

Virus in Südtirol Muss sich das Hotel Corona umbenennen?
Vor ein paar Tagen setzte sich Rosmary Frenner mit Mann und Tochter zusammen, um über den Namen ihres Gasthofs zu sprechen: das Hotel Corona. Es ist einer der traditionsreichsten Betriebe des Südtiroler Tourismusorts St. Vigil und seit mehr als einem Jahrhundert im Besitz der Familie. Eine Krise wie die aktuelle aber hat das Haus noch nicht erlebt.
"Vor zehn Tagen waren wir noch pumpvoll", berichtet Frenner am Telefon, alle 72 Betten waren belegt, die Lager voll mit Südtiroler Speck und Frühstücksjoghurt. Dann kamen die ersten Stornierungen, die Anordnungen aus Rom, die Angst der Skiliftbetreiber. "Niemand soll sagen, die Leute werden am Kronplatz krank", so die 54-Jährige.
Der "Plan de Corones", wie der Kronplatz in der Sprache der ladinischen Sprachminderheit heißt, ist ein 2275 Meter hoher Berg, die Talstation für das Skigebiet liegt nur wenige Gehminuten von Frenners Hotel entfernt.
In den sozialen Medien hätten Leute schon darüber gewitzelt, dass sie sich im Hotel Corona das Virus eingefangen hätten, sagt Frenner, "dabei waren das nicht mal unsere Gäste!" Der Familienrat entschied: erst mal zur allgemeinen Sicherheit das Hotel zusperren und die bösen Kommentare löschen, über den Rest könne man sich immer noch Gedanken machen. "Corona ist ein gängiger Name", ärgert sich Frenner, das werde sich doch jetzt nicht ändern.
Wenn der Tourismus erlahmt, bleibt Südtirol auf der Strecke
Über die Jahrzehnte hat sich Südtirol zum Sehnsuchtsort der Deutschen entwickelt. Wann immer in der Welt eine Krise anstand, wenn Terrorangriffe und Erdbeben ganze Länder in Risikogebiete verwandelten, stiegen in der Alpenregion die Übernachtungszahlen. Die Berge, das Wetter, das gute Essen boten deutschen Gästen das Gefühl von Geborgenheit. Damit ist es erst mal vorbei.
Seit Dienstag ist die nördlichste Provinz Italiens Teil der "Geschützten Zone", ein Land im Notbetrieb. Restaurants schließen um 18 Uhr, katholische Kirchen halten keine Messen mehr ab, Museen und Theater stehen still. Nirgends aber wiegt der wirtschaftliche Schaden so schwer wie im Tourismus. Er ist der ökonomische Antrieb des Landes und zugleich seine verwundbarste Stelle. Wenn er erlahmt, bleibt Südtirol auf der Strecke.
"Wir haben uns an einen ewigen Aufwärtstrend gewöhnt", sagt Arnold Schuler. Als Mitglied der Landesregierung ist er verantwortlich für Tourismus und Bevölkerungsschutz - zwei Dinge, die sich momentan nur schwer miteinander vereinbaren lassen. "Die Hotels mit vielen Sternen haben große Anlagen gebaut, viel Fremdkapital investiert", sagt er.
Das Ergebnis waren Wellnesstempel im ganzen Land, Chaletdörfer, Luxusschuppen und ein fast schon beängstigend schnelles Wachstum. Südtirol ist ein kleines Land mit rund 500.000 Einwohnern, aber mehr als 33 Millionen Übernachtungen pro Jahr. Zwischen 2013 und 2018 stieg die verbaute Fläche um fast die Hälfte.

Sind wir bereit?
49 Fragen und Antworten - ein Corona-Spezial
"Manche dachten, es wird immer so weitergehen", sagt Schuler. Jetzt merkt die Region, dass es auch anders kommen kann. Der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV), der in der Coronakrise vor Kurzem noch von einem "Dolchstoß" sprach, als das deutsche Robert Koch-Institut Südtirol zum Risikogebiet erklärte, schlägt mittlerweile leisere Töne an - und rät den Hotels zur sofortigen Schließung. Doch ausgerechnet die größten Gastwirte zögerten am längsten.
Ingwer-Ananas-Longdrink gegen das Virus
Heinrich Dorfer ist Chef des Quellenhofs in der Nähe von Meran, eines "Luxury Resort" mit fünf Sternen und einem Umsatz von fast 28 Millionen Euro pro Jahr. Er hat hohe Fixkosten und baut seit Langem, quasi rund um die Uhr, einen neuen Aquapark, einen Infinity Pool, ein neues "super schickes Hauptrestaurant". Selbst wenn er die vielen Gäste nach Hause schicke, sagt Dorfer, "ich kann ja die Außenbeleuchtung nicht einfach abschalten".
Der Luxushotelier nahm bis vor Kurzem noch immer neue Buchungen an, Gäste aus München würden sich hier sicherer fühlen als in Bayern, glaubte er. Drei Tage bevor Südtirol Teil der "geschützten Zone" wurde, veröffentlichte das Quellenhof-Team auf seiner Facebook-Seite ein "Rezept gegen das Coronavirus": einen Ingwer-Ananas-Longdrink mit Rum - "je höher die eingenommene Dosis, desto effizienter und stärker die Wirkung". Mit den Scherzen ist es jetzt vorbei. Am Donnerstag kündigte auch Dorfer die Schließung seines Hotels an.
Für Landesrat Schuler ist es der einzig richtige Schritt. "Alle Hotels sollten sich an die Empfehlung halten, auch aus Solidarität", sagt er, 90 Prozent würden der Aufforderung nachkommen. Die Regierung führe bereits Gespräche mit den Banken. Ein paar Wochen Umsatzausfall kann Südtirol verkraften, einen langfristigen Imageschaden nicht. Deshalb denkt man bereits jetzt an eine große Werbekampagne für die Zeit nach Corona – um die deutschen Touristen wieder zurückzuholen.
"Wenn alles vorbei ist, muss man in Deutschland kommunizieren, dass wir wieder clean sind", sagt HGV-Präsident Manfred Pinzger. Die Regierung hat deshalb die landeseigene Marketingagentur mit der Ausarbeitung von Konzepten beauftragt. Plakate, Werbespots und mehrere Millionen Euro sollen bereitliegen für den Moment, in dem das Virus eingedämmt ist. Schnell schließen, schnell wieder ankurbeln, das ist die Touristiker-Devise - dann sei der Imageschaden bis zum Sommer wieder einzufangen.
Das Hotel Corona in St. Vigil hat die Saison erst mal "abgehakt", sagt Rosmary Frenner. Sie ist froh darüber, dass ihr Betrieb in den vergangenen Jahren keine großen Bauarbeiten in Auftrag gegeben hat, "dann wäre der Verlust deutlich höher". Bleibt die Sache mit dem Namen. Je nachdem, wie sich die Pandemie entwickelt, könnte er bald schon wieder einfach nur ein Name unter vielen sein - oder zur langfristigen Belastung werden. Im Dorf gibt es ein Apartmenthaus "Isidor", es wurde vor einigen Jahren erst umbenannt. Vorher trug es den Namen "Isis".