Fuerteventura Steife Brise von Nordost
Puerto del Rosario - Fuerteventura besitzt eine raue Schale. Der erste Eindruck ist nicht unbedingt einladend: Grau-braun und karg duckt sich die Kanareninsel im Atlantik unter dem Nordostpassat, der die Urlauber an der Ostküste fast vom Strand fegt. "Viele Touristen verbringen ihren Urlaub nur am Pool ihres Hotels", sagt Surflehrer Dirk. Dabei entgeht den "Faulenzern" allerdings eine ganze Menge - die Schönheit Fuerteventuras erschließt sich eben oft erst auf den zweiten Blick.
Das Schwimmen im Meer ist an den Stränden zumindest im Osten kein Problem. Das Wasser fast immer vergleichsweise warm. Wer aber auf die Idee kommt, sich mit einem Handtuch auf den Strand zu legen, wird schnell eines Besseren belehrt: Der vom Wind aufgepeitschte Sand bearbeitet an manchen Tagen die Haut wie Schmirgelpapier, und das fein gekörnte Erdreich sitzt auch nach der Dusche noch in den Haaren.
Um dennoch das Meer zu genießen, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann sich in einen der Strandkörbe zurückziehen, die hier aber nicht so reichlich gesät sind wie etwa an der deutschen Ostseeküste. Die zweite Variante ist die Suche nach einer der kleinen Buchten, die ebenfalls Schutz vor dem natürlichen Sandstrahlgebläse bieten. Wer bei dieser Gelegenheit die einsame Seite der Insel kennen lernen will, sollte bis nach Morro Jable und dann ganz in den Süden fahren.
Das "Ende" Fuerteventuras wird dort durch den Leuchtturm von Punta de Jandia markiert - ein einsamer Ort, der aber einen Ausflug, einen Schnappschuss und eine Atempause wert ist. Geduldige Autofahrer machen sich dann noch weiter auf nach Cofete, einer winzigen Siedlung an der Westseite Fuerteventuras. Die unbefestigte Straße schlängelt sich zunächst scheinbar endlos einen Berg hinauf. Auf dem Scheitelpunkt erwartet den strapazierten Fahrer dann ein in zweierlei Hinsicht Atem beraubender Anblick: Zum einen ist die wilde Schönheit der fast unberührten Playa de Cofete zu sehen - und zum anderen wird dem, der hier oben aus dem Wagen steigt, oftmals die Luft vom schneidenden Wind genommen.
Den starken Wind zu verteufeln wäre aber verkehrt. Die Brise bringt Abkühlung und lockt Wind- und Kite-Surfer auf die Insel. "So nahe an Deutschland haben Surfer nirgends bessere Bedingungen", sagt Dirk, der Urlaubern an der Playa Barca das Kiten beibringt. Einmal im Jahr treffen sich hier die Cracks, um Weltcup-Punkte zu sammeln.
Während die Tier- und Pflanzenwelt auf Fuerteventura nicht unbedingt vielfältig ausfällt, geht es in den Gewässern um sie herum lebendig zu: Über den sandigen Meeresboden schlängeln sich Engelhaie, der Taucher trifft auf Zackenbarsche und Muränen, und majestätisch gleiten große Mantas durch das Wasser. "Ich habe hier auch schon Walhaie gesehen", erzählt Tauchlehrer Felix. Ganz in Ufernähe sei er unvermittelt auf einen der ungefährlichen Riesen getroffen.
An der Küste treffen Urlauber die Einheimischen oft nur während ihrer Arbeitszeiten an. Den Wohnsitz haben viele Inselbewohner in den vergangenen Jahren wieder in die Dörfer im Landesinneren verlegt. "Dort sind die Grundstückspreise deutlich niedriger, und es ist ruhiger", erklärt Fremdenführer Jesus Marrero. Wer sehen will, wie die Majoreros oder Majos, wie sich die "Ureinwohner" nennen, leben, muss sich also in das Zentrum des Eilands begeben.
Östlich der Ortschaften Tuineje und Tiscamanita gelangt man über Feldwege durch alte Siedlungsreste zum Malpais Grande. Das Lavafeld ist rund 10.000 Jahre alt und gut zu erkennen, weil die Oberfläche vergleichsweise wenig verwittert ist. Vom Rand des erloschenen Vulkans, der den Namen Caldera de la Laguna trägt, ist gut zu sehen, wie sich das glühende Gestein einst seinen Weg zum Meer gebahnt hat.
Auch ein Abstecher nach Betancuria gehört zu einem Besuch auf Fuerteventura dazu: Von Tiscamanita aus ist die ehemalige Inselhauptstadt in rund 30 Minuten mit dem Auto zu erreichen. An den Hängen blüht es hier vergleichsweise üppig. Der rund 600 Einwohner zählende Ort wurde 1405 von dem Normannen Jean de Béthencourt, dem Eroberer der Insel, gegründet. Aus dem Jahr 1414 stammen die Reste eines Franziskanerklosters. Sehenswert ist auch die Iglesia de Santa María, die 1593 erbaut wurde.
Ein etwas makaberer Anblick bietet sich an der Playa de Garcey, nicht weit von Betancuria entfernt: Unweit des Strandes ist hier ein halbes Kreuzfahrtschiff zu finden. Ende 1993 sollte die "American Star" nach Thailand geschleppt und dort wieder zu einem Luxusliner umgebaut werden. Doch unterwegs riss das Schiff vom Schlepper ab und lief am 18. Januar 1994 an der Westküste Fuerteventuras auf Grund. Es zerbrach schließlich zwei Tage später. Während das abgerissene Heck vom Meer verschlungen wurde, blieb der Bug an Ort und Stelle, wo er nun in der milden Abendsonne Fuerteventuras weithin sichtbar ist.
Von Sven Appel, gms