
Pariser Seine-Ufer: Zurück zur Romantik
Seine-Ufer Pariser Bürgermeister will Promenaden statt Straßen
"Walks along the Seine, laughing in the rain": Was Abba in ihrem Lied "Our last Summer" besang, gehört zum touristischen Mythos der französischen Hauptstadt: das händchenhaltende Flanieren entlang der Quais. Genauso wie die amourösen Momente auf der Pont Neuf oder die Leichtigkeit des Verliebtseins zwischen Louvre und Quartier Latin, egal ob bei Regen oder Sonnenschein. Nur - die Realität sieht anders aus: betonierte Trassen statt stimmungsvoller Romantik, phonstarkes Geröhre statt plätschernder Bukolik. Denn die Piers, an denen einst Kohle, Wein und Lebensmittel umgeschlagen wurden, sind nur noch an wenigen Stellen im Herzen von Paris erhalten geblieben.
Anfang der sechziger Jahre wurden die Ufer der Seine schrittweise für den Autoverkehr umgerüstet. Wo sich später Präsidenten wie Francois Mitterrand oder Jacques Chirac mit städtebaulichen Denkmälern wie der "Großen Bibliothek" oder dem "Museum Quai Branly" zu verewigen suchten, hinterließ Staatschef Georges Pompidou der Hauptstadt eine Pkw-Schneise, die noch immer seinen Namen trägt.
Damals galt das Zugeständnis an den Fetisch Auto nachgerade als Symbol des Fortschritts; doch mittlerweile werden die rund 40.000 Autos, die täglich über die Expressroute donnern, als Umweltbelastung empfunden und die Straßen als städtebauliche Sünden.
Das soll jetzt anders werden. Nach dem Willen von Bürgermeister Bertrand Delanoe soll das Asphaltband zunächst stellenweise wieder für die Flaneure hergerichtet werden. Da, wo jetzt noch zwischen Eiffelturm, Musée d'Orsay und Pont Alma Fahrzeuge rollen und im Kriechgang an den Sehenswürdigkeiten vorbeiziehen, soll der Verkehr binnen der nächsten zwei Jahre verbannt werden.
"Die Idee besteht darin, den Platz für das Auto innerhalb von Paris zu verringern", sagt Delanoe, der mit dem Rückbau seine zweite Amtszeit krönen will. Die Verwaltung, so der Bürgermeister, könnte der Bevölkerung "etwas Genuss" und "etwas Spaß" bescheren.
Strand am Seine-Ufer
Die Rückeroberung der Seine-Quais ist keine Utopie. Zwischen Juli und August wird seit 2002 die Schnellstraße am rechten Ufer unterhalb des Rathauses gesperrt und mit Tonnen von feinem Seesand zugeschüttet: "Paris Plage" nennt sich das alljährliche Vergnügen, bei dem die Städter, die nicht in Urlaub fahren können, zu Hause Sommerfrische erleben. Zudem sind auch jeden Sonntag die Expressstraßen für Autos tabu - die Ufer sind dann Radfahrern und Rollschuhfahrern vorbehalten.
Das Projekt Delanos sieht indes bleibende Veränderungen vor: Auf dem rechten Ufer sollen Ampeln den Verkehr verlangsamen; Fußgängerüberwege längs des schmaleren Boulevards erlauben dann den Zugang zu einer neu gestalteten begrünten Uferpromenade. Auf dem linken Ufer zwischen Palais Bourbon und Eiffelturm soll die Stadtautobahn ganz verschwinden und Platz machen für Sportanlagen und ein "Archipel künstlicher Inseln".
So könnten, gegenüber von den Grünanlagen der Tuillerien, nach den Vorstellungen des Bürgermeisters Sitzgelegenheiten wie in einem Stadion terrassenartig den Raum zwischen Seine und dem Vorplatz des Musée d'Orsay überspannen - eine Einladung zum Ausspannen, für gestresste Städter und müde Touristen.
Lärm und Luftverschmutzung befürchtet
Die Pläne des Sozialisten und seiner grünen Koalitionspartner stoßen freilich nicht nur auf Zustimmung. Zwar hat der Präfekt von Paris, in der Hauptstadt allein zuständig für die Stadtautobahn längs der Seine, offenbar seinen Segen gegeben und 58 Prozent der Bürger in französischen Hauptstadt besitzen gar kein Auto.
Aber Pendler aus der Umgebung und die Fahrer im Lieferverkehr, die schon gegen die Einrichtung der Buskorridore Sturm liefen, ahnen gigantische Dauerstaus; die Anwohner der Uferstraßen, an denen der Verkehr um ein Viertel zunehmen könnte, befürchten zusätzliche Belastungen durch Lärm und Luftverschmutzung. Auch die politische Opposition ist skeptisch. Die Konservativen im Rathaus fordern eine mindestens dreimonatige Versuchsperiode und eine Bürgerbefragung, wenn im Juli über die Umgestaltung der Quais abgestimmt wird.
Bertrand Delanoe, der das Projekt mit großer Verschwiegenheit angeschoben hat, sieht der Konfrontation mit Gelassenheit entgegen. "Ich will niemand bestrafen", sagt der Bürgermeister bei der Vorstellung der Pläne im Rathaus und weiß aber auch: "Die Wiedereroberung der Seine-Ufer wird ein Geheul auslösen."