Irrgärten und Labyrinthe Perfekte Verwirrung
Die Idee des Labyrinthes ist etwa 4000 Jahre alt. Das erste entstand der Sage nach auf Kreta, im alten Palast von Knossos. Unter der Anlage soll König Minos in einer als Labyrinth angelegten Kerkeranlage den Minotaurus - einen Menschen mit Stierkopf - gehalten haben, um die Menschen vor dem Untier zu schützen.
Ein Labyrinth versinnbildlicht die Suche des Menschen nach dem Ziel. Im Labyrinth begibt er sich beabsichtigt auf Umwege, kreist um sich selbst, immer auf der Suche nach der Mitte. Während ein Labyrinth immer zum Ziel führt, es allerdings mehrere Wege dorthin gibt, führt der Irrgarten, wie der Name schon, sagt in die Irre. Der ursprünglich einzige Weg verzweigt sich zu vielen Wegen, von denen aber alle bis auf einen in Sackgassen enden.
In der Zeit zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert wurden zahlreiche Irrgärten zum Amüsement angelegt, einige davon existieren noch heute in alten Schlossparks. Was früher den feinen Herrschaften im Schlossgarten zum Lustwandeln diente, ist heute für jedermann zugänglich. Der älteste und größte noch erhaltene Irrgarten aus dieser Zeit steht in Altjeßnitz. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er im Auftrag von Leopold Nicolas Freiherr von Ende gepflanzt.
Er ist etwa 2600 Quadratmeter groß. Zwei Meter hohe Hainbuchenhecken sorgen dafür, dass der Umherirrende die Orientierung garantiert nicht behält. Der kürzeste Weg vom Eingang zum Zentrum ist etwa 400 Meter lang - im Idealfall ist das Ziel in sechs Minuten zu erreichen. Dennoch irren viele Besucher stundenlang umher, der Verzweiflung nahe. Doch diese Verzweiflung ist gerade der Reiz am Labyrinth, der Nervenkitzel. Nicht aufgegeben zu haben beschert am Ende das Erfolgserlebnis.
Menschen zu verwirren hat sich Adrian Fisher zum Beruf gemacht. Seine Firma "Maze Design" entwirft und baut seit 1983 nichts anderes. In 23 Ländern entstanden so 300 Labyrinthe. Viermal schlug er so bereits den Weltrekord für das größte Labyrinth. Allerdings baut Fisher nicht nur die größten, sondern auch die exklusivsten Labyrinthe, die mitunter sogar Brücken haben. Meist wählt er dafür allerdings vergängliches Material: Maispflanzen. Jeweils zur Erntezeit ist die Pracht vorbei.
Seit 1992 besteht allerdings ein Hecken-Irrgarten, den Fisher in den Niederlanden, im Dreiländerpunkt, entwarf. Das "Labyrint Drielandenpunt" ist 6500 Quadratmeter groß. Einmalig ist dieses Labyrinth auf Grund seiner eingebauten Tücken. Als sei es für den Umherirrenden nicht schon schwer genug, die Mitte zu finden, versperren ihm zusätzlich spontan in die Höhe spritzende Wassermauern den Weg. Für die Reise in die Mitte des dreieckigen Irrgartens brauchen Besucher durchschnittlich eine dreiviertel Stunde.
Fisher legt es darauf an, die Menschen zu verwirren. Diese Verwirrung hält er für optimale Unterhaltung. Weil er es seinen "Klienten" auch nicht zu einfach machen will, berücksichtigt er bei der Planung von Irrgärten und Labyrinthen bestimmte Weisheiten: Menschen laufen erfahrungsgemäß lieber nach links als nach rechts, gehen meist Richtung Mitte, anstatt umzukehren, und lassen sich durch identisch aussehende Kreuzungen total verwirren.
Durch Fisher angeregt sprießen Irrgärten in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden. So wird das sonst in schnurrgeraden Reihen bestellte Feld zur Entdeckungsreise für Jung und Alt. In Jersbeck bei Hamburg beispielsweise opferte ein Bauer sein 40.000 Quadratmeter großes Feld dem Vergnügen. Karsten Eggert vom Ideen- und Werbebüro natuerlichwerben.de entwirft seit vier Jahren regelmäßig Maislabyrinthe mit dem Motto "Ein Labyrinth im Irrgarten".
Dieser Irrgarten hat sogar ein Thema: das Sonnensystem. Ziel ist eine 20 Meter große Sonne, auf der 4,5 Kilometer langen Reise zu ihr lernt der Besucher die Galaxie kennen. Sechs Wochen halten die Wände dieses Labyrinthes. Ein kurzes Vergnügen, von dem im nächsten Jahr nichts mehr zu sehen sein wird. Dann werden sich die Menschen vielleicht auf den Feldern des Nachbar-Bauern auf die Suche nach der Mitte machen.
Von Isabell Zierfuß