

Hotelier auf Mallorca "Manche sehen in der Reisewarnung den Todesstoß für den Tourismus"
Die Hiobsbotschaft erreichte Mallorca am Freitagabend. "Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln wird derzeit aufgrund hoher Infektionszahlen gewarnt", verkündete das Auswärtige Amt . "Spanien war und ist von COVID-19 stark betroffen", heißt es nun in den Reise- und Sicherheitshinweisen der Behörde. Regionale Infektionsherde gebe es insbesondere in den Autonomen Gemeinschaften Aragón, Katalonien, Navarra, La Rioja, Kastilien und Léon, im Baskenland, in der Hauptstadtregion Madrid - sowie auf den Balearen. "Auf Mallorca ist insbesondere Palma de Mallorca betroffen."
Solche Sätze sind Gift für die Tourismusbranche des Landes, das im vergangenen Jahr 83,7 Millionen Ankünfte zählte - rund 11,2 Millionen der Urlauber kamen aus Deutschland. Eine Reisewarnung ist zwar kein Reiseverbot, hat aber eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Urlauber.
Das weiß auch Norbert Amthor. Der 66-jährige Deutsche betreibt zusammen mit seiner Frau Christiane seit achteinhalb Jahren das Finca-Hotel Can Estades in Calvià, einem kleinen Ort westlich von Palma. "Wir müssen nun schauen, wie wir über die Runden kommen", sagte Amthor am Freitagabend dem SPIEGEL.
Vor genau vier Wochen, als Partytouristen den Gastronomen und Hoteliers auf Mallorca Ärger bereiteten, hatten wir Amthor bereits zur Stimmung auf der Insel interviewt. "Die Gefahr ist noch nicht gebannt", sagte Amthor damals. Ihm war bewusst, wie heikel die Lage war - und wie schnell es wieder vorbei sein könnte mit dem Tourismus zu Pandemie-Zeiten. Was fürchtet er jetzt, wo Mallorca offiziell als Risikogebiet gilt - und ein extrem frühes Saisonende droht?
SPIEGEL: Wie groß war der Schock, als Sie von der Reisewarnung erfuhren?
Norbert Amthor: Die Reisewarnung hat uns schon überrascht. Auf der Insel ist das Infektionsgeschehen nicht so tragisch wie an den spanischen Infektionsherden. Daher ist diese Entscheidung bedauerlich. Aber wenn die Zahlen so sind, wie sie sind, dann muss man Konsequenzen ziehen - auch wenn sie für uns Hoteliers unheimlich negativ sind.
SPIEGEL: Wie haben Ihre Gäste reagiert? Wollen die jetzt abreisen?
Amthor: Nein, im Moment sind ausschließlich Deutsche bei uns. Die waren recht gelassen und finden es nicht schlimm, dass sie nun am Flughafen in Frankfurt einen Corona-Test machen müssen. Ich würde meinen Gästen gern die Möglichkeit anbieten, sich auf Wunsch auch bei uns im Hotel testen zu lassen. Da bin ich schon im Gespräch mit einem Arzt hier vor Ort.
SPIEGEL: Hatten Sie seit der Reisewarnung bereits Stornierungen?
Amthor: Ja, ein Kunde hatte erst in der Früh gebucht. Er wollte diesen Sonntag kommen und eine Woche lang bei uns sein. Er wäre auch gern gekommen, wenn da nicht die Quarantäne wäre: Wegen der Reisewarnung muss er sich ja nach der Rückkehr isolieren - zumindest bis sein Testergebnis da ist. Das gehe aber nicht, weil er sonst eine wichtige Dienstreise im Anschluss absagen müsste.
Ein anderes Paar - beide um die 70 - hat ebenfalls bereits abgesagt. Sie gehörten zur Risikogruppe, sagen sie, und wollen nun lieber zu einem späteren Zeitpunkt nach Mallorca kommen. Die Anzahlung wollen sie nicht zurückhaben, sondern darauf bei der nächsten Buchung zurückgreifen. Das hat mich natürlich sehr gefreut.
SPIEGEL: Sie klingen einigermaßen hoffnungsfroh. Macht Sie die Reisewarnung nicht nervös?
Amthor: Sicher gibt es Hoteliers, die in der Reisewarnung den Todesstoß für den Tourismus sehen. Ein Kollege äußerte sich sehr pessimistisch, er sagte: "Zumachen - und das Jahr abschreiben!" Normalerweise haben die Hotels bis Ende September geöffnet. Aber für einige ist die Situation wirklich superschwierig. Das sind vor allem die größeren Häuser, die mit den Reiseveranstaltern zusammenarbeiten.
SPIEGEL: Sie dagegen führen ein kleines Finca-Hotel mit Platz für maximal 25 Gäste. Bauen Sie darauf, dass Individualtouristen trotz der Reisewarnung zu Ihnen kommen?
Amthor: Ja. Unser Hotel liegt auf einem 25.000 Quadratmeter großen Gelände. Abgesagt werden bei einer Reisewarnung ja in der Regel nur die Pauschalreisen. Wer auf eigene Faust reist, kann selbst entscheiden, ob er fliegt oder nicht. Unsere Gäste wissen, dass sie hier nur wenigen Menschen begegnen und sich von den großen Brennpunkten abschotten können. Hier sind alle fast immer an der frischen Luft. Wir empfangen die Gäste mit Desinfektionsmittel, wir servieren das Essen am Tisch statt am Buffet und wir halten Abstand am Pool. Trotzdem habe auch ich die Befürchtung, dass wir den Rest der Saison abschreiben müssen.
SPIEGEL: Wie hoch ist im Moment Ihre Auslastung?
Amthor: Sie lag in den vergangenen zwei, drei Wochen bei etwa 50 Prozent - das ist das neue 100 Prozent. Darüber kann man sich derzeit schon freuen.
SPIEGEL: Wie geht es für Sie weiter?
Amthor: Ich bin zuversichtlich. Wir haben auch nur einen Festangestellten, den wir sicher weiter beschäftigen würden, auch wenn hier wirklich Flaute herrschen sollte. Dann würden wir den vielleicht ein paar Tage in den Urlaub schicken - außer Plan, mitten in der Hochsaison. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir hier noch ein paar Urlauber haben werden. Wenn jetzt wieder strengere Maßnahmen ergriffen werden, dann sollte es in zwei Wochen auch schon wieder weniger Infektionen geben.
SPIEGEL: Warum sind denn die Infektionszahlen in Spanien zuletzt wieder so angestiegen?
Amthor: Es sind zumindest nicht hauptsächlich die Urlauber. Meines Wissens passieren die Ansteckungen eher in den Familien. Die Mallorquiner tragen zwar Masken, wenn sie müssen, aber sie lassen es sich nach wie vor nicht nehmen, sich bei der Begrüßung zu umarmen und zu drücken. So eine Szene habe ich gerade vorgestern in einer Bar beobachtet, wo an einem Tisch zehn junge Frauen saßen und keinerlei Abstand zueinander gehalten haben.
SPIEGEL: Und wie sieht es am Strand aus?
Amthor: Der nächste Strand hier ist der von Paguera. Dort ist es derzeit nicht überfüllt - ich würde sogar sagen, dass das Infektionsrisiko an so manch einem Ostseestrand in Deutschland derzeit höher ist als hier.