Rauchsauna in Finnland Lass qualmen
Raus aus den Klamotten, rein ins Vergnügen. Und dieses beginnt bereits in der Umkleidekabine. Da hängt dieses sonderbare Schild: "Rauchen verboten!" An einem normalen Ort nichts Ungewöhnliches. Doch in einer Rauchsauna? Klingt paradox, zumal unsere Nasen in diesem derben Blockhäuschen eindeutig Rauchgeruch wittern.
Wer eine finnische Rauchsauna betritt, muss nicht nur seine Kleidung ablegen, sondern auch sein Bild vom herkömmlichen Saunieren. Das ist in der Regel von bretterverschalten Einheitsschwitzkästen beeinflusst, vom Duft des Eukalyptus- oder Zimt-Apfel-Aufgusses und einer gedämpften Atmosphäre. In einer finnischen Rauchsauna riecht es dagegen nach Rauch und Budenzauber. Ein weiteres Piktogramm schreibt vorsichtshalber vor: Keine Sektflaschen auf den Saunabänken! Ganz offensichtlich geht es hier mitunter recht fröhlich zu.
Wir besuchen diese ganz spezielle Sauna im Herzen der finnischen Seenlandschaft, in der Provinz Savo. Unzählige Gewässer, Birken und Kiefern zaubern eine Stimmung wie im Skandinavien-Bilderbuch. Die schwach besiedelte Gegend wurde geprägt durch die Kultur der Fischer und Holzfäller. Die Urform der Sauna, die Rauchsauna, wird in Savo noch vielerorts praktiziert.
Wir wickeln gerade unsere dunkelblauen Frotteetücher um die Hüften, als Liisa, unsere Gastgeberin, an die schwere Türe klopft und ohne unser Okay abzuwarten ein paar Flaschen Bier auf den Tisch stellt. "Kippis!" ruf sie. Zu Deutsch: Prost! Bier vorm Schwitzen? Wer wie wir bislang streng nach den deutschen Saunaregeln sauniert hat, dem stößt der Gerstensaft auf, bevor er ihn getrunken hat. "Bier statt Quellwasser, das werde ich auch zu Hause einführen", witzelt dennoch einer und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Unsere finnischen Freunde sind vom Fach: "Nachher gibts noch mehr davon", verspricht Pekko, "und Würstchen, so viel ihr wollt!"
Harri, der Heizer
Doch vor dem Essen hat der Herr den Schweiß gesetzt. Und der soll uns jetzt gleich aus allen Poren fließen. Dank Harri, einem erfahrenen Einheizer. Eine Rauchsauna heiß zu machen, ist eine Kunst für sich. Harri ist an diesem Tag in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, um die ersten Holzscheite in einem offenen Steinofen abzubrennen. Sechs Stunden hat Harri immer wieder Brennholz nachgelegt, um die Sauna auf Betriebstemperatur zu räuchern.
Das Feuer benötigt viel Fürsorge und Hingabe. Es darf weder zu klein sein, noch zu groß. "Denn sonst würde es nicht qualmen", erklärt Harri. Der heiße Qualm ist wichtig, schließlich sorgt er dafür, dass sich in einer Rauchsauna die Wärme ausbreitet. Die Feuerstelle verlangt außerdem viel Achtsamkeit. Laut einer inoffiziellen Statistik fackelt jede Rauchsauna einmal in fünf Jahren ab. "Aber das ist eher ein Gerücht", beschwichtigt Liisa, "unsere ist in 16 Jahren erst einmal abgebrannt."
Das überzeugt uns, und wir betreten das Allerheiligste der Rauchsauna, die Hitzekammer. Der Qualm ist längst durch Ritzen in Wänden und der Decke abgezogen. Außerdem hat Harri noch mal kräftig durchgelüftet und die Türen und kleinen Fenster geöffnet. Ein erster Aufguss hat außerdem dafür gesorgt, dass auch die allerletzten Rauchschwaden nach draußen getrieben wurden.
Der Raum ist schummerig. Elektrische Lampen gibt es keine, nur spärliches Tageslicht. Es riecht intensiv, aber nicht unangenehm nach Holzfeuer. "Die Wärme ist ja total weich", sagt ein weiblicher Gast, "und so mollig." Allerdings ist ihr mitgebrachtes weißes Handtuch im Handumdrehen nicht mehr wiederzuerkennen. "Ich hatte dich gewarnt", sagt Pekko, "du hättest besser eines der dunkelblauen genommen."
