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"Rosnes Benches" in Schottland: Die etwas andere Parkbank

Foto: Colin Hattersley

"Rosnes Benches" in Schottland Auszeit auf dem Surfbrett

Schlicht grau sind die brettförmigen Skulpturen - und sie wirken wie von Außerirdischen in Wäldern und Wiesen zurückgelassen. Ihre Schöpfer aber sind schottische Künstler, sie wollen naturentfremdete Menschen heilen.

Mal liegen sie umgeben von Laub und Moos auf dem Waldboden wie in den Cally Woods, mal auf einem Feld, mal am Ufer eines Sees wie dem Clatteringshaws Loch. "Rosnes Benches" , Rosnes-Bänke, heißen diese Rastskulpturen, die auf den ersten Blick so fremd und futuristisch wirken wie Hinterlassenschaften einer fernen Zivilisation. Und doch das Gegenteil bewirken sollen: eine Annäherung des Menschen an die Natur.

30 von ihnen sind in der Region Dumfries and Galloway  im Südwesten Schottlands verteilt, die man auf dem Weg von England aus über Gretna Green Richtung Glasgow passiert. Die Landschaft ist hügelig, mit Wäldern, Feldern, Seen, Mooren und Wiesen - ein Paradies für Vogelbeobachter, Wanderer und andere Naturfreunde. Ihnen, aber vor allem auch jenen, die bislang lieber drinnen bleiben, wollen die schottischen Künstler Louise Scullion und Matthew Dalziel  mit ihren eigenartigen Bänken Anlass für besondere Pausen bieten.

An zwölf Orten stehen die Skulpturen, die das Team um das aus Dundee an der schottischen Ostküste stammende Duo gestaltet hat. In ihrer Größe und Form erinnern die Sitz- und Liegegelegenheiten an dicke, hellgraue Surfbretter, die in der Natur vergessen wurden.

Rosnes ist ein Anagramm von Sensor. Wer hier Platz nimmt, soll fühlen und vor allem: für eine Weile still sitzen. "Wir wollen, dass die Menschen innehalten, ihr Tempo verlangsamen", sagt Louise Scullion. "Damit sie die Natur mit anderen Augen sehen." Die aus Jesmonite, einer besonderen Gips-Harz-Verbindung, geformten 30 Bänke sind teils in Gruppen angeordnet, so wie die besonders in Schottland verbreiteten Steinkreise, sagt Scullion. Die Orte, an denen sie stehen , hätten sie und Partner Dalziel durch Probeliegen sehr sorgfältig ausgesucht.

Bei der Wahl waren jeweils bestimmte Sinneswahrnehmungen ausschlaggebend - bei manchen Orten das Hören (beim Lauschen von Vogelgesängen oder dem Wasserrauschen), das Sehen (ins Grün besonderer Bäume) oder das Riechen (der Geruch Bärlauch zum Beispiel). "Die Atmosphäre ist jeweils ganz unterschiedlich", sagt Scullion. Hinlegen und dem nachspüren, was man sonst leicht übersieht; im Moment bleiben, achtsam sein - das ist das Ziel der Installation, deren Prototyp die Künstler im vergangenen Jahr auf dem Environmental Art Festival Scotland  vorstellten.

Sternegucken auf der Bank

93.000 Pfund (mehr als 115.000 Euro) hat die Realisierung insgesamt gekostet, finanziert durch Gelder von Creative Scotland, der für Kulturförderung zuständigen nationalen Einrichtung, und Leader, einem Programm zur Stärkung der ländlichen Entwicklung. Die "Rosnes Benches"-Skulpturen waren Teil der - 2012 erfolgreichen - Bewerbung von Galloway und dem südlich angrenzenden Ayrshire für den Status eines Unesco-Biosphärenreservats . Das sind Modellregionen für nachhaltige Entwicklung, in denen viel Wert darauf gelegt wird, dass Mensch und Natur im Einklang leben.

Als erster Standort wurde damals der Galloway Forest Park  bestimmt, der als einer der dunkelsten Plätze Europas gilt, ein Paradies für Himmelsbeobachter. Das Kunstprojekt sollte diesen Vorteil betonen. Denn wie könnte man Sterne besser beobachten als im Liegen, auf einer Bank, mitten in der Natur? "In einer klaren Nacht können die Leute von den Bänken aus bis zu 7000 Sterne und Planeten sehen", schreibt Wide Open, die Organisation, die die Künstler begleitet hat, in einer Beschreibung des Projekts .

Andere Orte in Wald und Wiesen folgten. Denn die Bänke sollten nicht nur gute Aussichten bieten, sondern auch Stress und Ängste abbauen und beim sogenannten Natur-Defizit-Syndrom, der "Nature Deficiency Disorder", helfen, die der US-Autor Richard Louv  erstmals 2005 so benannt hat. Er meint damit das sinkende Umweltbewusstsein und Naturwissen der Menschen in modernen Gesellschaften, das zu Depressionen, Übergewicht und Aufmerksamkeitsstörungen führen kann. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Natur sei eine Voraussetzung für ein gesundes Leben, sagt Louv.

Diese Verbindung zu fördern, das Defizit zu lindern, sei ausdrücklich auch Aufgabe der "Rosnes Benches", sagt Künstlerin Scullion. Wer sich der Natur ohnehin schon verbunden fühlt, braucht die Bänke dafür nicht unbedingt. Aber neue Perspektiven lassen sich auf ihnen durchaus gewinnen - und ein Plätzchen für eine schöne Rast sind sie allemal.

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