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Kunstparks der Toskana: Quietschbunte Nanas und tiefblaue Brücken

Foto: Corbis

Kunstparks der Toskana Magie aus Mosaiksteinen

Bunte Monster mit Türen, Klangkörper aus Metall und Stein: Spektakuläre Kunstparks in der Toskana bieten jede Menge Überraschungen. Vier von ihnen lohnen den Besuch besonders - nicht alle sind leicht zu finden.

Panisch fliehen 160 Gänse vor drei gigantischen Trommlern in langen, weiten Mänteln. Ein Kind mit einer Gans im Arm versucht, sich und das Tier hinter einem Busch zu verstecken. Ihre Chancen sind nicht gut. Gänse, Trommler, Kind - alle sind aus grauem Stahlbeton. "Tag des Zorns" heißt das Werk von Olivier Estoppey, das in der idyllischen Toskanalandschaft irritiert.

Ein paar hundert Meter entfernt, in einem kleinen lichten Wäldchen, steht der Nachbau des "Chambre No 13 de l'Hotel Carcassone", deren Original sich in der Pariser Rue Mouffetard befindet. Der Aschenbecher ist voll, die Thunfischdose leer, Kleidung liegt unordentlich herum, das Bett ist nicht gemacht: Boheme aus Bronze. Daniel Spoerri hat die Erinnerung an seine Zeit im Zimmer Nummer 13 in Metall gegossen. Wände, Boden, Kleiderhaken, alles, selbst den Müll.

Den "Nouveau Realisme" hat er damals in Paris mit gegründet. Dann ging der in Rumänien geborene Schweizer nach Düsseldorf, eröffnete ein Restaurant und erfand gemeinsam mit anderen Künstlern die Eat-Art. Joseph Beuys habe regelmäßig Spaghetti gekocht, heißt es.

16 Hektar Garten und Kunst

In den neunziger Jahren zog es den inzwischen vielfach preisgekrönten Kunstprofessor nach Süden. Zwischen den Weinbergen von Montalcino und den bewaldeten Hängen des Monte Amiata, dem höchsten Berg der Toskana, schuf er "Il Giardino di Daniel Spoerri" . Sein "Garten" ist freilich ziemlich groß, 16 Hektar, 160.000 Quadratmeter.

Auf schmalen Wegen schlendert der Besucher durch Wiesen, über leichte Hügel, steile Treppen, durch kleine Waldflecken - und immer wieder stößt er auf Skulpturen von Spoerri und etwa 50 anderen, mehr oder minder bekannten Künstlern. Verspielte Objekte, wie Spoerris turmhoher Brunnen aus Fleischwölfen, rätselhafte Köpfe von Eva Aeppli, witzige Apparaturen wie Jean Tinguelys "Große Lampe für D.S.". Insgesamt sind es 103 Stücke zum Schmunzeln, zum Staunen oder zum Nachdenken in aller Ruhe.

Die Toskana gilt gemeinhin als Revier der alten Meister. Leonardo Da Vinci, Raffael, Donatello, Brunelleschi und ihre zahlreichen Kollegen haben ein reiches Erbe hinterlassen. Dazu die wunderbaren Bauten, etwa in Florenz, die malerischen Gassen von Siena oder Volterra. Und azurblaues Meer, abends deftige Küche und kräftiger Wein - fertig ist die Toskana. Moderne Kunst kommt in dem Bild nicht vor. Dabei gibt es, abseits der oft überlaufenen Routen, viel davon zu entdecken. Nicht nur bei Spoerri, auch bei Paul Fuchs.

Klangkörper und Weltmusik

Das Auto bleibt mitten im Wald stehen, die letzten zwei-, dreihundert Meter geht es zu Fuß weiter. Paul Fuchs vorneweg. In der Luft vibriert ein weicher, geheimnisvoller Ton. Plötzlich öffnet sich der Wald, macht Platz für riesige Wiesen, auf denen seltsame Konstrukte stehen. Sie heißen "Metamorphose" oder "Crescendo". Den zart-klagenden Ton erzeugt "Der große Zeiger": drei unten gebogene Röhren aus Eisen, 1996 fabriziert, die längste ragt 31 Meter hoch in den Himmel.

Andere Metallwesen winden sich in eleganten Spiralen in die Höhe, filigran, wie Luftschlangen. "Ich möchte das schwere Eisen ganz leicht machen", sagt Fuchs. Der 75-Jährige führt über die weiten Wiesen, lässt die Klangkörper, wie er seine meterhohen Stahl- und Eisenschöpfungen nennt, durch ein Klopfen hier, ein Schütteln dort musizieren - wenn es nicht der Wind für ihn macht, der über Öffnungen streift oder Metallgelenke geräuschvoll dreht.

