Rumäniens Weine Goldgelber Pinot, rubinroter Kadarka

Billige Mädchentrauben und süße Kadarkas prägten das Image rumänischer Weine. Doch nach der Wende haben die Winzer aufgerüstet und beleben ihre alte Kultur. Ergebnis: "das Chile Europas, zum Teil chaotisch, aber mit wundervollem Potential", wie ein Kenner sagt.

Jammervoll und arrogant zugleich waren die Briefe, die Ovid aus dem Exil am Schwarzen Meer nach Hause schickte: Im barbarischen Tomis sei es so kalt, dass der Wein in den Gefäßen erstarre. Man könne hier nicht leben: "Rings ein Volk von Wilden, meines Gesanges nicht wert."

Der feine Römer übertrieb und verschwieg, dass er in der Verbannung auch Freunde unter den Einheimischen hatte. Das Leben in der Fremde, das ihm Kaiser Augustus vor 2000 Jahren verordnete, hatte durchaus seine Annehmlichkeiten. Immerhin gab es in Tomis, dem heutigen rumänischen Hafen Constanza, reichlich Rebensaft.

Was der Dichter zu diesem Thema hinterließ, sind die ältesten schriftlichen Zeugnisse über den Weinbau der Region. Die Rumänen haben ihm seine Hochnäsigkeit nicht übel genommen: Ovids Grab in Constanza ziert eine große Statue, Ovidiu ist bis heute ein beliebter Männername, und ein populärer Wein nach Art des Sherry heißt "Lacrima lui Ovidiu", die "Träne des Ovid".

Auf diesem historischen Grund, zwischen Schwarzem Meer und Donau, im Gebiet Moldau, erstrecken sich heute die Weinberge von Murfatlar, der größten Kellerei des Landes, die einem einzigen Hersteller gehört. Inhaber Ion Dobronauteanu, Herr über 3000 Hektar Weinberge, ist auch der innovativste unter den rumänischen Weinindustriellen: "Wir haben alles modernisiert, von den Rebgärten über die Kellertechnik bis hin zur Abfüllanlage. Die Technik ist jeder Rebsorte angepasst, die Erntezeit wird für jeden Weintyp wissenschaftlich festgelegt."

Viele Auszeichnungen auf Weinausstellungen

Das typisch kontinentale Klima mit seinen heißen, trockenen Sommern bringt Weine hervor, auf die Dobronauteanu und sein junger Manager Cosmin Popescu stolz sind, "wegen ihrer Geschmeidigkeit und ihres Körperreichtums". Mehrere internationale Preise, darunter auch Auszeichnungen auf der wichtigen Weinausstellung in Brüssel, hat Murfatlar in den vergangenen Jahren mit dem goldgelben Pinot Gris gewonnen, auch mit dem komplexen Chardonnay, der Heu- und Akazienblütentöne aufweist, mit Merlot von großer Finesse ("Note von Blaubeeren"), aber auch mit Ovids Tränen.

Um 300.000 Hektar ist mit dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien 2007 die Weinbaufläche der Europäischen Union gewachsen, zwei Drittel dieses Zuwachses liegen in Rumänien. "Mit seiner großen Rebfläche nimmt das Land nun den fünften Rang in der EU ein, nach Spanien, Frankreich, Italien und Portugal", sagt Valeriu Cotea, Rumäniens angesehenster Weinkundler. Rund 27 Liter Wein trinkt jeder Rumäne alljährlich, in Deutschland werden 20 Liter pro Kopf konsumiert. Die Rumänen mögen ihren Wein offensichtlich, denn 90 Prozent der jährlichen Produktion werden im Lande konsumiert.

Aber Winzer und Önologen wie Cotea kämpfen darum, den rumänischen Weinen endlich auch auf dem internationalen Markt zu Ansehen und Erfolg zu verhelfen. "Nach den politischen Umwälzungen und jahrzehntelangem Stillstand haben wir enorm aufgeholt," sagt Cotea, "wir haben ein außerordentliches Potential." Mit ausgeprägten Sortenmerkmalen werben mehr als 100 einheimische Weinsorten. Durch historische kulturelle Beziehungen zu Frankreich sind auch modische Rebsorten wie Pinot Noir, Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay oder Aligote in Rumänien bereits seit 100 Jahren heimisch.

"Gerade im mittleren Sektor können unsere Weine in Qualität und Preis gut mithalten", meint Winzer Dobronauteanu, "das Problem ist unser Image, als ganzes Land".

"Vielschichtiges Land mit phantastischen Weinbergen"

"Oh Gott, Rumänien," sagt Dirk Würtz, Weinmacher - wie er genannt werden will - aus Rheinhessen und Kenner des Moldaugebiets, "das ist bei den meisten immer noch Dracula, Diebe, Zigeuner." Der 40-jährige Querdenker und Wein-Blogger, der in der deutschen Weinszene als Qualitätsfanatiker gilt und mit seinem Riesling und Spätburgunder Aufsehen erregt, hat sich "verliebt in dieses vielschichtige Land mit seinen phantastischen Weinbergen".

