

Neue Regeln bei der Bahn So geht Zugfahren an den Feiertagen
Die neuen Corona-Beschränkungen von Bund und Ländern machen sich auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn bemerkbar: mehr Züge ab Mitte Dezember, dafür weniger Reservierungsmöglichkeiten ab diesen Freitag.
Die Bahn folgt damit den Anordnungen des Bundes und der Länder, die sich am Mittwochabend auf neue Maßnahmen geeinigt hatten, um soziale Kontakte zu erschweren und das Coronavirus weiter zurückzudrängen. Um eine Reservierungspflicht, wie sie zwischenzeitlich in den Vorschlägen des Bundes auftauchte, ist die Bahn damit vorerst herumgekommen.
Zurzeit sind die Fernzüge locker besetzt – zumindest im Schnitt: Die Nachfrage in den vergangenen Wochen ist wieder deutlich gesunken. Die Züge im Fernverkehr sind derzeit laut Bahn lediglich zu 20 bis 25 Prozent ausgelastet. Im Sommer nach dem ersten Shutdown lag die Auslastung bei rund 30 bis 40 Prozent. In normalen Zeiten sind es im Schnitt 60 Prozent.
Auch über die Feiertage geht die Deutsche Bahn von einer deutlich geringeren Nachfrage. Eine Verbraucherumfrage habe ergeben, dass das Fahrgastaufkommen in diesem Jahr um bis zu 60 Prozent unter dem Niveau der Vorjahre liegen könnte, sagte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber. Das entspräche einer durchschnittlichen Auslastung von 35 bis 40 Prozent. «Genau lässt sich das zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht absehen.»
Was ändert sich beim Bahnfahren?
Fahrgäste können im Fernverkehr der Deutschen Bahn nur noch einen Sitzplatz pro Doppelsitz reservieren, wie der bundeseigene Konzern mitteilte. Der jeweilige Platz daneben bleibt demnach für eine Reservierung gesperrt. Insgesamt sollen maximal 60 Prozent der Plätze pro Zug reservierbar sein. Vor der Coronakrise waren es nach Angaben der Bahn bis auf wenige Ausnahmen alle Plätze.
An den Tischen sind nun nur noch sich schräg gegenüberliegende Plätze reservierbar. Gemeinsam Reisende wie Familien und Paare können in Extra-Bereichen nebeneinander liegende Sitzplätze reservieren, wie es hieß. Einzelreisenden werden der Bahn zufolge automatisch Fenstersitzplätze zugewiesen, sofern diese noch frei sind. Allerdings können Fahrgäste auch weiterhin ohne Reservierung in den Zug steigen. Diese Regelung gilt bis auf Weiteres: »Solange das Infektionsgeschehen es erfordert, werden wir die Reservierungsbeschränkungen aufrechthalten«, sagt eine Bahnsprecherin dem SPIEGEL.
»Ab Mitte Dezember bieten wir darüber hinaus mit neuen Zügen zusätzlich Tausende Sitzplätze und häufigere Fahrten auf vielen Hauptstrecken an«, teilte Huber mit. Dies geschieht - wie schon zuvor geplant - mit dem Fahrplanwechsel. Zudem kommen zwischen dem 18. und 27. Dezember doppelt so viele Sonderzüge zum Einsatz wie normalerweise zu Weihnachten. Damit werden 100 zusätzliche Fahrten angeboten.
Gelten schon gebuchte Reservierungen noch?
Ja, alle bisher gebuchten Reservierungen behalten ihre Gültigkeit: Eine Familie, die bereits nebeneinander liegende Sitze reserviert hat, reise auch zusammen, sagt die Bahnsprecherin. »Wir beobachten, dass sich das Buchungsverhalten in den letzten Wochen stark geändert hat - neun von zehn Reservierungen werden erst wenige Tage vor der Fahrt getätigt. Daher gehen wir davon aus, dass es nur in wenigen Fällen dazu kommen wird, dass bereits nebeneinander liegende Plätze von Einzelreisenden gebucht wurden.« In diesen Fällen würden die Zugbegleiter helfen, alternative Plätze zu finden und die Reisenden damit auf den Zug zu verteilen
Warum gibt es keine Reservierungspflicht?