Musik war der Anfang der Künstlerkarriere des gelernten Schlossers Fuchs. Alles um ihn herum schien ihm Musik zu sein, jeder Ton faszinierte ihn, etwa der Klang des Hammers auf dem Amboss. Mit selbst kreierten Musikinstrumenten erfand er mit seiner Frau Limpe die "Anima Musik", mischte mit bei avantgardistischen Spektakeln wie "Underground Explosion" oder musizierte in Jazz-Konzerten gemeinsam mit Musikgrößen wie Friedrich Gulda und Albert Mangelsdorf. An der Münchener Akademie der Bildenden Künste lernte er die Technik für seine Skulpturen. In deutschen Städten stehen viele davon, die "Stahlzeichen" in Ingolstadt etwa oder die 14 Meter hohe Windplastik vor dem Finanzamt in Rosenheim.

Aber Paul Fuchs kann auch klein. Rund um sein toskanisches Bauernhaus, mitten im etwa 30 Hektar großen "Giardino dei Suoni", dem "Garten der Klänge", stehen winzige Bronzefiguren. Fuchs erzählt der Besuchergruppe, die sich an diesem Tag zusammengefunden hat, viel über den "kleinen Baum", die "Kinder", "il tamburino" oder "Primat" und beantwortet jede Menge Fragen. Dann greift er zu zwei schweren Holzklöppeln und bearbeitet damit ein viele Meter langes Xylophon aus Granitplatten. Selbstgebaut natürlich. Die Musik ist auch selbst erfunden, klar. Und das Wasser, das Frau Fuchs anschließend serviert, kommt aus dem eigenen Brunnen - mit Muskelkraft geschöpft.

Am Ende des zerbrochenen Regenbogens

Eine ziemlich detaillierte Chianti-Karte braucht der Fremde schon, wenn er auf der Strada Statale 222 von Florenz in Richtung Siena fährt und unterwegs Pievasciata finden will. Besser noch ist ein gutes Navi. Zur Sicherheit hat Piero Giadrossi auf den Flyer für Besucher auch gleich die GPS-Koordinaten eintragen lassen (Länge E.11° 22' 53" - Breite N. 43° 23' 36"), auf denen sein "Parco Sculture del Chianti" liegt. Früher wurden in dem lichten Eichenwald Wildschweine gezüchtet. Dann kam Piero mit seiner Frau Rosalba und machte im Jahr 2004 einen Kunstpark daraus.

"Integration von Kunst und Natur", so die Idee dahinter, mit Künstlern von allen Kontinenten und einer breiten Palette von Materialien und Stilformen. Jeder Künstler wurde eingeladen, sich einen Platz im Wald zu suchen und speziell für dieses Fleckchen Natur eine Skulptur zu schaffen, die sich dort mit der Umwelt zu einem neuen Gesamtkunstwerk fügt. Nun steht hier ein "zerbrochener Regenbogen", dort ein Irrgarten aus Glasbausteinen, massige Monumente aus Stahl oder aus Plastik, zerbrechliche Säulen, manches hängt im Baum, anderes ist nur eine Kreation aus Geräuschen - allesamt sehr unterschiedlich und in ihrer Gesamtheit mitten im Eichenwald eindrucksvoll und immer wieder für eine Überraschung gut.

Die Künstler kommen aus Argentinien und Zimbabwe, aus Griechenland, der Türkei, den USA, zwei Deutsche sind dabei (Johannes Pfeiffer und Christoph Spath) und natürlich auch Italiener. Schließlich ist man im Herzen des Chianti, Castellina, Greve und Radda sind nicht weit. Und die Luft duftet nach Toskana. Einen Kilometer lang ist der Parcours, von der irritierend perfekt nachgebildeten kleinen Warteschlange vor dem Kartenhäuschen und zurück.

Wer dann noch Fragen hat, der kann sie dem Gründer und Direktor des Parks gleich selber stellen. Denn Piero Giadrossi spricht deutsch, und er sitzt häufig an der Kasse. Das Ganze ist kein Profit-Center eines Unterhaltungskonzerns, es basiert auf der Initiative eines kunstverliebten Ehepaares, deren Freunden und einigen Sponsoren. Alles auf Non-Profit-Basis, die Eintrittsgelder fließen in den Park und so gibt es immer wieder ein zusätzliches Kunstwerk.

Von Mai bis September finden hier auch Konzerte statt. Im Amphitheater, mit einer Bühnenkulisse aus weißem Carrara-Marmor und schwarzem afrikanischen Granit. Wenn gerade kein Konzert ist, sitzen Nachbildungen berühmter Figuren aus dem Showbusiness im Parkett - unter anderem lädt ein lebensgroßer Scherenschnitt von Alfred Hitchcock am Bühnenrand dazu ein, sich daneben zu setzen.

