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Borowez in Bulgarien: Neues Image verzweifelt gesucht

Foto: Borosport / TMN

Pläne für Bulgariens Skigebiet Borowez Mehr Piste, weniger Party

Borowez war einst der modernste Wintersportort Bulgariens. Heute lockt das Bergresort vor allem Touristen zum Feiern an und Hauptstädter zum Skifahren nach Feierabend. Das soll sich nun ändern.

Die Gondeln von Borowez sind mäßig bequem und mäßig schön; innen eng, außen orange und rundlich. Die Achtzigerjahre-Optik löst sofort eine Nostlagieattacke aus, ebenso wie der Indiana-Jones-Flipper und der Terminator-II-Ballerautomat im Spieleraum des Riesenhotels. Besonders, wenn man vor 30 Jahren als Kind das Skifahren gelernt hat. Damals, als eine solche Ausstattung als aufregend und modern galt, war Borowez das größte und modernste Skigebiet Bulgariens.

Französische Firmen bauten Hotelkästen direkt an der Piste, Familien kamen aus dem ganzen Land angereist, Unterkünfte und Skipässe waren billig. Auch Ljuba Klenowa lernte hier, die Pisten hinabzupflügen, später fuhr sie Rennen. "Im Kindergarten in Samokow sind damals alle Kinder Ski gefahren", erzählt die 36-Jährige. "Es war für uns gratis."

Heute könnten sich nur noch wenige Familien in Bulgarien den Sport leisten, sagt Klenowa. Und wer genug Geld hat, fahre lieber ins Ausland. Nach Österreich oder Italien, wo die Pisten länger und sportlicher und die Skipässe nicht viel teurer sind. Oder nach Bansko, zum Emporkömmling unter den bulgarischen Skigebieten. Seit dort 2003 eine hochmoderne Gondel eröffnete, ist der große Skizirkus dorthin gezogen.

Nostalgie lockt keine Sportler

Ljuba Klenowas Job ist es, das zu ändern. "Natürlich wollen wir wieder die Nummer eins werden", sagt die Direktorin vom Marketingbüro Boro Sport. Dafür soll das Skigebiet nun schrittweise modernisiert werden. Denn mit Nostalgie und Patina allein lassen sich nur wenige Wintersportler anlocken.

Momentan punktet Borowez vor allem mit seiner günstigen Lage. Sofia ist eine knappe Stunde entfernt, deshalb fallen jedes Winterwochenende Horden von Hauptstädtern ein. Viele kommen für einen Tag, manche nur, um am Abend bei Flutlicht zu fahren.

Tagsüber können sie 58 Kilometer Piste hinabwedeln, die sich in drei Teilgebiete aufteilen.

  • Sitnjakowo ist der älteste Teil, 1969 lief hier der erste Sessellift an. Die Pisten winden sich flach durch den Bergwald, Anfängerterrain.
  • Im Skicenter Jastrebez liegen die beliebtesten Pisten wie die rote Popangelow, benannt nach dem erfolgreichsten Rennläufer der bulgarischen Skigeschichte. Sie sind steiler und länger, genau richtig zum Carven.
  • Ebenso sportlich, aber viel kürzer sind die Pisten in Markudschik, dem höchstgelegenen Teilgebiet. Bei klarer Sicht hat man hier oben, auf 2144 bis 2550 Metern Höhe, einen fantastischen Ausblick: auf den Musala, mit 2925 Metern der höchste Berg Bulgariens, und über die Ebene bis zum Witoscha, dem Hausgebirge Sofias. Aber man sieht auch einen weiteren Grund, warum Borowez dringend investieren muss.

"Früher lag hier so viel Schnee, dass die Bäume nicht zu sehen waren", sagt Ljuba Klenowa, als sie im Lift zwischen den Pisten hinauffährt. Nun ragen die Kiefern mehr als einen Meter aus dem Weiß. Im Rila-Gebirge fällt immer weniger Schnee, wie auf vielen Bergen. Im Winter 2013/2014 war deshalb Markudschik, wo keine Schneekanonen stehen, nur 19 Tage geöffnet.

Sauftourismus an der Piste

Da der natürliche Schnee knapp wird, muss jetzt künstlicher her. Mittlerweile lassen 160 Schneekanonen Kunstschnee auf die Pisten von Borowez rieseln, vor ein paar Jahren waren es nur 70. Mehr als 60 Prozent des Skigebiets können nun beschneit werden, sagt Klenova, für weitere Pisten sind Schneekanonen geplant. Und irgendwann soll auch das windige Markudschik-Gebiet wieder schneesicher sein.

Ein anderes Vorhaben im Zehn-Jahres-Plan ist, die alten Gondeln auszumustern. "Jeder redet über eine neue Seilbahn", sagt Klenowa, "aber dafür muss erst das Geld da sein." Zudem ist das Rila-Gebirge als Nationalpark geschützt, jede Veränderung muss genehmigt werden. Viel Bürokratie, klagt Klenowa, die nicht gerade wie eine Grünen-Wählerin klingt. Deshalb sei es auch schwierig, neue Pisten anzulegen. Und deshalb ist der große Plan gefährdet, das Skigebiet mit dem kleinen Konkurrenten Maljowiza zu "Super Borowez" zu verschmelzen. Derzeit liegt das Projekt auf Eis.

Bis alle Genehmigungen vorliegen und Investoren gefunden sind, ist Ljuba Klenowa mit dem Imagewandel beschäftigt. "Wir versuchen, ein Familienresort zu werden", sagt sie. "Aber das ist schwierig, weil wir über viele Jahre einen anderen Ruf hatten." Wofür Borowez derzeit bekannt ist, sieht man bei einem abendlichen Spaziergang. Jedes dritte Haus an der Vergnügungsmeile ist ein Stripklub mit pinkfarbenen Neon-Bunnys über den Türen. Im Minimarkt kosten zwei Liter Bier umgerechnet zwei Euro. Vor den Türen der Bars und Restaurants stehen junge Männer und quatschen die Passanten an. "Spezialangebot heute", rufen sie, oder "Ladies Night, freier Eintritt".

"Die Briten haben viel Spaß hier", sagt Klenowa. "Aber ihnen geht es nur ums Trinken." Für jene Besucher, die zum Skifahren kommen, ist das allerdings ein Segen: Morgens, wenn die Feiertouristen ihren Rausch ausschlafen, kann man ungestört über die frisch präparierten Pisten kurven. Dann ist Borowez ein herrliches Skigebiet, auch ohne schicke Gondeln mit Sitzheizung und WLAN.

Florian Sanktjohanser/dpa/jus
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