

Kalk ist die älteste aller Klimaanlagen, wenn man so will: Schon sehr früh entdeckten die Bewohner heißer Landstriche, dass sich die Temperatur im Inneren ihrer Häuser erträglicher halten lässt, wenn man die Wände weißt.
In wohl keiner Region Europas war das nötiger als im Inland Andalusiens. Spaniens äußerster Südwesten ist die heißeste Region des Kontinents. Im Sommer steigt das Thermometer regelmäßig satt über 40 Grad Celsius, und das bei minimaler Luftfeuchtigkeit. Stemmte sich der Mensch nicht mit Bewässerung und Landwirtschaft dagegen, wäre der Landstrich längst eine Wüste.
Aber das ist Andalusien nicht, ganz im Gegenteil: Kulturell wie landschaftlich ist Andalucía vielleicht Spaniens reichste Region. Geldlich gesehen gilt das allerdings nicht. Zwar drängen sich an der Küste die reichen Touristenorte und mondänen Jachthäfen, im Inland aber ist Andalusien eine der ärmsten Regionen Spaniens. Die Arbeitslosigkeit ist besonders hoch und treibt vor allem die Jungen in die Städte.
Denn selbst am Tourismus, Andalusiens wichtigster Einnahmequelle, hat das Inland wenig Anteil. Erst jetzt im Herbst beginnt die Saison der weißen Dörfer, der Pueblos Blancos. Erst die Nachsaison ist die Hauptsaison des Hinterlands.
Essen, Wandern, Entdecken
Kein Wunder. Es sind nicht nur die angenehmeren Temperaturen um 20 Grad, die die Erkundung der Dörfer und gebirgigen Naturparks zum Genuss machen. Auch das kulturelle Leben blüht nun auf.
Es ist die Zeit der letzten Weinlese, der Hunderennen, Erntefeste, Corridas und heiligen Festumzüge. Viele der Dörfer leben von Wein, Oliven- und Sonnenblumenöl, von Mandeln und der Ziegenkäseproduktion. Essen und Trinken genießen einen entsprechenden Stellenwert. Der andalusische Poyoyo gilt als bester Ziegenkäse, den man in Spanien probieren kann.
Vor allem aber sind die Pueblos Blancos und ihr Umland Orte, die man nun im Herbst erwandern und erkunden kann. Selbst am Fuße der Sierra Nevada wird es nie richtig kalt: Auf Europas zweithöchster Gebirgskette mag sich der Schnee türmen, im Tal aber fällt das Thermometer selbst im Winter selten unter 10 Grad. In den Ebenen und an der Küste herrscht bei Minimum 17 Grad quasi ewig Frühling - wärmer ist es in Spanien im Winter nur auf den Kanaren.
Besonders für Fotografen ist Andalusien ein Traum. Das Kalkweiß der Gebäude ist eine Kontrastfläche, vor der jede andere Farbe erstrahlt. Das sind Bilder wie aus Spaniens Vergangenheit, als Andalusien noch maurisch war, Al-Andalus hieß und Moschee neben Kirche stand.
Der Reuters-Fotograf Marcelo del Pozo hat sich dort Ende September 2016 umgesehen. Die Bilder, die er mitgebracht hat, machen deutlich: Ursprünglicher ist Spanien kaum noch zu haben.
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Kalkweiß: Dass die Häuser in den Dörfern (im Bild: Vejer de la Frontera) im Inland von Andalusien so weiß sind, ist der Hitze geschuldet. Im Sommer sorgen die gekälkten Häuser für einigermaßen erträgliche Temperaturen im Inneren.
Heute erscheint uns das pittoresk: Die weiße Grundfarbe sorgt für knallige Kontraste.
Pilgerritt: Ein festlich gekleidetes Paar reitet am Ort Arcos de la Frontera vorbei zum Schrein des Christus von Romeral.
Mutproben: Ein junger Mann provoziert bei der "Toro de Cuerda" im Dorf Villaluenga del Rosario ein junges Rind.
Keine Einbahnstraße: Ein Rind entscheidet sich für eine Richtungsänderung. Das kann eng werden.
Dorfleben: Anders als an der Küste leben die Spanier im Inland Andalusiens nur selten vom Tourismus. Landwirtschaft und Weinanbau sind weit wichtiger.
Weinlese: Der Wein Andalusiens wächst nicht an steilen Hängen, sondern flach auf Feldern. Und anders als in Deutschland steht die Sonne steil darüber.
Im Sommer ist Andalusiens Inland Europas heißestes Pflaster: Die Temperaturen steigen regelmäßig satt über 40 Grad, das Klima ist dann staubtrocken. Im Herbst ist das weit angenehmer - und die Landschaft blüht um die 20 Grad regelrecht auf.
Totenmauer: Graben muss man in Andalusien nicht, um einen Toten zu bestatten. Wie in vielen Ländern bewahrt man Urnen hier in "Mauern" auf.
Espera heißt das Dorf, in dem diese junge Frau gleich heiraten wird, und was könnte passender sein? Das Wort bedeutet soviel wie Erwartung, Hoffnung.
Zahara de la Sierra bei Nacht: Da kommen Hitze und Berge schon im Namen zusammen.
Nicht am Meer: Antonio Dominguez, 40, arbeitet in den Salzwerken von Iptuci - und die liegen durchaus nicht am Meer. Bis Cadiz sind es immerhin 100 Straßenkilometer.
Ackerrennen: Männer aus dem Dorf Villamartin machen ihren Windhunden Beine - nach Sommerhitze und Erntezeit eine willkommene Abwechslung.
Schön schmerzhaft: Ein Hausbesitzer hat die Mauer vor seinem Grundstück mit Scherben gespickt.
Knapp 470 Einwohner hat das Bergdorf Villaluenga del Rosario, aber gleich mehrere Käsereien. Und die produzieren den besten Payoyo-Käse Andalusiens, heißt es. Und der soll Spaniens bester Ziegenkäse sein.
Weißer Hund vor weißer Wand: Ohne Schal und deutende Hand könnte man Chihuahua Merlin glatt übersehen.
Cobijada: Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Vollverschleierung, die nur ein Auge freiließ, in einigen Regionen Andalusiens noch üblich. Ein maurischer Einfluss, sagen einige. Ein Relikt uralter christlicher Verschleierungskonventionen, sagen andere. Wahrscheinlich stimmt beides.
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