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Panoramamaler Heinz Vielkind: Pistenplan in Tempera

Foto: Heinz Vielkind

Pistenplan-Maler Der Mann, der Berge versetzt

Ohne ihn würden sich Wintersportler verirren: Der österreichische Maler Heinz Vielkind zeichnet seit 62 Jahren die Panoramakarten, die in den Skigebieten den Weg zeigen. Dafür muss er manchmal schummeln.
Foto: Katharina Kern

Der Österreicher Heinz Vielkind, 79, ist gelernter Panoramamaler und arbeitet in Innsbruck.Webseite Panorama Studio Vielkind 

SPIEGEL ONLINE: Es gibt Navis, GPS und Google Earth. Wer braucht Ihre Gemälde eigentlich noch?

Vielkind: Ich bin nicht ersetzbar - weder durch eine Kamera, noch durch ein Navi. Ich nutze selbst Google Earth, um zu recherchieren. Das Problem ist nur, dass all diese Hilfsmittel die Realität abbilden. Das mache ich ja nicht.

SPIEGEL ONLINE: Aber die Wintersportler brauchen doch genaue Karten.

Vielkind: Nur bedingt. Sie brauchen Karten, um die richtige Abfahrt zu finden oder den richtigen Lift. Würde ich streng nach Maßstab arbeiten, wären entscheidende Details nicht zu erkennen: Muss ich an dieser Pistenkreuzung nach rechts oder nach links? Ist der Hang zu steil für mich? Endet der Lift 100 Meter unter- oder oberhalb der Jausenstation? Ich vergrößere die Landschaft und ziehe sie wie ein Akkordeon auseinander, damit so viel wie möglich sichtbar ist.

SPIEGEL ONLINE: Das heißt, Sie schummeln?

Vielkind: Ich zeige das, was die Auftraggeber als wichtig ansehen. Die Tourismusverbände wollen natürlich, dass ihr Gebiet sich möglichst von seiner besten Seite präsentiert. Wenn da im Hintergrund ein Berg ist, der eine spektakulär schöne Seite hat und eine andere, die nicht so toll aussieht, dann zeichne ich das Panorama schon so, dass man die schöne Seite sieht.

SPIEGEL ONLINE: Wie gehen Sie vor?

Vielkind: Ich gucke mir die Gegend sehr genau an, auf Karten, auf Google Earth. Dann überfliege ich das Gebiet, mache 300, 400 Fotos aus allen Winkeln und Richtungen, idealerweise zu verschiedenen Jahreszeiten, damit ich einen guten Eindruck bekomme. Im Studio skizziere ich zunächst mit dem Bleistift und dem Buntstift, verfeinere immer mehr und male dann mit Temperafarben das Panorama. Schließlich werden die Bilder vergrößert. Ich liefere immer jungfräuliche Landschaften ab. Die Hütten, Pisten und Lifttrassen werden erst später von den Tourismusverbänden eingefügt. Dann wird das Ganze auf Aluminiumplatten oder als Pistenplan für die Jackentasche gedruckt.

SPIEGEL ONLINE: Was sind die größten Herausforderungen?

Vielkind: Malerisch ist alles machbar. Schwierig sind manchmal die Kundenwünsche. Zum Beispiel musste ich mal eine Karte der Region rund um den Arlberg anfertigen. Weil sich die Tourismusverbände der beiden Wintersportorte von Arlberg und Lech uneins darüber waren, wie die Berge um die beiden Orte dargestellt werden sollten, musste ich das Bild fünfmal komplett neu malen. Wir haben über jeden Quadratzentimeter diskutiert. Die Karte wurde größer und größer, bis alle zufrieden waren, dass "ihre" Berge und "ihr" Gebiet standesgemäß dargestellt sind.

SPIEGEL ONLINE: Wie kommt man zu einem Job, den es weltweit nur ein paar Mal gibt?

Vielkind: Durch schlechte Schulnoten! Die hatte ich in sehr vielen Fächern, nur im Zeichnen war ich richtig gut. Ich bin dann mit 16 Jahren bei Heinrich Berann in die Lehre gegangen, das war der Begründer der modernen Panorama-Malerei. Bei ihm lernte ich und arbeitete lange als sein Assistent. Mein erster Auftrag, an dem ich mitarbeitete, war eine Karte für die Olympischen Winterspiele in Cortina d'Ampezzo von 1956.

SPIEGEL ONLINE: Sie machen das jetzt seit fast 63 Jahren. Wie haben sich die Alpen in dieser Zeit verändert?

Vielkind: Gewaltig! Ich überarbeite ja alle paar Jahrzehnte verschiedene Ski- oder Wandergebiete, da sieht man deutlich, wie sich die Gletscher zurückziehen oder wie aus einer kleinen Ansammlung von ein paar Bauernhöfen eine richtige Siedlung oder ein Touristenresort wird. Neue Straßen erschließen die Berge noch mehr. Der Wald wird weniger, durch einen Waldbrand, eine Lawine oder den Bau einer neuen Piste. Der Einfluss des Menschen auf die Landschaft ist viel sichtbarer geworden.

SPIEGEL ONLINE: Was kostet eine Panoramakarte?

Vielkind: Jedes Werk ist ein Einzelstück, detailreich und dennoch auf gewisse Weise majestätisch, so wie die Natur eben ist. Kleinere Bilder kosten 2000 bis 6000 Euro, größere, aufwendigere Produktionen schon mal 25.000 Euro.

SPIEGEL ONLINE: Wie malen Sie am liebsten?

Vielkind: Ich habe ein sehr schönes helles Studio im Zentrum von Innsbruck. Ich hatte immer gerne meinen Kater um mich, der ist aber im vergangenen Jahr gestorben. Jetzt höre ich beim Malen am liebsten Radio, auch gerne Barockmusik. Bei Bachkantaten habe ich die beste Konzentration, das ist für diese Aufgabe das Allerwichtigste.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind 79 Jahre alt, wie lange wollen Sie noch weiter arbeiten?

Vielkind: Solange es noch geht. Ich mache immer noch jedes Jahr drei bis fünf Panoramen. Ich habe niemanden mehr, den ich in dieser Kunst unterweisen kann. Aber eine frühere Kollegin hat ein Atelier hier in Innsbruck aufgebaut, sie wird dafür sorgen, dass dieser Beruf nicht ausstirbt.

SPIEGEL ONLINE: Ihr schönster Auftrag?

Vielkind: Es gibt keinen Kontinent, für den ich noch nichts gezeichnet habe. Aber das Beste war eine Darstellung der Region um Takayama in Japan. Einfach nur wunderbare Landschaft, keine Straßen, keine Siedlungen, nur Berge, Wälder, Seen. Ich habe das Gebiet dreimal besucht. Das Bild wurde 5,40 Meter breit und 80 Zentimeter hoch, vor Ort wurde das Panorama auf 25 Meter Breite vergrößert. Das ist sicher eines meiner Meisterwerke.

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