Eine Reservierungspflicht, mit der das Fahrgastaufkommen in den Zügen möglicherweise besser gesteuert werden könnte, hatte die Bahn stets abgelehnt. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hält nichts von der Idee. Sie fürchtet zusätzliche Belastungen für die Zugbegleiter, die durchsetzen müssten, dass tatsächlich kein Fahrgast ohne Reservierung an Bord geht.
Und selbst der Fahrgastverband Pro Bahn ist dagegen. »Ein nicht unerheblicher Teil der Reisenden im Fernverkehr nutzt diesen auch für Strecken im Bereich von circa 50 bis gut 100 Kilometern«, teilte der Verband mit. Viele Pendler würden mit einer Reservierungspflicht aber Flexibilität einbüßen, weil sie nicht mehr spontan den Fernverkehr nutzen könnten.
Der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Klaus-Peter Naumann hält die nun beschlossenen Maßnahmen angesichts der geringen Nachfrage deshalb für ausreichend. »Wenn das technisch funktioniert, ist das eine gute Sache«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Wenn plötzlich doch deutlich mehr Reisende als gedacht mit der Bahn fahren, kann man immer noch überlegen, ob man einzelne Züge mit einer Reservierungspflicht belegt. Dazu sehen wir aber keinen Anlass.«
Wie sind die Storno-Regeln der Bahn?
Seit dem 1. November gelten wieder die tariflichen Stornierungskonditionen. Bis dahin konnten Fahrkarten – auch für den Super Sparpreis –, die bis Mitte März gekauft worden waren, aufgrund der Coronakrise flexibel genutzt werden.
Nun lassen sich wieder, wie gewohnt, lediglich die Flexpreis-Tickets bis vor dem ersten Geltungstag kostenlos umtauschen oder stornieren. Sparpreis-Tickets können bis vor dem ersten Geltungstag für zehn Euro storniert werden. Passagiere erhalten einen Storno-Gutschein mit drei Jahren Gültigkeit, der für spätere Fahrten genutzt werden kann. Sitzplatzreservierungen lassen sich einmalig kostenlos umtauschen. Super-Sparpreis-Tickets sind laut Bahn vom Umtausch oder einer Stornierung ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für Länder-Tickets und Quer-durchs-Land-Tickets. Die Deutsche Bahn empfiehlt das Buchen von stornierbaren Tickets.
Nachbesserungen an diesen Regelungen für die Bahn fordert Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband. »Die Vorschläge sind nicht zu Ende gedacht und müssen durch Kulanzregelungen ergänzt werden«, sagte sie dem »Handelsblatt«. Bereits gekaufte Tickets müssten angesichts der Erwartung, dass die Bevölkerung aufs Reisen verzichte, kostenfrei zurückgegeben oder umgebucht werden können.
Die Bahnsprecherin hält dagegen, dass die Kunden sich bewusst für ein sehr günstiges Angebot wie den Super Sparpreis entscheiden und dafür auf die Stornierbarkeit verzichten würden.
Wie können Bahnfahrer möglichst sicher reisen?
Wer seine Mitfahrer auf etwas mehr Abstand halten möchte, der kann über ein 1.-Klasse-Ticket nachdenken. Immerhin gibt es dort etwa im ICE pro Waggon etwa ein Drittel weniger Sitze als in der 2. Klasse und das in Dreier- statt in Vierer-Reihen. Mit Glück gibt es die auch noch zu einem Super Sparpreis – zwar nicht stornierbar (was die Bahn empfiehlt), aber eher bezahlbar. Beispiel Hamburg - München, 23. Dezember: ab 115,90 Euro, im Vergleich der 2.-Klasse-Super-Sparpreis (99,90 Euro) und die Normalpreise der 2. Klasse (154 Euro) und 1. Klasse (259,70 Euro) (Stand 27.11.).
