Kopenhagens Nixe Alter schützt Meerjungfrau nicht vor Rabauken

Kleine Meerjungfrau: Das dänische Wahrzeichen überhaupt
Foto: DDPKopenhagen - Am kommenden Samstag wird die berühmteste aller Nixen 95 Jahre alt und soll einen würdigen Geburtstag erhalten: 95 dänische Nachwuchsnixen werden ins kalte Kopenhagener Hafenwasser springen, um der Kleinen Meerjungfrau zu gratulieren. Sie ist das Wahrzeichen Kopenhagens und die dänische Ikone schlechthin, wie einmal die Umfrage einer Tageszeitung ergab: 38 Prozent der Dänen wählten sie zum Nationalsymbol Nummer eins, es folgten die bunten Fachwerkhäuser mit Reetdach und die roten Briefkästen der Post.
Seit dem 23. August 1913 sitzt die aus Bronze gegossene "lille Havfrue" nackt auf ihrer Flosse. Sie entsprang dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen und ist so berühmt wie winzig: "Ist die aber klein", lautet der Standardkommentar in allen nur denkbaren Sprachen der Welt tagein, tagaus - rund eine Million Touristen jährlich besucht die nur 1,25 Meter große und 175 Kilo schwere Meerjungfrau und fotografiert sie.
In Andersens Märchen rettet die jüngste, anmutige Tochter des Meerkönigs einem Prinzen beim Schiffsunglück das Leben. Ein Zaubertrunk lässt ihr Beine wachsen anstelle des Fischschwanzes. Als ihr der Tod droht, springt sie ins Wasser, löst sich in Meerschaum auf und verwandelt sich danach in einen Luftgeist.
Nach Attacke kosmetische Verschönerungen
Die berühmte Bronzefigur an der Uferpromenade wurde vom Bildhauer Edvard Eriksen geschaffen. Die Stadtverwaltung erwog vor zwei Jahren, sie vom Langelinie-Kai weg ein bisschen weiter ins Wasser zu rücken, "damit die Jungfrau nicht pausenlos betatscht oder anderen merkwürdigen Dingen ausgesetzt werden kann". Denn weder ihr Alter noch Andersens poetisches Märchen, das auch die Grundlage für Verfilmungen wie "Arielle, die Meerjungfrau" war, bewahrte sie vor allerlei Attacken von zudringlichen Bewunderern, Spaßvögeln und Randalierern.
Die Liste "merkwürdiger Dinge" fällt wahrlich lang aus. 1964 - bei einem Kunst-Happening - und 1998 wurde nachts der Kopf abgesägt; der erste tauchte nie wieder auf, den zweiten gaben reumütige Rabauken nach einigen Tagen zurück. 1984 wurde der rechte Arm abgesägt. 2003 malten Unbekannte die Statue erst weiß an, sprengten sie dann von ihrem Sockel und stießen sie ins Wasser.
Bronzegießer Peter Jensen musste die alte Dame mit einer neuen Schwimmflosse, neuen Knien und Lippen ausstatten sowie generell am Kopf "kosmetisch erheblich verschönern". Am gesamten Körper wurden Beulen entfernt und zahlreiche Risse und Schrammen geglättet. Bei der aufwendigen Restaurierung konnte auch eine der beiden noch vorhandenen Originalgipsfiguren verwendet werden. Seit jeher handelt es sich beim weltberühmten Wahrzeichen nur um eine Kopie - das Original verwahren die Nachfahren von Bildhauer Eriksen an einem geheimen Ort.
Plastikpenis als Geschenk zum Weltfrauentag
Immer wieder wurde die Kleine Meerjungfrau auch komplett mit Farbe bestrichen: 1963, 1976 und Anfang 2006, zuletzt besprühten Demonstranten sie im März 2007 mit pinker Farbe. Ausgerechnet zum Weltfrauentag am 8. März 2006 musste sich die wehrlose Meerjungfrau Touristen mit einem angeklebten Plastikpenis präsentieren. Rechtsgerichtete Dänen verhüllten sie später komplett vom Scheitel bis zum Flossenende mit einer Burka, auf der eine Parole gegen den türkischen Beitritt zur EU zu lesen war.
Damit waren auch die Gesichtszüge der vor hundert Jahren berühmten Balletttänzerin Ellen Price verhüllt. Die Ballerina hatte einst beim Bildhauen Modell gesessen, wollte aber partout nicht ihren freien Oberkörper für die Nachwelt abbilden lassen. Eriksens Ehefrau Eline sprang ein und saß Modell.
Die Kopenhagener Polizei nimmt Anschläge auf das weltberühmte Wahrzeichen der dänischen Hauptstadt sehr ernst: Als der Figur der Kopf abgetrennt wurde, ermittelte in beiden Fällen die Mordkommission. Ihr Erfolg blieb bescheiden. Die Hintermänner der zweiten Enthauptung 1998 sind bis heute nicht gefasst. Und nach der ersten vergingen mehr als 30 Jahre, ehe sich der recht bekannte Multi-Künstler und Alt-Hippie Jørgen Nash kurz vor seinem Tod 2004 als Täter outete.
jol/dpa