Kostenfreie Interrail-Tickets Freie Fahrt für 18-Jährige?

Eine wachsende Gruppe von EU-Parlamentariern will Jungeuropäer zu ihrem 18. Geburtstag kostenlos auf Europa-Entdeckungsfahrt schicken. Der Vorschlag hat Chancen.
Interrail-Reisende

Interrail-Reisende

Foto: Stephanie_Pilick/ picture-alliance / dpa

Was sich da in Brüssel formiert, ist der ultimative Albtraum für Helikopter-Eltern - und als eine Art Initiationsritus ins EU-Gemeinschaftsgefühl gedacht: EU-Parlamentarier planen, Jungeuropäern zum 18. Geburtstag Interrail-Tickets zu schenken. Dahinter steht die Idee, Europa bei jungen Leuten positiver zu konnotieren - und Gelegenheiten des gegenseitigen Kennenlernens zu schaffen. Es geht darum, eine europäische Identitätsbildung zu fördern.

Die Idee finde Unterstützung, und Vorbereitungen für einen konkreten Vorstoß liefen, erklärte ein Fraktionssprecher der Europäischen Volkspartei am Sonntag zu einem Bericht der "Welt". EVP-Fraktionschef Manfred Weber twitterte, er werde dafür werben.

Er hatte den Vorschlag vergangene Woche in einer Parlamentsdebatte angesprochen und gesagt: "Wir wollen dieses wundervolle Europa an unsere Jugend weitergeben. Jeder junge Europäer sollte zu seinem 18. Geburtstag ein Interrail-Ticket erhalten, damit er die Schönheit und Vielfalt Europas entdecken kann."

Mit solch einem Ticket kann man - je nach Tarif - zwischen fünf Tagen und einem Monat quer durch Europa reisen; es kostet zwischen 200 und 479 Euro pro Jugendlichem.

Manfred Weis ist amtierender Interrail-Rekordhalter: 1987 schaffte er 36.000 Bahnkilometer in vier Wochen. Kann man machen, muss man aber nicht.

Manfred Weis ist amtierender Interrail-Rekordhalter: 1987 schaffte er 36.000 Bahnkilometer in vier Wochen. Kann man machen, muss man aber nicht.

Foto: Uli Deck/ picture alliance / dpa

Geschätzte Kosten: Bis zu 1,5 Milliarden Euro

Mehrere Europapolitiker reagierten in der "Welt" positiv. "Ich finde die Idee für ein Gratis-Interrail-Ticket sehr sympathisch", sagte Vize-Europaparlamentspräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen und der Grünen-Verkehrspolitiker Michael Cramer äußerten sich ebenfalls zustimmend.

Die Finanzierung ließe sich nach Lambsdorffs Worten mit Umschichtungen im EU-Haushalt stemmen. Laut EU-Statistikbehörde Eurostat gab es im vergangenen Jahr 5,4 Millionen 18-jährige EU-Bürger, wie die "Welt" schreibt. Würden sich 50 bis 70 Prozent von ihnen für ein Ticket interessieren, lägen die Kosten bei 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro.

Gianni Pittella, der Chef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, äußerte sich ablehnend und sagte: "Ich bin nicht voll überzeugt, dass das die Top-Priorität der EU ist." Wichtiger seien Jobs für Jugendliche.

Die Umsetzung wäre auch kompliziert, weil die EU-Kommission sie nicht allein bewerkstelligen könnte. Dennoch zeigte sich die Behörde gesprächsbereit. "Die Mobilität von jungen Europäern zu erleichtern, ist ein wichtiges Ziel der Kommission", sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc der "Welt".

Tatsächlich dürfte die Ausbildung eines "Europabewusstseins" bei den Bürgern für die EU mittelfristig überlebenswichtig sein, wie der "Brexit" gezeigt hat. Eines der größten Probleme der EU ist, dass sie zu wenig als Kultur- und Wertegemeinschaft von miteinander verbundenen Menschen wahrgenommen wird.

dpa/pat
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