

Gefährdete Lagunenstadt Venedig verbannt Kreuzfahrtgiganten aus seinem Hafen
Seit Jahren wird in Venedig über das Für und Wider von großen Kreuzfahrern debattiert. Nun gibt es eine Entscheidung: Ab dem 1. August dürfen große Kreuzfahrtschiffe nicht mehr in die Lagunenstadt anlegen und durch Teile der Lagune fahren. Das gab Infrastrukturminister Enrico Giovannini am Dienstag nach einer Kabinettssitzung bekannt.
Es sei ein »notwendiger Schritt, um die Umwelt, die Landschaft sowie die künstlerische und kulturelle Integrität von Venedig zu schützen«, sagte Giovannini. Ministerpräsident Mario Draghi sprach von einem »wichtigen Schritt zur Erhaltung der Lagune von Venedig«. Das neue Gesetz sieht laut dem Kultusministerium eine Entschädigung für betroffene Firmen und Arbeiter vor.
Künftig sollen Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 25.000 BRZ Größe, mehr als 180 Meter Länge oder mehr als 35 Meter Höhe den Industriehafen Marghera am Festland anlaufen und solche, die gewisse Abgasnormen überschreiten. Sie dürfen nicht mehr durch den Canale della Giudecca, das Bacino di San Marco (Markus-Becken) und den Canale di San Marco im historischen Zentrum fahren. Das betrifft zum Beispiel Schiffe wie die 253 Meter lange »Aida Blu«, die ab April 2022 für Fahrten nach Venedig eingeplant ist. Kleinere Kreuzfahrtschiffe sollen weiterhin im Stadtzentrum anlegen dürfen.
Infrastrukturminister Giovannini will in Marghera unter anderem für die Anlegestellen 157 Millionen Euro ausgeben. Der Industriehafen dürfte aber nur eine temporäre Lösung bleiben, denn gleichzeitig sucht der Hafen von Venedig einen dauerhaften Anlegeplatz für die Zukunft. Eine Expertenkommission will dafür in den kommenden beiden Jahren Vorschläge entgegennehmen und sie auf ihre Machbarkeit prüfen. Bis zum 30. Juni 2023 soll das Gewinnerprojekt feststehen. Giovanninis Ministerium will dafür 2,2 Millionen Euro investieren. Der Verband der Kreuzfahrt-Reedereien begrüßte die Maßnahme und hofft damit auf mehr Planungssicherheit in Venedig.
Seit Jahren streiten Aktivisten, Einheimische und die Tourismusindustrie um die Kreuzer in der Lagune, die regelmäßig mit ihrer imposanten Größe den Canale della Giudecca und gleichzeitig den berühmten Markusplatz passieren, ein beliebter Ort für Touristen. Nach Ansicht der Kritiker zerstören die Riesenschiffe die Umwelt in der Lagune, beschädigen die Fundamente der Stadt und verschmutzen die Luft. Der Kreuzfahrttourismus bringe der Stadt auch wenig wirtschaftliche Vorteile, weil die Passagiere dort nicht schliefen und oft nur wenig Geld ausgäben.
Mit dem nun verhängten Verbot dürfte Rom auf die jüngsten Forderungen der Uno-Kulturbehörde Unesco eingehen. Ihre Experten hatten vor wenigen Wochen vorgeschlagen, Venedig auf eine Negativliste für gefährdetes Weltkulturerbe zu setzen, unter anderem wegen der Kreuzfahrtriesen. Sie verlangten zum Beispiel, die Schiffe zu geeigneteren Häfen in der Umgebung umzuleiten. Ab Mitte Juli könnte eine Entscheidung darüber fallen. Venedig und seine Lagune haben seit 1987 den Welterbestatus der Unesco.
Appell von Mick Jagger und Tilda Swinton
Die Debatte war nach der Rückkehr der Kreuzfahrtschiffe Anfang Juni nach einer coronabedingten langen Pause wieder aufgeflammt. Anfang Juni hatten internationale Künstler wie Mick Jagger, Wes Anderson und Tilda Swinton in einem offenen Brief Draghi und den italienischen Präsidenten Sergio Mattarella aufgefordert, Kreuzfahrtschiffe in Venedig vollständig zu verbieten.
In dem Brief forderten sie zudem eine bessere Steuerung der Touristenströme, den Schutz des Ökosystems der Lagune und den Kampf gegen Immobilienspekulation, um »die physische Integrität, aber auch kulturelle Identität« der Stadt zu bewahren.