Rauch wirkt desinfizierend
Harri hatte die Bänke und den Boden zwar noch abgewaschen, um den Ruß zu entfernen, doch auf dem Holz ist er natürlich nicht völlig wegzubekommen. In einer Rauchsauna spielt deshalb das oberste der Saunagebote überhaupt keine Rolle: "Kein Schweiß aufs Holz!" ist hier unbekannt. Erstens würde es keiner sehen, und zweitens ist das derbe Holz durch den Rauch und den Ruß ganz andere Einflüsse gewöhnt.
Die mollige Wärme wird für die Männer der Gruppe in wenigen Minuten zur Hitzehölle. Die dicken Balken strahlen unerbittlich ihre Grade ab. Der Schweiß rinnt. "Ich muss raus", stöhnt einer. Nach und nach springen die meisten Männer auf. Pekko und Liisa lächeln sich an.
Draußen liegen die Temperaturen knapp überm Gefrierpunkt. Vor der Hütte führt ein Steg ins Wasser. Es ist ungefähr zehn Grad Celsius "warm". Ein beherzter Sprung in den Naturpool und der Körper hat im Handumdrehen die Hitze der Rauchsauna vergessen. Das Wasser des Kallavesi-Sees, einem der größten Finnlands, ist zwar wunderbar weich, aber eignet sich in der kälteren Jahreszeit nicht für längere Aufenthalte.
Pekko kommt hinzu und befiehlt: "Zehn Grad Celsius bedeuten zehn Sekunden Aufenthalt im Wasser, so ist unsere Faustregel." Nach unendlich langen zehn Sekunden springen wir aus dem Wasser und hüllen uns in frische, unverrußte Handtücher. Warum der ganze Aufwand mit Feuer, Rauch und Ruß, wenn's doch mit einem stinknormalen Ofen schneller und sauberer gehen würde? Liisa klärt uns auf: "Du kannst in einer Rauchsauna nicht nur gut entschlacken. Der Rauch wirkt auch desinfizierend und tötet alle Bakterien ab." In Savo hätten deshalb früher viele Frauen ihre Kinder in Rauchsaunas zur Welt gebracht.
Nach der Sauna gibt's Würstchen
Aber auch noch heute werden hier Schönheiten geboren. Ein finnisches Sprichwort sagt: "Die Frauen sind am schönsten in der Sauna." Rund eineinhalb Millionen Schwitzkästen gibt es in Finnland. Bei fünf Millionen Einwohnern. Es gibt sie überall: in Ein-Zimmer-Wohnungen, in Hotelzimmern, in Bahnhöfen und sogar auf kleinen Fähren. "Deshalb sind wir Finninnen so schön", schmunzelt Liisa.
Nach einem weiteren Saunagang sind wir vollkommen platt. "Der Körper kann in einer Rauchsauna wunderbar entgiften", meint Pekko, "das macht aber auch unglaublich müde." Zum Aufpäppeln gehen wir nach nebenan, in die Jätkänkämppä, zu Deutsch: Holzfällerhütte. Das Restaurant, zu dem die Rauchsauna gehört, ist ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner der wenigen Städte der Umgebung. Vor allem aus Kuopio kommen sie hierher. Meistens mit Booten, denn die Halbinsel, auf der das Jätkänkämppä steht, ist ein Naturpark und deshalb für Autos nur bedingt befahrbar.
Liisa serviert eine große Platte mit dampfenden Würstchen. "Nach der Sauna lieben wir Finnen Bier und Würstchen", lacht sie. Aber auch Räucherheringe und Räucherlachs lassen wir uns jetzt schmecken. Während wir selbst nach Geräuchertem duften. Selbst nach dem Duschen ist ein gewisses Odeur nicht zu leugnen. Ein Pärchen beschnuppert sich: "Du riechst ja wie ein Räucherschinken", sagt sie zu ihm. "Dafür bin ich jetzt desinfiziert", sagt er, nimmt einen Schluck aus der Bierflasche und meint: "Damit wäre jetzt die Rauchfahne komplett."