Fotostrecke

Galway in Westirland: Hauptrolle im Jack-Taylor-Krimi

Foto: Visit Ireland

Krimi-Schauplatz Galway Stadt der Hippies, Stadt der Mörder

Galway, eine Stadt voller Serienkiller? In den Kriminalromanen von Ken Bruen wirkt die in Wahrheit so friedliche irische Hafenstadt düster und hart - zu sehen bald auch in der Serie "Der Ex-Bulle" im ZDF. "Ich wollte das pittoreske Irland ausradieren", sagt der Autor.

Alles beginnt mit einem Schlag ins Gesicht. Polizist Jack Taylor kontrolliert einen zu schnell fahrenden Wagen. Als der Insasse, der Finanzminister, sich aufspielt, revanchiert Taylor sich mit der geballten Faust - und wird fristlos entlassen. Seitdem stolpert der Held in Ken Bruens Krimis als Privatermittler von Job zu Job, steckt dabei viel ein, teilt aber auch ordentlich aus. Sein Revier: Galway, eine 75.000-Einwohner-Stadt im Westen Irlands.

Bruen, selbst in Galway geboren, jagt seinen kantig-charmanten Detektiv neun Bücher lang durch verwinkelte Gassen, an Kanälen vorbei, die Strandpromenade und den Hafen entlang. Demnächst sind die Schauplätze auch in einer auf sechs Teile gestrafften ZDF-Krimiserie zu sehen, ab dem 27. Oktober immer sonntagabends. Die Hauptrolle in "Der Ex-Bulle" spielt der Schotte Iain Glen.

Jack Taylor, fast immer alkoholisiert oder auf Drogen, nennt die kleine Großstadt eine "Raubtierstadt", den zentralen Eyre Square ein "Kriegsgebiet". In den Krimis wirkt die Stadt düster, hart und böse. Hier werden Teenager in Serie getötet, verlieren Priester ihre Köpfe, treiben üble Nazis und Schwanenschlächter ihr Unwesen. "Das Touristenbüro hat schon einen Preis auf meinen Kopf ausgesetzt!", sagt Ken Bruen.

"Ich wollte das pittoreske, ländliche Irland ausradieren, mit den guten Pfarrern, den lieben Müttern und den Pferden, den ganzen Scheiß, an den wir seit Generationen glauben." Er wollte eine" coole Stadt" beschreiben, die für die jungen Leute etwas zu bieten habe, sagt Autor Bruen, "kein Relikt aus den Zeiten der großen Armut".

"Gewalt in Galway ist reine Fiktion "

Im wahren Leben ist die Kriminalitätsrate hier eher niedrig, bei sinkender Tendenz. Im wahren Leben ist die Stadt auch nicht düster, sondern sehr irisch-bunt, mit den typischen rot, grün und blau gestrichenen Ladenfassaden. Galway wirkt wegen der großen Universität auch jung, dazu sehr international. Ein Viertel der Bevölkerung hat mit der Uni zu tun, rund ein Fünftel sind keine gebürtigen Iren.

An warmen Abenden okkupiert die Jugend jedes Fleckchen Gras rund um den Hafen und entlang der Kanäle. Korken knallen, Flaschen kreisen, hier und da liegt ein Hauch von Cannabis in der Luft. Die Bars der Quay Street sind meist gerappelt voll, manchmal soll auch Brad Pitt dort zu sehen sein.

"Galway ist in Wirklichkeit eine sehr sichere Stadt", muss Bruen zugegeben, "die Gewalt in meinen Büchern ist reine Fiktion." Der Autor liebt an seiner Mitbürgern den Sinn für Ironie und an seiner Heimat das gewisse Flirren in den Luft: "Ich mag das Kopfsteinpflaster, das Treiben auf den Straßen und die große Freundlichkeit der Menschen hier."

