
Alles ganz plötzlich: Der erste Alleinflug in der Abenddämmerung
Foto: Michail HengstenbergAls alles vorbei ist, öffne ich die Cockpithaube und verharre in meinem Sitz. Bleibe angeschnallt, schaue über das vertrocknete Gras der Startbahn in den Abendhimmel. Und dann kommt das Glücksgefühl. Es ist kein Adrenalinrausch, keine sich auftürmende Welle von Hormonen, die mein Gehirn flutet. Es ist wie das Segelfliegen selbst: ruhig, leise.
Zwei, drei, vier Minuten sitze ich so. Vor meinem inneren Auge läuft er noch mal ab wie ein Film, mein erster Alleinflug. Bis mein Lehrer angefahren kommt und der Motor des Seilrückholwagens die Stille zerschneidet. Ich habe es geschafft. Ich bin allein gestartet, geflogen, gelandet. Ohne ihn auf dem Rücksitz. Ganz allein.
Ich habe in den Tagen davor versucht, mir das vorzustellen. Würde ich Angst haben? Würde ich nervös sein? Würde ich all das, was ich zuvor gelernt habe, abrufen können? Oder plötzlich unsicher werden? Vielleicht sogar panisch? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Und trotzdem kam es ganz anders, als ich es mir gedacht hatte.
Auch, weil am Ende alles ganz schnell gehen musste und gar keine Zeit war, sich ausschweifende Gedanken zu machen. Ich war erst recht spät auf den Flugplatz gekommen, vor mir waren noch andere Flugschüler dran. Um 18 Uhr hob ich zum ersten Mal ab, mit meinem Lehrer auf dem Rücksitz, der sich vergewissern wollte, dass ich alles im Griff hatte.
Verpatzte Generalprobe
Bei der ersten Landung wurde ich im Endanflug plötzlich zu schnell. Die zweite war gerade so in Ordnung, die dritte passte. "Du lässt das jetzt mal sacken. Ich mache jetzt noch zwei Flüge mit einem anderen Schüler und dann kannst du dich bereitmachen", sagte mein Lehrer.
Bereitmachen. Sollte es jetzt wirklich, nach zwei aus verschiedenen Gründen gescheiterten Anläufen, endlich klappen mit meinem ersten Alleinflug? Es sah so aus. Und dann wieder nicht mehr: Weil sich, wie oft beim Segelflug, die beiden Starts mit dem anderen Schüler in die Länge zogen, rückte plötzlich der Sonnenuntergang bedrohlich näher. Nach Sonnenuntergang darf nicht gestartet werden, plötzlich war mein Alleinflug wieder in Gefahr.
15 Minuten vor der Dämmerung hoben mein Lehrer und ich zu einem letzten gemeinsamen Flug ab. Zehn Minuten vor Sonnenuntergang landeten wir wieder. Nun musste alles ruckzuck gehen. Mein Lehrer räumte seine Kissen aus dem hinteren Sitz, gab mir das Funkgerät für die Kommunikation mit dem Tower nach vorne und wies mich ein, wie sich das Flugverhalten der Ka7 ändert, wenn nur eine Person an Bord ist. Dann klappte ich die Haube zu und meldete mich beim Tower zum Start.
Weniger bedrohlich als befürchtet
Als in knapp 400 Meter Höhe das Seil ausklinkt und ich die erste Kurve fliege, muss ich es mir regelrecht vor Augen halten, weil mein Lehrer schon seit längerem kaum noch etwas gesagt hatte auf unseren Flügen: Du bist jetzt allein. Es sitzt niemand hinter dir. Ich habe mir irgendwie vorgestellt, dass sich das Alleinsein anders anfühlt. Bedrohlicher.
Stattdessen merke ich, wie meine Routine anspringt, die Automatismen greifen. All das, was ich in den vergangenen Wochen gelernt habe, genau da ist, wo ich es brauche. Nur in zwei Momenten verspüre ich eine leichte Unsicherheit, nämlich als ich etwas tun muss, was ich zuvor noch nicht gemacht habe: beim Start und beim Einleiten des Landeanflugs den Tower anfunken.
Ich schaue aus dem Cockpit in den wunderbar diesigen Abendhimmel. Der späte Start mag hektisch gewesen sein, aber er beschert mir eine unvergleichliche Atmosphäre. Da unten, wie unter einem Seidentuch, ist der Rest der Welt. Hier oben bin ich, allein mit der untergehenden Sonne.
Die Landung ist gut. Sauber und gerade steigt die Ka7 in der windstillen Luft hinab. Ich fange sie rechtzeitig ein in einem sanften, weichen Bogen, ziehe die Schnauze im Gleitflug über dem Boden vorsichtig nach oben, dann setzt der Sporn am Heck auf, die Maschine rollt aus. Ich habe es geschafft. Ich öffne die Haube, verharre in meinem Sitz. Und dann kommt das Glücksgefühl.