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Segelflug-Blog Ich geb Gas und hab Spaß

Ich bin die letzten fünf Tage geflogen und habe dabei so viel erlebt, dass es eigentlich gar nicht in einen Blog-Eintrag passt. Zum ersten Mal bin ich im F-Schlepp nicht an der Winde, sondern mit einem Schleppflugzeug gestartet.

Zum ersten Mal bin ich im Hochleistungsdoppelsitzer DG-1000 geflogen und habe Trudeln geübt. Ich bin nach langer Zeit zum ersten Mal wieder allein geflogen - und wäre fast sogar zum ersten Mal in einem Einsitzer gestartet.

Von den vielen Premieren haben mich zwei ganz besonders beeindruckt. Der F-Schlepp, weil er so gänzlich andere Anforderungen an mich gestellt hat, als es der Start an der Winde tut. Der ist brutal in seiner Beschleunigung und bis zum Erreichen der Sicherheitshöhe von 50 Metern muss man höllisch aufpassen, keinen Fehler zu machen, denn in dieser Phase des Windenstarts können Fehler tödlich sein.

Doch danach ist der Windenstart eigentlich ein Spaziergang, solange nicht das Seil reißt - man kann, bis auf ein paar kleine Korrekturen vielleicht, ganz entspannt dem Seil hinterherfliegen und sogar aus dem Fenster gucken, wie die Erde immer kleiner wird.

Jede Sekunde Unkonzentriertheit ist eine Gefahr

Beim F-Schlepp durfte ich mir keine Sekunde der Unkonzentriertheit leisten, weil es sonst gefährlich geworden wäre. Nicht für mich. Aber für den Piloten der Schleppmaschine. Wenn ich nämlich nicht genau in der richtigen Höhe hinter der Schleppmaschine hergeflogen wäre, hätte ich das Heck der Maschine, an dem das Schleppseil befestigt ist, in die Höhe oder nach unten gerissen - und damit den Piloten womöglich ins Verderben.

Dieses Halten der richtigen Höhe ist vor allem beim Start eine große Herausforderung. Das Anrollen dauert im Vergleich zum Windenstart eine gefühlte Ewigkeit, weil die Propellermaschine natürlich nicht so brachial beschleunigt. Mit großen Querruderausschlägen musste ich verhindern, dass eine Tragfläche den Boden berührt. Und weil der Segler immer vor der Schleppmaschine abhebt, gilt es, danach erst mal feinfühlig in einer Höhe von ein bis zwei Metern über dem Boden zu fliegen - bis die Schleppmaschine auch endlich aufsteigt.

Doch auch danach ist keine Entspannung erlaubt. Schon Sekunden der Ablenkung reichen, um aus der richtigen Position hinter der Schleppmaschine herauszugeraten. Bei einem Start hatte ich zum Beispiel vergessen, das kleine Schiebefenster in der Kabinenhaube zu schließen. Als ich es während des Schlepps zumachen wollte, wandte ich den Blick für eine Sekunde nach links - schon waren wir hinter dem Motorsegler nach oben ausgewandert.

Alleine fliegen - ein Glücksgefühl

Trotz der Konzentration, die der F-Schlepp erfordert - er hat auch etwas Ruhiges, Entspannendes. Wie ein tanzendes Paar, durch ein Seil verbunden, schwingt man sich in einem permanenten Auf und Ab in die Höhe. Bei einem Schlepp gerieten wir als Verband in Thermik und flogen gemeinsam drei Kreise im Aufwindfeld - im Nu hatten wir die gewünschte Höhe erreicht.

Ebenso einprägsam waren meine Alleinflüge. Seit meiner A-Prüfung im vergangenen Jahr war ich nicht mehr allein geflogen. Umso mehr überraschte mich, wie ähnlich sich das Glücksgefühl nach der ersten geglückten Alleinlandung 2014 und das Glücksgefühl nach der ersten geglückten Alleinlandung überhaupt ähnelten. Minutenlang saß ich einfach nur auf dem Bug der ASK 21, während ich auf den Rückholwagen wartete, und lauschte auf mein inneres Jubilieren.

Zehn Starts habe ich allein in diesen fünf Tagen absolviert, wobei mir einer ganz besonders in Erinnerung bleiben wird: Mein erster längerer Alleinflug. Ich hatte an diesem Tag schon drei Windenstarts gemacht, die aber wegen geringer Ausklinkhöhe nur sehr kurz waren. Beim letzten dann schaffte ich es immerhin auf 380 Meter und fand im Übungsraum ein wenig Thermik. Mühsam kämpfte ich mich auf 450 Meter. Dann erspähte ich drei Vögel, die etwas höher ein kleines Stückchen rechts von mir kreisten. Ich verlagerte meinen Kreisflug so, dass ich nun unter ihnen schwebte - und plötzlich ging es rapide aufwärts.

Im Nu war ich bei 900 Metern angekommen, der an diesem Tag bei uns im Luftraum zulässigen Höhe. Und damit konnte ich spielen! Vor allem weil es nun, am Nachmittag und in dieser Höhe, anscheinend überall rund um den Flugplatz trug. Ich düste mit 150 km/h ans Ende des Flugplatzes und hatte kaum an Höhe eingebüßt. Ich flog zwei Kreise und war schon wieder bei 900 Metern. Dann düste ich wieder zurück und kreiste am anderen Ende des Flugplatzes mit zwei Vereinskollegen im gleichen Bart.

Die Felder Schleswig-Holsteins, das nasse Band der Elbe

Dann fasste ich mir ein Herz und marschierte in Richtung Elbe. Ich wusste, dass ich mit dieser Höhe problemlos wieder zurück zum Platz kommen würde, also flog ich los. Einfach so, wie man sich hinter das Steuer eines Autos setzt und losfährt, nur, dass ich Hunderte Meter über dem Boden schwebte. Unter mir lagen die Felder Schleswig-Holsteins, hinter mir meine Heimatstadt Hamburg, vor mir schlängelte sich, in der Sonne glitzernd, das nasse Band der Elbe.

Wie ich da so herumschwebte in knapp 1000 Meter Höhe, allein, spürte ich zum ersten Mal den Unterschied. Alle Flüge zuvor, auch die kurzen Alleinflüge, hatten sich wie Lernflüge angefühlt. Horizontlage okay? Faden gerade? Höhe ausreichend? Permanente Kontrolle, permanentes Abfragen des Erlernten. Dieses Mal ließ ich es einfach laufen - und registrierte umso mehr, wie vertraut mir das Fliegen schon ist.

Am Ende kehrte ich von meinem Ausflug an den Elbsaum mit 800 Höhenmetern zum Platz zurück. Also übte ich Slippen, den Seitengleitflug, mit dem man rasch Höhe abbauen kann. Nach exakt 44 Minuten beendete ich meinen bisher längsten Alleinflug, an den ich noch lange zurückdenken werde.

Und wie ich fast zum ersten Mal Einsitzer geflogen wäre, erzähle ich beim nächsten Mal.

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