Ost-Slowakei Vom Gourmetkoch zum Dorfkneipier
Jozef Hromjáks Traum ist wahr geworden. Der 28-Jährige sitzt in seinem Garten in Záhradné, einem kleinen Dorf in der Ostslowakei, schüttelt ungläubig den Kopf und sagt: "Das hätte ich nie für möglich gehalten." Dabei war sein Wunsch nicht aus den Sternen gegriffen: ein über 100 Jahre altes Haus kaufen, in nur drei Monaten zur Kneipe mit Museum umbauen - und alle kommen hin.
Im Garten stehen bunt bemalte Tische und Stühle, Kinder schaukeln. Auf dem Rasen döst ein Pärchen auf einer Decke. Ein Hund jagt eine Katze. Und neben dem Komposthaufen sitzen drei Alte auf einer Mauer und trinken Wodka. Einer von ihnen wippt mit dem Fuß im Takt zu Jim Morrisons Gesang: "Come on baby. light my fire".
Im ehemaligen Kuhstall feiert eine Familie die Erstkommunion ihrer Tochter. Auf dem Tisch stehen selbstgebackener Apfelkuchen und selbstgebrannter Birnenschnaps. Jemand spielt ein altes slowakisches Volkslied auf dem Akkordeon. Eine bunte Oase, die so gar nicht in den grauen Alltag des kleinen Ortes passen will.
Denn Záhradné ist kein schönes Dorf. Rund tausend Menschen, eine Kirche, eine Kneipe, ein Fußballplatz, viele Arbeitslose, kaum eine Perspektive für die Zukunft. Gibt es Neuigkeiten, verbreiten sich diese hier schnell. Doch der Schaukasten für die Aushänge am Gemeindehaus ist leer.
Die Jugend geht, die Alten bleiben zurück
Am Fluss sitzen drei Frauen und nehmen Bettlaken und Handtücher in die Mangel. Waschtag, wie jeden Tag. Von ihnen unbeachtet wankt ein Mann über die Brücke. Er bewegt sich wie auf den Planken eines Schiffes bei schwerem Seegang, wünscht sich lautstark den Kommunismus zurück. Schwere Schlagseite, wie jeden Tag.
Und am Nachmittag sitzen die Alten auf den Bänken vor den Häusern und warten, dass etwas passiert, wie jeden Tag. Doch es passiert nichts. Die Jungen ziehen der Arbeit nach und aus dem Dorf weg. Der Ort wird immer älter. Nur wenige Touristen auf Fahrrädern verirren sich in den warmen Monaten hierher.
Záhradné ist nicht mehr als eine Durchgangsstation nach Preov, der nächsten Stadt mit ihren 90.000 Menschen, keine 15 Kilometer entfernt. Es liegt so abgeschieden zwischen bewaldeten Hügeln und Weizenfeldern, als hätte man es vergessen. Warum ausgerechnet hier eine Kneipe mit Museum? "Weil es meine Heimat ist", sagt Jozef Hromják, "und ich nicht zusehen möchte, wie meine Heimat stirbt."
Denn vielen alten Menschen sei selbstverantwortliches Wirtschaften noch immer fremd, "sie haben es nie gelernt". Jahrzehntelang war alles reguliert, alles verstaatlicht, alle sollten gleich sein. Und die jungen Leute? "Die sind auf der Suche nach einer Identität, nach Vorbildern, die sie glauben, woanders zu finden." Die meisten seiner Freunde und auch zwei seiner drei Schwestern leben längst in größeren Städten wie Preov, Bratislava oder München.
Vom Koch im Fünf-Sterne-Hotel zum Museumsleiter
Auch Jozef Hromják, den alle nur "Pepo" rufen, ging auf die Suche. In Preov lernte er Koch, arbeitete zwei Jahre in einem Vier-Sterne-Hotel in Zürich, zwei weitere in einem Fünf-Sterne-Hotel in Prag. Er lernte viel, lebte gut, verdiente gut. Doch das war es nicht, was er wollte. "Es war die falsche Richtung", sagt er. Als vor drei Jahren eine seiner Schwestern anrief und von einem alten Haus erzählte, das zum Verkauf stand, kam er zurück.
Heute hängt an der Hauswand ein riesiger Kopf aus Pappmaschee mit Segelohren und Knollennase, der irre grinst. Auf einer kleinen Holztafel am Gartenzaun hat Pepo die Öffnungszeiten gepinselt: "ZMLAK Mittwoch bis Sonntag 15 bis 23 Uhr". ZMLAK? Hromják erklärt es bereitwillig und auch ein bisschen stolz: "ivé Múzeum Ludovej Architektúry y Akultúry" das lebendige Museum für Architektur und Volkskultur.
Im Haus hat er einen Raum so belassen, wie die Menschen vor 100 Jahren gelebt haben, mit Möbeln und vielen Alltagsgegenständen. Ein kleines Volkskundemuseum, einzigartig für diese Region. Im Garten findet sich ein Sammelsurium antiquarischer Gegenstände: ein Kinderwagen, ein Butterfass, Spinnräder, Webstühle, landwirtschaftliche Maschinen. Ein befreundeter Restaurator hat alles zusammengetragen.
"Diese Kultur würde sonst verschwinden", sagt Jozef Hromják, "hier ist die Kultur, die wir nicht vergessen sollten, und dort die, die wir selber machen." Künstler stellen ihre Bilder und Skulpturen aus und geben Konzerte. "Doch es geht hier nicht um Geld, sondern um ein gutes Gefühl", sagt der 28-Jährige.
Apfelkuchen für alle
Und es sind die kleinen Momente, die ihm das geben. Wenn Großeltern mit ihren Enkeln Eis essen und den Kleinen die Werkzeuge erklären, mit denen sie früher gearbeitet haben. Wenn er in seiner Küche etwas Traditionelles mit etwas Neuem kombiniert und Menschen aus dem Dorf, die noch nie Olivenöl gegessen haben, erstaunt feststellen: "Was war denn das? Das war ja lecker!"
Oder wenn ein Mann regelmäßig vorbeischaut, um den Rasen zu mähen, den er bisher nicht kannte. "Er will auch gar nichts dafür haben. Er kommt einfach gerne, da ihm die Idee gefällt." Und es besuchen ihn immer mehr, Einheimische aus Záhradné und den umliegenden Dörfern, aber auch aus Preov und sogar mehr und mehr Touristen.
"Das Dorf lebt wieder etwas mehr", sagt Jozef Hromják, "und ich habe etwas gefunden, wo ich mich selber finde." In wenigen Wochen wird er Vater. Es wird ein großes Gartenfest geben, zu dem alle kommen dürfen. Es wird selbstgebackenen Apfelkuchen geben und den selbstgeräucherten Schinken seines Schwiegervaters. Und Záhradné hat mit ZMLAK eine kleine Attraktion, die den Ort irgendwie besonders macht wobei schon der Name des Dorfes eine Besonderheit ist: Záhradné zu Deutsch "Garten".