Wenn möglich Randzeiten wählen, also nicht am 24. Dezember, an Freitag- oder Sonntagnachmittagen, sondern wochentags früh morgens oder spät abends. Nicht nur Wochenendfahrer sind sonst verstärkt unterwegs, sondern auch die Berufspendler. Eine großzügige Handhabung von Homeoffice-Arbeit macht es vielleicht möglich, diese Stoßzeiten zu meiden. »Muss ich unbedingt Heiligabend fahren oder geht das nicht schon zwei oder drei Tage vorher?«, gibt Detlef Neuß, Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, zu bedenken.
Bei der Verbindungssuche an Automaten, App oder im Internet das Häkchen »Schnellste Verbindung« rausnehmen. Wer längere Fahrzeit oder mehr Umstiege in Kauf nimmt, so die Bahn, kann auf weniger volle Züge hoffen. Werden Doppelzüge, die später geteilt werden, und Züge, die als Ganzes zum Ziel fahren, angeboten, dann Letztere wählen – das empfiehlt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender von Pro Bahn. Dort verteilten sich die Passagiere besser.
Die Bahn-App DB Navigator gibt schon seit ein paar Monaten einen Hinweis, wie stark ausgelastet die Züge sein könnten – mit einem grauen bis drei orangefarbenen Männchen. Also lieber die Verbindung mit nur einem Männchen wählen. Allerdings über- statt untertreibe die Bahn eher bei der Einschätzung, sagt Naumann. Auch Drei-Männchen-Züge können nur zur Hälfte belegt sein. Derzeit werden Züge bei einer Auslastung von 50 Prozent als voll eingestuft, erklärt Neuß. Dann lässt sich online kein Ticket mehr buchen. Bei der Privatbahn Metronom zum Beispiel werden die meist gut gefüllten Verbindungen »Sardinenzüge« genannt und auch so im Fahrplan bezeichnet.
Lieber Sitzplätze an den Enden der Züge buchen, sagt Naumann, dort ist es oft leerer als in der Mitte. Das gilt natürlich auch für jene Passagiere, die ohne Reservierung einsteigen.
Noch ein Tipp des Profi-Bahnfahrers Naumann: In Hamburg oder Berlin – wenn möglich – an Bahnstationen vor dem Hauptbahnhof einsteigen, dann findet sich in gut gebuchten Zügen noch ein Plätzchen und das Gedränge in den Waggons ist nicht so groß.
Dem Getümmel am Bahnhof, am Gleis, vor Ticketautomaten oder Reisezentren kann entgehen, wer seine Fahrkarte per App oder Internet kauft. Und wer sich am Wagenstandsanzeiger auf dem Gleis oder in der App orientiert, wo der Waggon mit dem reservierten Sitzplatz zum Halten kommt, und sich dort schon mal platziert. Da die sogenannte Wagenreihung sich gern mal ändert, kann es dennoch zu Geschiebe kommen.
Die Bahn hat bereits die kontaktlose Fahrkartenkontrolle eingeführt, Tickets werden nur noch auf Sicht geprüft. Wer den sogenannten Komfort-Check-in im ICE per Handy nutzt, mit dem man im Prinzip selbst seine Fahrkarte entwertet, wird noch nicht mal von den Zugbegleitern angesprochen.
Trotz aller Bemühungen um einen leeren Zug und einen einsam gelegenen Platz kann es passieren, dass man am Ende doch in einem vollen Wagen sitzt. Dann hilft nur: konsequent Maske tragen. Partikel filtrierende Halbmasken (FFP2/FFP3) schützen Reisende am besten vor Aerosolen. Allerdings fällt mit diesen Masken das Atmen schwerer, was für manche Menschen auf mehrstündigen Zugfahrten quer durch Deutschland ein Problem sein kann. »Man sollte sich gut überlegen, welchen Typ Maske man wählt«, rät Pro-Bahn-Experte Neuß.