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Insel Gozo: Taucherparadies bei Malta

Foto: Gerald Nowak

Tauchen bei Gozo Schiffe versenken für Anfänger

Nur wenige Kilometer trennen die beiden Inseln Malta und Gozo, dennoch liegen Welten zwischen ihnen. Für viele Taucher ist Gozo das attraktivere Ziel: Im Meer können sie sich auf jede Menge Abwechslung freuen - über Wasser werden sie Zeugen einer leidenschaftlichen Rivalität.
Von Linus Geschke

Gozo ist eine etwas andere Mittelmeerinsel. Mehrere Gotteshäuser, ein steinerner Torbogen, ein 5800 Jahre alter Tempel und die einzige Ampel der Insel: Das sind sie auch schon, die größten touristischen Sehenswürdigkeiten. Die Uhren laufen hier deutlich langsamer als in anderen Teilen Südeuropas; langsamer vor allem als auf der nur sechs Kilometer entfernten Schwesterinsel Malta, wo man über Gozo sagt, man könne dort nur arbeiten, schlafen und beten.

"Alles nicht wahr", widerspricht Chris Mercieca, gebürtiger Gozitaner, der in Xaghra eine Autovermietung betreibt. "In Wahrheit bringen die Malteser Touristen doch meist nur für einen Tag nach Gozo, damit diese gar nicht erst mitbekommen, was sie hier alles verpassen." Auf seiner Insel seien nicht nur die Menschen viel netter und die Natur viel grüner, nein, ganz generell gesehen sei das kleinere Eiland doch das deutlich attraktivere Urlaubsziel. Besucher lernen schnell: Mit Gozo und Malta ist es wie mit Köln und Düsseldorf, wie mit Don Camillo und Peppone: Sie können nicht miteinander, sie können nicht ohne einander. Denn wer nach Gozo will, muss über Malta reisen - hier liegt der nächste Flughafen, hier legen auch die großen Schiffe an.

Aber mag Malta auch die deutlich höheren Besucherzahlen vorweisen können, für viele Taucher ist Gozo dennoch zur Nummer eins im maltesischen Archipel geworden. Weil die Wege kürzer sind. Weil sich rund um die nur 67 Quadratkilometer große Insel Tauchplatz an Tauchplatz reiht. Weil alles noch eine Ecke ursprünglicher ist. Diejenigen, die die Insel kennen, schwärmen von den tollen Sichtweiten, den Höhlen und Canyons, der einzigartigen Topografie oder von den versunkenen Schiffsrelikten, die für Abwechslung im Taucher-Logbuch sorgen.

Vom See ins Meer

Über mangelnde Abwechslung kann sich Gerald Nowak nicht beklagen: Singapur, Bali, Mallorca, Philippinen, Türkei, Malediven und Australien - der Reiseplan des 47-jährigen Unterwasserfotografen  war in den vergangenen zwölf Monaten randvoll gepackt. Jetzt ist er auf Gozo. Zum dritten Mal. Und er weiß, was er an der Insel hat: "Hier bekommst du als Fotograf eigentlich alles vor die Kamera, was das Tauchen im Mittelmeer ausmacht." Dann quält er sich in sieben Millimeter dickes Neopren. Mitte Mai liegen die Wassertemperaturen erst bei 19 Grad, da kann es einen schon mal frösteln, wenn man direkt aus den Tropen kommt. Ein letzter Check der Ausrüstung, ein prüfender Blick auf die Kamera, dann steigt er mit seinem Buddy ins Wasser.

Von einem nur drei Meter tiefen und mit Meerwasser gefüllten Inlandsee geht es rund 50 Meter weit durch einen Tunnel in Richtung offenes Meer. Dunkel ist es hier, der Boden fällt in mehreren Stufen ab, nur ab und zu reißen Nowaks Blitze für einen Sekundenbruchteil Anemonen und Bärenkrebse ans Licht. Thomas Zurawski, der in Marsalforn eine Tauchbasis  betreibt, darf dabei Fotomodel spielen: Taucher von vorne, Taucher von der Seite, Taucher im Gegenlicht. Der 50-Jährige kennt das schon: "Wir haben so oft Profifotografen hier, da weiß man mit der Zeit genau, was die von einem wollen."