Auch der rumänische Riesling schmeckt ihm. "Tolles Zeug" hat Würtz auch in den moldauischen Kellereien von Panciu getrunken, die aus Sauvignon Blanc, Welschriesling oder Weißer Mädchentraube (Feteasca Alba) Schaumwein herstellen. Der Weinmacher plant nun, als Joint-Venture, "den ersten Demeter-Landwirtschaftsbetrieb in Rumänien mit Wein, Ackerbau und Vieh".

Aber noch sei viel zu tun, um rumänische Weine international konkurrenzfähig zu machen und die Nachfrage voranzubringen, sagt Würtz: "Investoren müssen her, EU-Fördermittel müssen genutzt werden." Anders als der Hightech-Betrieb Murfatlar sieht noch manches Weingut wie in kommunistischer Zeit aus: Die Rebstöcke sind mit Kraut zugewachsen, Weinbereitung in alten Glasfasertanks sei "ein Albtraum".

Süße Kadarkas und billige Mädchentrauben in den untersten Regalen deutscher Supermärkte prägten lange das Bild vom rumänischen Wein. Die vollmundige, trocken ausgebaute weiße und rote Mädchentraube hingegen, eine autochthone rumänische Rebsorte, kennt hierzulande kaum jemand. "Die ist systematisch von der alten Weinindustrie gemordet worden", sagt der Hamburger Weinkritiker Mario Scheuermann.

"Chaotisch, aber mit wundervollem Potential"

Vor allem für Ausgleichsgeschäfte mit der DDR und der Sowjetunion wurde "unsäglicher Kadarka, diese Liebfrauenmilch des Ostens", wie Scheuermann ihn beschreibt, massenhaft exportiert. Den damals ruinierten Ruf versuchen Winzer wie Balla Geza in seiner 1999, nach der politischen Wende, gegründeten Kellerei "Wine Princess" zu rehabilitieren. Bei Arad, im Westen Rumäniens, nahe der ungarischen Grenze, baut der Winzer auf 60 Hektar auch den traditionellen Kardarka an. Der rubinrote Wein sei "grundehrlich ", so Scheuermann, und "der beste Bauernkadarka, den ich je getrunken habe".

Vergreiste Weinberge, überholte Kellertechnik und alte Seilschaften im Weinbau werden im ganzen Land erneuert. Den Anschluss an die restliche Weinwelt haben mittlerweile schon zahlreiche ambitionierte Unternehmen gefunden, ob privat, staatlich oder genossenschaftlich organisiert.

Auf Qualität setzte von Anfang an der französische Winzer Guy Tyrel de Poix, der 1994 nordöstlich von Bukarest SERVE gründete, das erste Privatunternehmen in Rumäniens Weinindustrie. Mit französischem Knowhow ist der Graf vor allem mit der Marke "Terra Romana" in Kanada, den USA, Belgien, Deutschland und Frankreich erfolgreich. Rumänien sieht er als "das Chile Europas, zum Teil chaotisch, aber mit wundervollem Potential".

Nach mühseligen Anfängen ist Rodica Capatina, Chefmanagerin der Carl Reh Winery im südrumänischen Oltenien, nun stolz auf erste internationale Erfolge, "nicht nur für uns, sondern für das ganze Land": Zwei Spitzenweine des Unternehmens, ein Chardonnay-Sauvigon Blanc und ein Shiraz-Cabernet, wurden zum Gala-Dinner auf dem Berliner Presseball serviert.

Der wachsende Wohlstand im Lande selbst hat den Weinhändler Ciprian Banciu zur Eröffnung anspruchsvoller Läden inspiriert: Im boomenden siebenbürgischen Cluj/Klausenburg, in Oradea, Timisoara und demnächst auch in Bukarest verkauft er nicht nur rumänische Spitzenweine etwa der Winzerei Davino, sondern auch "das Beste aus jedem Land", bei der Selektion hilft ihm Brett Crittenden, ein renommierter neuseeländischer Weinexperte.

Mit einem Anteil von 55 Prozent ist Deutschland bereits wichtigster Exportmarkt Rumäniens. Mit Entwicklungsstrategien und dem Aufbau genossenschaftlicher Strukturen hilft seit Jahren die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Soeben hat die GTZ ein gemeinschaftliches deutsch-rumänisches Weinbau-Projekt abgeschlossen. "Unterstützung kommt auch vom Deutschen Weinbauverband, der ist bereits ein alter Freund," sagt Oana Müller, Bukarester Projektmanagerin des GTZ-Programms: "Wir sind sicher, dass unser Bild sich wandeln wird."

Mit einem neuen Führer durch die rumänischen Weinbaugebiete, der auch auf Deutsch erscheint, wollen die GTZ und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit dazu beitragen.


Valeriu Cotea, Florin Andreescu: "Rumänien, Land des Weines". Ad Libri Verlag, Bukarest. 20 Euro plus Versandkosten. Zu bestellen beim Verlag unter der E-Mail-Adresse adlibri@adlibri.ro  .

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