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Literaturhotel in Iserlohn: Einfach nur lesen

Foto: A2824 Franz-Peter Tschauner/ dpa

Ferien im Literaturhotel Zuflucht für Bücherwürmer

Endlich mal nur lesen! Wahre Bücherfreunde hegen die tiefe Sehnsucht nach Ungestörtheit und endloser Lesestoffzufuhr. Im Literaturhotel Franzosenhohl mit seinen 2700 Büchern können sie sich ihrem Hobby völlig hingeben - da wird selbst die idyllische Umgebung zur Nebensache.

Iserlohn - "Schließen Sie mich doch hier mal für eine Nacht mit einer Taschenlampe ein, dann könnte ich in Ruhe schmökern." Diesen Wunsch hörte Andrea Reichart in ihrer Essener Buchhandlung viele Male. So oft, dass ihr 2006 die Idee kam, Ferien unter lauter Büchern anzubieten. Mit Hilfe eines vermögenden Freundes setzte sie die Idee in die Tat um: Vor rund einem Jahr eröffnete Reichart das "Literaturhotel Franzosenhohl" im sauerländischen Iserlohn.

Am Waldrand zwischen Forst- und Wanderwegen gelegen wurde aus einer Bauruine ein elegantes Hotel mit einer Besonderheit: Es ist im Börsenverein des Deutschen Buchhandels eingetragen und wird wie eine Buchhandlung mit Freiexemplaren beliefert.

Auf den Fluren, in Zimmern und in der Bar wimmelt es nur so vor Bestsellern. Viele Gäste des Hotels kommen nicht mal bis zur Rezeption, bevor sie das erste Buch in der Hand halten. Im Foyer des 25-Betten-Hauses ragen meterlange Bücherregale bis an die Decke, gemütliche Sessel tun ihr Übriges in dem ansonsten schlicht und modern eingerichteten Haus. Alte Schinken sucht man vergebens: "Wir sind kein herkömmliches Hotel, dass sich den Stempel Literatur durch ein paar abgegriffene Klassiker und ein Goethe-Zimmer verleiht", sagt Reichart.

2700 Bücher und 40.000 Hörbücher warten auf die Gäste. Schon vorher fragt Reichart nach dem Geschmack und stellt ein paar potenzielle Lieblingsromane neben das Bett. "Wer sich nicht entscheiden kann, bekommt einen Krimi. Der geht immer", sagt die Hoteldirektorin. 30 bis 40 Prozent Zimmerbelegung hat das Haus bisher. Noch nicht spitze, aber Geschäftsführerin Hilla Holzhauer, Schwiegertochter des Investors, ist zuversichtlich. "Für das erste Jahr sind wir mit dem Ergebnis zufrieden, man muss ja auch erst mal über uns reden", sagt sie.

Buchtipps im Aufzug

An fast jedem Wochenende gibt es Schreibworkshops oder Autorenlesungen. Reichart holt etwa Obama-Biograf Christoph von Marshall oder Krimi-Institution Horst Eckert nach Iserlohn. "Es ist schön, dass wir durch die Lesungen auch die Menschen aus der Region und dem Ruhrgebiet anlocken", sagt sie.

Momentan besuchten das Hotel vor allem noch Geschäftsleute. Ihnen liege mehr an den eleganten Zimmer und dem guten Service des Hotels als an Büchern. Doch Reichart träumt davon, dass ihr Hotel zum Trend-Tipp für Literaten wird. "Es wäre schön, wenn schon morgens im Aufzug Buchtipps ausgetauscht würden oder sich Autoren hier zum Schreiben träfen."

Mehr Hoteliers mit ausgefallenen Ideen und klaren Zielen wünscht sich Michael Krause vom Touristikverband des Märkischen Kreises: "Für etliche Touristen haben wir eine zu monotone Hotelstruktur." Dass viele Bausteine in Hotels und vor allem bei Hotelketten ähnlich seien, dränge die Deutschen eher ins Ausland, findet Krause.

Marc Schnerr, Geschäftsführer des deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Berlin, nimmt die uniformen Hotelketten dagegen in Schutz: "Es gibt viele Gäste in Deutschland, die gerne wissen, was sie für ihr Geld bekommen. Und das ist bei den meisten Marken guter Service und hohe Qualitätsstandards". Ein Trend zur Nische ist für ihn allerdings auch zu erkennen. "Es ist in vielen Bereichen noch möglich, neue Zielgruppen zu erschließen und damit mehr Gäste zu locken."

Die Zielgruppe Literaturfreunde könnte für Reichart ein Glücksgriff sein. Meistens gebildet und gut situiert könnten sie das richtige Publikum für das Literaturhotel sein. Doch auch alle anderen sollen die Bücher zu einem erneuten Besuch bewegen: "Ich hoffe, dass die meisten Gäste bei der Auswahl hier ihre Bücher nur anlesen. Dann müssen sie wieder kommen. Ich lege solange ein Lesezeichen ein", sagt sie augenzwinkernd.

Tim Gabel, dpa
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