Hinter dem Tunnel warten das offene Meer und eine Steilwand, die schnell in große Tiefen abfällt. Auch sie ist von Einschnitten und kleinen Durchbrüchen durchzogen, auf dem Grund sorgen Gesteinsformationen dafür, dass Taucher das Gefühl haben, durch einen Canyon zu schweben. Besonders weit kommt Nowak nicht: Alle paar Meter zucken seine Blitze auf, werden Nacktschnecke und kleine Schwärme von Brassen auf dem Speicherchip seiner Kamera verewigt. Dazu muss Zurawski sich weiter in Pose werfen: Der Fotograf winkt ihn heran und wieder weg, dreht sich unter ihm hindurch oder wuchtet die schwere Kamera im Metallgehäuse direkt vor seine Maske. "Unterwasserfotografie ist halt harte Arbeit", sagt Gerald Nowak später. "Auch wenn Freunde oft behaupten, ich hätte ja dauernd nur Urlaub."

Nach dem Tauchgang geht es an Land ein paar Meter weiter, hin zu einem Plateau, von dem Nowak Bilder des "Azur Window" schießen will, jenes steinernen Torbogens, der zum Wahrzeichen der Insel geworden ist. "Den sieht man übrigens auch in vielen Maltaberichten, obwohl er doch zu Gozo gehört." Wenn Thomas Zurawski das erzählt, dann klingt das ein wenig so, als sei dies nicht der Fehler der Journalisten, sondern ein besonders perfider Plan der Malteser, um sich Gozos größte Touristenattraktion aneignen zu können: 18 Jahre Inselleben haben den gebürtigen Essener schon zu einem richtigen Gozitaner werden lassen.

Gesunkene Schiffe, glückliche Fische

Der zweite Tauchgang findet an einem Platz namens Xatt L'Ahmar statt. Gleich drei Wracks liegen dort: die 1999 versenkte Fähre Xlendi, dazu die Cominoland und die Karwela, zwei Ausflugsschiffe, die 2006 auf den Grund geschickt wurden, um weitere Taucher anzulocken. Gerade die Karwela hat es Nowak angetan; sie ist für ihn eines der schönsten Tauchziele im Mittelmeer. "Hier bekomme ich alles geboten, was ein Wrack haben sollte". Zum Beispiel einfach zu betauchende Aufbauten, fotografisch interessante Treppen und einen gut erhaltenen Maschinenraum.

Dazu sieht der Fotograf an den Wracks auch etwas, was es sonst vor der Küste Gozos nicht gerade im Überfluss gibt: Fische. Die versunkenen Relikte bieten kleinen Schwarmfischen nicht nur Schutz vor ihren wenigen Fressfeinden, sondern insbesondere vor dem Menschen - rostiger Stahl ist der natürliche Feind aller handgeknüpften Fischernetze. Und so können sich an den Schiffsruinen Zweibindenbrassen und Mönchsfische noch ihres Lebens erfreuen; auch, wenn komisch blubbernde Gestalten mit blitzenden Geräten in den Händen das metallene Idyll von Zeit zu Zeit stören mögen. Doch sie haben sich daran gewöhnt, die Muränen und die kleinen Barrakudas: Ein paar von ihnen posieren so gelassen vor der Kamera, als hätte man ihnen vor kurzem einen Kurs für Unterwasser-Fotomodelle verpasst.

Eine knappe Stunde später stehen Gerald Nowak und Thomas Zurawski an dem Fahrzeug der Tauchbasis, zwängen sich aus dem feuchten Tauchanzug heraus und in trockene Klamotten hinein. Nicht weit von ihnen entfernt steht ein weiteres Fahrzeug, versehen mit dem Logo eines Tauchcenters aus Malta. Der Guide erklärt seinen Gästen gerade die Geschichte des dritten Wracks, der Xlendi, und dass bei deren Versenkung einiges schief lief: Anstatt auf ebenen Kiel zu stehen, liegt das Schiff jetzt kopfüber, mit dem Kiel nach oben. Für den maltesischen Guide eine tolle Anekdote: "Noch nicht einmal Schiffe versenken können sie, die Gozitaner."

Wie gut, dass Thomas Zurawski in einer Stunde noch einen Termin hat und so schnell wie möglich nach Hause muss: Ansonsten hätte es jetzt noch eine längere Diskussion gegeben - wie immer, wenn Don Camillo auf Peppone trifft.

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