
Skitour auf dem Ätna: Der Berg brodelt
Skitour auf dem aktiven Ätna Feuer und Eis
"Das war nichts Besonderes." Franco Emmi zuckt mit den Schultern. Für den 61-jährigen Bergführer auf Sizilien sind die aktuellen heftigen Eruptionen des Ätna eher Alltag. "Ärgerlich ist nur die Asche, die sich auf den Balkonen und Autos absetzt", bemerkt er lapidar.
Mit seinen kräftigen Fingern zeigt der weißbärtige Mann aus Linguaglossa in seinem Büro auf ein aktuelles Foto des Südostkraters, dessen Ausbruch seit ein paar Wochen für Aufregung sorgt und zwischenzeitlich sogar den Flugbetrieb auf dem benachbarten Flughafen von Catania stilllegte: "Hier hat sich in den letzten Wochen ein neuer Kegel gebildet, der mittlerweile fast so hoch ist wie der benachbarte Hauptkrater."
Nichts Besonderes? Für Nicht-Vulkan-Anrainer allemal.
Im Kraterbereich mit seinem schwarz-rot-gelben Gestein rauchen Klüfte im Boden - hier werden an Spitzentagen derzeit Schwefeldioxidemissionen im Bereich von mehr als 10.000 Tonnen gemessen. Der letzte Schneesturm hat filigrane Reifstrukturen hinterlassen, die auf dem warmen Lavaboden und unter der südlichen Sonne Siziliens rasch verflogen sind. Über dem Südostkrater steigt eine dunkle, bedrohliche Rauchsäule auf, immer wieder sind Explosionen zu hören.
Vor allem aber macht ein seit dem August 2016 bestehender Kollapsschlot im Hauptkrater auf Dampfkochtopf und schießt pulsartig weithin sichtbare, nachts von unten rötlich beleuchtete Fontänen aus Gas und Dampf in den Himmel.
"Richtig gefährlich wird es erst, wenn der Ätna nicht mehr raucht", sagt Emmi und will damit beruhigen. Denn dann könne der Druck nicht mehr entweichen und es zum ganz großen Knall kommen.
"Der Ätna gehört zu mir"
Bis zu 150-mal im Jahr steht der Bergführer auf dem Vulkan auf seiner Heimatinsel. Schon als Kind war er fasziniert von dem leuchtend roten Lavastrom, der sich über die Hänge talwärts schlängelte. Nicht gerade zur Freude seiner Eltern, die wie viele der alten Bewohner Siziliens Angst vor dem Ätna hatten.
Mit neun Jahren schloss Emmi sich einer Gruppe Jugendlicher an und marschierte los. "Es war eine fürchterliche Nacht", erinnert sich der 61-Jährige an den zweitägigen Aufstieg, "es war stürmisch und eiskalt, obwohl wir uns ganz nah an den heißen Lavastrom gekuschelt haben." Seitdem hat ihn der Vulkan nicht mehr losgelassen. "Mich begeistert der ständige Wechsel an Ausbrüchen, Explosionen und effusiven Eruptionen", erzählt er. Seine Augen leuchten. "Der Ätna gehört zu mir, ist ein Teil meines Lebens."

Franco Emmi
Foto: Stefan HerbkeAm liebsten ist Franco Emmi im Winter und Frühjahr mit Ski unterwegs, wenn der Ätna als weißer Kegel Siziliens Landschaft überragt. Direkt aus dem blauen Meer steigen die Hänge 3330 Meter hoch, bis zum Gipfel und seinen drei Kratern. Unten grünen Palmen sowie Orangen- und Zitronenbäume, oben bilden die Flanken des Vulkans perfekte Skihänge.
Zwischen 1900 und 2600 Meter Höhe gibt es auf der Süd- und auf der Nordseite jeweils ein kleines Skigebiet mit einer Handvoll Lifte und ein paar kurzweiligen Abfahrten. Die Hänge darüber sind Skitourengehern vorbehalten, die am Gipfel startend endlos lange Abfahrten über unberührte Schneeflächen genießen können - oft bei bestem Firn.
"Der gut fünfstündige Anstieg über die Nordseite erfordert eine gute Kondition, ist aber bei guter Sicht nicht schwer", sagt Emmi, "aufpassen muss man nur auf versteckte Hohlräume unter dem Schnee."
Franco Emmi kennt die Fumarolen, an denen warme Gase und Wasserdampf aus dem Boden steigen, und legt seine Spur in sicherem Abstand zu den Gefahrenstellen. Und er kennt die Lavaströme, zu denen immer wieder neue hinzukommen.
"Der letzte ganz große Ausbruch 2002 hat auf der Nordostseite viel zerstört, die Infrastruktur, die Straßen und das Skigebiet", sagt Emmi. Kurz darauf erwischte es die Lifte auf der Südseite, in den Jahren danach flossen die Lavaströme vor allem ostwärts ins wilde und unberührte Valle del Bove.

Skitour auf dem Ätna: Der Berg brodelt
Auch der aktuelle Ausbruch, der am 27. Februar begann, schickte mehrere Zungen in diese Richtung. Am aktivsten ist jedoch ein ganz neuer Lavastrom, der sich durch das bisher von Skitourengehern beim Südanstieg genutzte Tälchen zwischen dem Monte Frumento Supino und dem 2002/03-Krater wälzt.
"Ein Kartograf hat hier ständig zu tun", sagt Emmi. "Im letzten Jahr hat sich fast der komplette Gipfel verändert, und in den letzten Wochen ist der Südostkrater weiter in die Höhe gewachsen." Offiziell darf die Gipfelzone aus Sicherheitsgründen nur mit Bergführer betreten werden, doch kontrolliert wird aufgrund des frischen Lavastroms derzeit nur auf der Südseite im Bereich der Gondelbahn.
Eine Ohrfeige für die Frechen
Auf der Nordseite hat der Vulkan dagegen gerade eine Ruhepause eingelegt. Über den Hängen steigt die weiße Rauchsäule des Hauptkraters auf, der Schnee reicht noch bis zum Parkplatz Piano Provenzana auf 1800 Meter Höhe. Weiter oben deckt eine dicke Schicht Schnee die alten Lavaströme zu.
"Dort habe ich meine ersten Lire verdient", erinnert sich Emmi an seine Jugend. "Mit einer Eisenstange haben wir aus glühenden Lavabrocken Aschenbecher geformt, in Wasser abgekühlt und an vorbeigehende Touristen verkauft."
Skitour am Ätna
"Der Ätna ist wie eine gute Mutter", sagt der Sizilianer, "sie ist fruchtbar und gnädig, teilt aber auch manchmal eine Ohrfeige aus, wenn wir zu frech werden." Daher ist das Ziel der Skitourengeher der derzeit ruhige Nordostkrater, von dem sich die in ständiger Wandlung befindliche Kraterlandschaft überblicken lässt. Eine ganz besondere Skitour, die es so in den Alpen nicht gibt und auch Emmi jedes Mal aufs Neue begeistert.
"Der Ätna gibt mir Zufriedenheit", sagt er. "Ich möchte anderen Leuten die Faszination des Vulkans vermitteln, das ist meine Berufung."