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Sonnenfinsternis in Spitzbergen: Pilgerort der Eclipse-Fans

Foto: Michael Martin

Sonnenfinsternis in Spitzbergen Matratzenlager für Eclipse-Fans

Solar-Eclipse-Menüs und astronomisch teure Zimmer: Spitzbergen ist einer der wenigen Spots an Land, an denen die totale Sonnenfinsternis zu beobachten ist - und heute dementsprechend beliebt. Michael Martin sucht per Schneemobil einen optimalen Fotografierplatz.

In den vergangenen Tagen empfing nicht nur ein ausgestopfter Eisbär sondern auch ein freundlicher Behördenvertreter die ankommenden Passagiere am winzigen Flughafen von Longyearbyen auf Spitzbergen. Außer einer Broschüre zur heutigen totalen Sonnenfinsternis überreichte er eine Liste möglicher Notunterkünfte.

Die Zimmerpreise sind im Vorfeld des Jahrhundertereignisses ins Astronomische geschossen, die Bars bieten "Solar Eclipse"-Menüs an, was nichts anderes heißt, dass ein Hamburger derzeit 235 Kronen kostet, knapp 30 Euro.

Meine Frau Elly und ich sind bei Mary Anns Polarriggen untergekommen, meinem Stammquartier auf Spitzbergen, das seinen Speisesaal zum Matratzenlager umfunktioniert hat. Dort liegen wir eingekeilt zwischen fanatischen Sonnenfinsternis-Jägern, die sich alle zu kennen scheinen und - ähnlich wie Kriegsveteranen ihre Siege und Niederlagen aufzählen - ihre erlebten Sonnenfinsternisse benennen: Sambia 1999, Australien 2002, Antarktis 2003, Russland 2006, Kanada 2008, Indien 2009, Tahiti 2012.

Und nun also Spitzbergen, einem der wenige Landmassen auf der Erde, wo die heutige Sonnenfinsternis als totale Sonnenfinsternis zu sehen ist, wo der Mond also die Sonne komplett verfinstert - für gut zwei Minuten.

Vor fünf Jahren hatte ich hier in Spitzbergen mein weltweit fotografiertes Projekt "Planet Wüste" begonnen, heute möchte ich es mit Bildern der totalen Sonnenfinsternis krönen und abschließen. Die Erfolgsaussichten sind nicht gut, denn Spitzbergen ist für sein launisches Wetter bekannt und der Wetterbericht ist alles andere als gut.

Nur mit Gewehr auf den Berg

Schon eine einzige Wolke, die sich um kurz nach 11 Uhr Ortszeit vor die Sonne schiebt, kann alles verderben. Diesem Risiko wollen Elly und ich wenigstens entgehen und haben gestern Abend noch zwei Schneemobile für den Vormittag gemietet, um kurzfristig ausweichen zu können. Außerdem möchte ich auf meinen Bildern nicht die Silhouette von Longyearbyen, sondern unberührte, arktische Landschaften.

Das Verlassen von Longyearbyen ist aber nur mit einem Gewehr erlaubt, leben doch auf Spitzbergen fast 4000 Eisbären, Tendenz steigend. Die Behörden wurden in den vergangenen Tagen nicht müde, die sonnenhungrigen Besucher aus aller Welt davor zu warnen, einfach den nächsten Berg für bessere Sicht zu erklimmen.

Erst vorgestern wurde ein Tourist am Tempelfjorden im Zelt von einem Eisbären verletzt, seine Mitcamper erschossen den Bär. Auch wenn solche Vorfälle selten sind, brauchen wir eine bewaffnete, ortskundige Begleitung. Die haben wir in Christian Bruttel gefunden, der als Deutscher in Longyearbyen lebt und als Polar-Guide arbeitet.

Gestern waren wir mit ihm bereits zehn Stunden lang mit dem Schneemobil unterwegs, um den perfekten Platz für die Sonnenfinsternis zu finden. An der einsamen und eiskalten Ostküste sind wir auf den 700 Meter hohen Berg Moskushornet gestoßen, der freie Sicht in alle Himmelsrichtungen bietet.

Ich habe immer wieder gehört, dass das Herannahen des Mondschattens unmittelbar vor der Totalität genauso faszinierend sein soll, wie die Sonnenkorona während es Höhepunkts der Finsternis. Dafür wäre dieser Platz perfekt geeignet - anders als die Talsohle des Adventdalen vor den Toren von Longyearbyen, wo sich die meisten Finsternisfans mit ihrem Kameras und Fernrohren in Stellung bringen.

Zur Sonnenfinsternis mit dem Schneemobil

Bei unserer gestrigen Schneemobil-Tour wurde mir einmal mehr die Faszination arktischer Landschaften bewusst. Die Sonne ist am 78. Breitengrad erst vor wenigen Wochen nach langer Polarnacht zurückgekehrt und schien gestern fast zwölf Stunden lang auf die sanft geschwungenen Hänge, felsigen Bergspitzen und auf die von Spalten zerklüfteten Gletscher.

Unsere Tour gestern endete am Hayes-Gletscher, der bis ans gefrorene Meer reicht. Vom Gletscher abgebrochene und im Meer eingefrorene Eistrümmer waren nicht nur perfekte Fotomotive, sondern waren auch Windschutz für unser Mittagessen - mit heißem Wasser angerührtes Chicken-Curry.

Ich bin heute morgen um 4 Uhr aufgestanden, um meine Kameras vorzubereiten, um 7 Uhr treffen wir Christian und werden kurz darauf unsere Schneemobile starten.

Ist der Himmel weitgehend ohne Wolken, werden wir zu unserem ausgeguckten Berg an der Ostküste fahren - bei minus 18 Grad Celsius und leichter Brise ein frostiges Unterfangen. Ist es wolkig, werden wir versuchen, den Wolkenlücken hinterherzufahren.

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Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Und ist das Wetter komplett bewölkt, werden wir uns trotzdem an der Einsamkeit hocharktischer Landschaften erfreuen, über denen es kurz nach 11 Uhr Ortszeit für zwei Minuten dunkel wird.

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