"Nach Galway zieht es die irischen Hippies, jede Menge Künstlervolk, und reichlich schräge Vögel", sagt Ralph Christians. Der Produzent der ZDF-Serie lebt seit 1994 hier und gehört, wie er sagt, mittlerweile selbst zum Stadtbild. Im Mittelalter war der Hafen zentrale Anlaufstelle für Waren aus Portugal, Spanien und Frankreich, die Händler waren reicher als der Adel. Das habe zu einem liberalen Klima geführt, meint Christians, "die Stadtluft machte frei".

Und das sei noch heute so, sagt er: "Wenn ich abends im Pub bei einem Pint sitze und mich mit meinem Nachbarn über Literatur unterhalte, dann weiß ich nicht, ob er Müllmann oder Herzchirurg ist." Jeder geht überall hin, "und wer man ist, was man tut, spielt keine große Rolle". Das soll vor kurzem auch Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards erfahren haben, der die Shop Street entlangging, ohne dass er von jemandem angesprochen wurde.

Schwäche für Nietzsche und Yeats

Ken Bruen hat es trotz der liberalen Atmosphäre zunächst fortgetrieben. Nach Studium und einer Doktorarbeit in Metaphysik tingelte er 25 Jahre lang rund um die Welt, gab Englischunterricht in Afrika und Asien und verbrachte nach einer Kneipenschlägerei mehrere Monate in einem brasilianischen Gefängnis. Genug Stoff für die bisher knapp 40 Bücher des 52-Jährigen, der als Vertreter des Irish Noir gilt. Nach Galway zurückgekehrt, gelang Bruen mit seinem lokalen Helden Jack Taylor der endgültige Druchbruch.

Wie Taylor streift Bruen täglich durch Galways Straßen. Vom Vorörtchen Bohermore kommend, läuft er den Prospect Hill hinunter zum Eyre Square. Hier lässt er den Privatdetektiv im Great Southern Hotel zu Tee oder einem Pint einkehren - für seine Ermittlungen. Das Haus heißt in Wirklichkeit Hotel Meyrick, es ist die edelste Unterkunft am Platz. Von hier treibt es Bruen die Shop Street hinunter zum Hafen, mit einem Abstecher in die parallel verlaufende Middle Street.

Dort findet sich "Charlie Byrne's Bookstore", ein Second-Hand-Buchladen, der sich über mehrere Ebenen und in verschiedene Häusern erstreckt. Das Bücherlabyrinth ist Dreh- und Angelpunkt im Leben des Ermittlers Jack, der nicht nur eine Schwäche für Whiskey und Koks hat, sondern auch für Friedrich Nietzsche und den Dichter William Butler Yeats. Neue Bruen-Romane bekommen hier einen prominenten Platz im Schaufenster.

Finger weg, Zähne weg

Saufen geht Detektiv Jack Taylor am liebsten nebenan im Garavan's in der William Street, der einzigen Kneipe in den Büchern, die es tatsächlich gibt. Das Grogan's - in den Krimis sein Büro - ist ebenso eine Erfindung wie das Nestor's.

Die TV-Produzenten wiederum lassen Taylor in der Crane Bar Hof halten. Die existiert wirklich, unten am Hafen, ein wenig versteckt und unbemerkt von Tagestouristen. Zu sehen ist das Originalgebäude allerdings nur von außen, denn die Barszenen wurden im Studio in Bremen gedreht. Das Hafenbecken, Claddagh genannt, und die Kaimauern vom Nimmo's Pier nehmen in Romanen und TV-Serie eine Hauptrolle ein. Hier begeht Taylor einen Mord, der ungesühnt bleibt.

Die beiden Galways von Jack und Ken sind zwar auf identischen Landkarten zu finden, verhalten sich aber zueinander wie Doktor Jekill und Mister Hyde. Ken Bruen hat in seinen Büchern das freundlich-brave Image der Stadt gründlich umgekrempelt. Dafür allerdings muss sein Held auch ordentlich einstecken, er büßt dabei Finger und Zähne ein. Am Ende bleibt die Erkenntnis: "Wenn es in Krankenhäusern Miles & More gäbe, könnte ich schön weit verreisen."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten