachricht soll dem Blog zufolge am 8. Januar verfasst worden sein.

"Ein ordentlich trainierter Sportler"

Warum tut Szwed das, warum riskiert er seinen Ruf und seine Karriere? Und dazu noch in solchen Superlativen: Hätte er behauptet, den Pol in 25 oder selbst in 23 Tagen erreicht zu haben - vielleicht wäre der vermeintliche Betrug niemals aufgeflogen. Zudem berichtet sein Bergführer vom Vinson auch Gutes über ihn: "Ich hatte den Eindruck, dass es sich um einen ordentlich trainierten Sportler und einen hilfsbereiten netten Menschen handelt. Er war auf der gesamten Reise zuvorkommend und hat sich sehr gut ins Team integriert", sagt Dujmovits.

Sicher stand Szwed bei seinem Vorhaben unter Druck. Sponsoren, und die selbst gesuchte Öffentlichkeit, wollten von ihm nun die angekündigte Leistung sehen. Aber warum denkt er sich offensichtlich so eine unglaubwürdige Geschichte aus?

Vielleicht hat das Geld, das er über eine Fundraising-Aktion  gesammelt hat, nicht für die gesamte Tour gereicht. Die Reise zum Vinson hat knapp 35.000 Euro gekostet. Obwohl er sich da bereits in der Antarktis befand, hätte eine Tour von einem der offiziellen Startpunkte für eine Antarktis-Traverse mindestens noch mal dieselbe Summe verschlungen. Das war Szwed zu teuer, deshalb wollte er über Kapstadt einreisen. Mit dem einzigen Anbieter vor Ort ist er nicht geflogen. Viele Experten bezweifeln Szweds Behauptung, dass er eine günstige Alternative zu allen bekannten Anbietern gefunden haben will.

Nun könnte die Aktion für ihn noch weit unangenehmer werden. Zwar ist zu erwarten, dass das Umweltbundesamt den Fall zu den Akten legen wird. Aber dafür könnten Sponsoren für den offensichtlichen Betrug ihr Geld zurückfordern. Auch in der Bergsteigerszene dürfte er es künftig schwer haben. "Solche Fälle sind für uns als Alpinisten und Extremsportler eine Katastrophe. Durch sein Verhalten wird die Glaubwürdigkeit unserer gesamten Branche infrage gestellt", sagt Dujmovits.

Die Fragen zur Motivation kann wohl nur Szwed selbst beantworten. Aber der schweigt und will nicht mehr reden. "Ich werde keinerlei Auskünfte mehr an die Presse geben. Es tut mir leid, da selbst die dpa nur das schreibt, was sie möchte, damit ein Redakteur seinen Kopf aus der Schlinge zieht, weil er einen Fehler gemacht hat", teilt er nach dem aufgeflogenen Bilderbetrug mit.

Vielleicht sollte Szwed dringend darüber nachdenken, wer zuerst einen Fehler gemacht hat.

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