
Grauer Himmel, graue Stimmung - wie übersteht man den Winter unbeschadet?
Foto: Michail HengstenbergDer Winter ist für viele Menschen ein Monate währendes Gemütstief. Für Segelflieger ganz besonders, denn sie müssen leider am Boden bleiben. Wie überstehe ich diese Zeit seelisch einigermaßen unbeschadet?
Klar, ein Gutes hat der Winter: Es ist mehr Zeit zum Lernen für die theoretische Prüfung. Die steht im Frühjahr an und mir auch ziemlich bevor, doch dazu in der nächsten Blog-Folge mehr. Kleine Stimmungsaufheller sind von anderen Fliegern auf Facebook oder YouTube veröffentlichte Saisonzusammenschnitte oder sonstige Videos, auch wenn die gleichzeitig die Sehnsucht nach Segelfliegen noch mehr schüren.
Was auch hilft, ist die Arbeit an den Flugzeugen, seien es die des Vereins oder auch die eigene Maschine. Kleine oder große Schönheitsreparaturen, stets vom Gedanken an den ersten Flugtag im nächsten Jahr begleitet. Ach ja, die Tage auf dem Flugplatz.
Was mir am meisten hilft, ist die Erinnerung an meinen letzten Flugtag im Oktober. Ich war zuvor länger nicht geflogen, außer im Motorsegler für die Überlandflugeinweisung. Und eigentlich hatte ich auch gar nicht vor, zu fliegen, denn es schien zwar die Sonne, aber es war windig und die Thermikaussichten waren mau. Aus einer Laune heraus bin ich dann doch zum Flugplatz gefahren. Und es war ein unvergesslicher Tag.
Nicht unbedingt wegen der Flüge, fünf an der Zahl. Der längste währte 16 Minuten, die ich einem extrem zerrissenen Aufwind abrang. Das war zwar befriedigend, aber kein Genuss. Nein, im Gedächtnis ist mir dieser Tag wegen etwas anderem geblieben: dem Flugplatz-Gefühl, das ich noch nie so destilliert empfunden habe wie an jenem Tag.
Dieses bei Sonnenschein an der frischen Luft sein und sich voll und ganz dem Rhythmus des Flugbetriebs hinzugeben. Im Lepo, dem Seilrückholwagen, an der Winde zu warten, die Füße auf den Fensterrahmen der geöffneten Autotür gelegt, bis irgendwann auch der Fallschirm des zweiten Startseils zu Boden fällt, eingehängt und wieder ausgezogen werden muss. Oder im Cockpit der Winde zu sitzen. Auf das Signal zum Start zu warten, dann die immer gleichen Abfolge an Knöpfen und Schaltern zu drücken, bis man dem gigantischen Dieselmotor der Winde die Sporen geben und zugucken kann, wie das Flugzeug in den Himmel steigt.
Und dazwischen einfach nur zu warten. Den Gedanken nachzuhängen, Gespräche anzufangen und sie nie zu Ende zu führen, weil garantiert jemand dazwischenruft. "Wer holt Seile?" oder "Holt jemand die D-2785?". Dann loszufahren, Arm aus dem geöffneten Seitenfenster, Blick in den blauen Himmel, Flugzeuge holen, Seile holen, sich erholen.
Dieser eigenwillige Beat des Flugbetriebs, diese zauberhafte Form der Entschleunigung.
Ich kann dieses Gefühl auch zwei Monate danach noch abrufen, als wäre es gestern. Und ich hoffe, dass das noch eine Weile so bleibt. Zumindest, bis dieser Winter vorbei ist.