Niki de Saint Phalles Tarotgarten

Noch weiter südlich reicht die Toskana nicht - ein paar Kilometer weiter beginnt das Lazio, die Region rund um Rom. Knapp davor liegt das malerische mittelalterliche Örtchen Capalbio, und nicht weit davon, an einem sanften bewaldeten Hügel, lockt der bekannteste Kunstpark Italiens: Der Tarotgarten der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle , die 1929 als Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle geboren wurde.

Die knallbunten, teilweise riesigen Phantasiewesen, mit Millionen von Mosaiksteinchen beklebt, sieht man schon von weitem. Es sind Figuren aus dem Kartenspiel Tarot. Der Magier zum Beispiel: "Für mich", sagte die Künstlerin, "ist das Gott, der Schöpfer des Universums". Und der Hohepriester - "einer der Schlüssel der Weisheit" -, das Glücksrad, der Mond und der Tod. Insgesamt 22 Statuen, die Kinder ob ihrer Farbfülle vor Spaß jauchzen lassen - die für Erwachsene freilich nur auf den ersten Blick lustig sind. Dahinter steht mehr, viel mehr. Auch Tragik und Traurigkeit.

Die Monster sind begehbar, haben Treppen auf dem Rücken oder Türen im Mund. Und dazwischen stehen sich drehende, rasselnde, wasserspeiende Phantasiemaschinen des Schweizers Jean Tinguely, der langjähriger Lebensgefährte von Niki de Saint Phalle war.

In den späten siebziger Jahren begann der Aufstieg des früheren Topmodels zur weltweit gerühmten Künstlerin - gleichzeitig machte sie die ersten Pläne für den Garten und die Monumentalbauten. 1980 begann sie mit der Umsetzung. 1981 mietete sie ein kleines Haus in der Nähe und arbeitete mit Tinguely und ein paar Freunden wie besessen an ihrem "Giardino del Tarocchi".

Um die aufwendigen Bauten zu finanzieren, malte sie im Auftrag eines Zigarettenherstellers ein Flugzeug knallbunt an, entwarf für einen US-Konzern ein Parfum. 1983 zog die Künstlerin um: Die nächsten Jahre lebte sie nun im Inneren der gerade fertig gestellten Kaiserin-Figur. ("Für mich die Herrin und Schöpferin des Himmels") Eine Wohnung, so bizarr und kalt, dass sie manchen Besucher grausen lässt, wenn er länger als zehn Minuten darin verweilt.

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Foto: SPIEGEL ONLINE

1998 wurde der Park eröffnet. Vier Jahre später starb Niki de Saint Phalle im Alter von 71 Jahren an einem Lungenleiden - vielleicht als Folge ihrer jahrelangen Arbeit mit Polyester und giftigen Farben im Tarotgarten.

Serviceteil - Adressen, Öffnungszeiten, Eintritt

"Il Giardino Di Daniel Spoerri" 
58038 Seggiano (Prov. Grosseto)
Tel. 0039 0564 950 026
E-Mail: ilgiardino@ilsilene.it
Öffnungszeiten: Von Ostern bis 31. Oktober täglich außer montags von 11 bis 20 Uhr, von 1. Juli bis 15. September auch montags, von November bis Ende März nur auf Voranmeldung.
Eintrittspreise: Erwachsene 10 Euro; Studierende, Kinder 8 Euro; Kinder unter 8 Jahren haben freien Eintritt

"Il Giardino dei Suoni" von Paul Fuchs 
Podere Pianuglioli,
58020 Boccheggiano (Prov. Grosseto)
Tel. 0039 / 0566 / 998221
E-Mail: paul.fuchs@tiscalinet.it
Öffnungszeiten: Besuch nach Vereinbarung, meist in kleinen Gruppen
Eintrittspreise: 10 Euro

"Parco Sculture del Chianti" 
53010 Pievasciata (Prov. Siena)
tel +39 0577 357151
E-Mail: info@chiantisculpturepark.it
Öffnungszeiten: Täglich von 10 Uhr bis zum Sonnenuntergang. Von November bis März wird empfohlen, vor dem Besuch anzurufen.
Eintrittspreise: Erwachsene 7,50 Euro, Kinder unter 16 Jahren 5 Euro;
Konzerte: Erwachsene 10 Euro,Kinder unter 16 Jahren 7,50 Euro

"Il Giardino dei Tarocchi"  von Niki de Saint Phalle
Locanda Garavicchio,
58011 Capalbio (GR)
Tel: 0564 895122
Email: tarotg@tin.it
Öffnungszeiten: Vom 1. April bis 15. Oktober täglich von 14.30 bis 19.30 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene Euro 12 Euro, Studenten und Rentner 7 Euro; für Kinder unter sieben und Behinderte ist der Eintritt frei.

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