Amazonas-Extremwanderung 6400 Kilometer, 50.000 Mückenstiche, 859 Tage

Amazonas-Extremwanderung: 6400 Kilometer, 50.000 Mückenstiche, 859 Tage
Foto: Keith DucatelMaruda/Brasilien - Als die Wellen des Atlantiks Ed Staffords Füße umspülten, war es geschafft: Der Brite ist als erster Mensch den gesamten Amazonas entlang gewandert - von der Quelle in den Peruanischen Anden bis zur Mündung im Norden Brasiliens. 859 Tage brauchte er für den rund 6400 Kilometer langen Fußmarsch.
"Es ist unglaublich, hier zu sein", freute sich Stafford bei seiner Ankunft. "Ich habe bewiesen, dass man alles schaffen kann, wenn man es nur stark genug will." Kurz vor seinem Ziel war der 34-Jährige am Straßenrand zusammengebrochen. Doch wenig später sprang er in den Ozean, und wirkte, als habe er alle Energie der Welt. Überglücklich umarmte er seine Zuschauer.
Er sei zwar kein Öko-Aktivist, sagte Stafford. Trotzdem hoffe er, dass seine Tat auf die Zerstörung des Regenwalds aufmerksam mache. Im Grunde sei es eine einzige lange Ausdauerprüfung gewesen. "Ich glaube, wenn es nicht das egoistische Abenteuer eines großen Jungen gewesen wäre, hätte es nicht funktioniert", sagte der ehemalige Hauptmann der britischen Streitkräfte. "Ich mache das nur, weil es noch niemand vor mir gemacht hat." Zwar gab es mindestens sechs Expeditionen, die den Amazonas von der Mündung bis zur Quelle erkundet haben, doch die haben den Fluss mit Booten befahren.

Wanderer Ed Stafford: 6400 Kilometer in zweieinhalb Jahren
Piranhas zum Abendessen
Am 2. April 2008 starteten Stafford und ein Freund aus Großbritannien an der südlichen Pazifikküste Perus. Sein Partner hielt keine drei Monate durch, doch Stafford marschierte immer weiter.
Hunderte Einheimische, die er unterwegs traf, begleiteten ihn auf seinem Weg. Im peruanischen Waldarbeiter Gadiel "Cho" Sanchez Rivera fand er einen neuen Weggefährten, der ihn bis an den Atlantik begleiten wollte.
Unterwegs ernährten sich Stafford und Rivera von Piranhas, die sie aus dem Fluss zogen, Reis und Bohnen sowie Proviant, den sie in den Dörfern entlang ihres Weges einkauften. Mit der Außenwelt blieb Stafford auch im dichtesten Dschungel verbunden. Über ein Satellitenmodem hielt er die Welt mit Einträgen in seinem Blog auf dem Laufenden. Sponsoren sorgten dafür, dass der Brite auf den Kosten für die Reise von rund 100.000 Euro nicht sitzenblieb.
"Wenn der Gringo auftaucht, wird er getötet"
Auf ihrem Weg entgingen der Brite und sein Kamerad so ziemlich allen Gefahren, die im Amazonasbecken lauern: fünfeinhalb Meter lange Kaimane, riesige Anakondas, tropische Krankheiten, Nahrungsmittelknappheit. Etwa 50.000 Mückenstiche habe er erlitten, und einmal habe er in einer einzigen Sitzung 42 Zecken aus seiner Haut gedreht, schrieb er in seinem Blog.
Auch die Indianerstämme auf dem Weg waren Stafford nicht immer wohlgesinnt. Im September 2008 nahm ihn ein Stamm freundlich auf. Über Funk wollten sie das nächste Dorf auf seiner Route informieren und für ihn eine Erlaubnis einholen, ihr Gebiet zu durchqueren. "Die Antwort kam kristallklar zurück. Wenn der Gringo in ihre Siedlung komme, werde er getötet", schrieb Stafford damals in seinem Blog.
Er versuchte zwar das Dorf zu umgehen, wurde dabei aber von einem anderen Stamm gefangengenommen und den Stammesoberhäuptern vorgeführt. Stafford und Rivera mussten sich nackt ausziehen, jedes Gepäckstück wurde untersucht. Am Ende wurde eine Machete von den Indianern konfisziert. Erst nachdem sie mehrmals erklärt hatten, was sie eigentlich machten, gewannen sie die Zuneigung der Indianer. Sie erlaubten ihnen, über ihr Land weiter zu wandern - allerdings mussten sie Führer aus dem Dorf anheuern.
Von Staffords Optimismus zeugen seine neuen Pläne: Im September 2011 will er auf die nächste Expedition gehen und etwas unternehmen, was noch kein Mensch vor ihm geschafft hat. Was das sein wird, will er noch nicht verraten, damit ihm niemand zuvorkommt. Bis dahin will er sich erst einmal ausruhen.
"Diese Expedition war unser Leben. Zweieinhalb Jahre lang haben wir nichts anderes gemacht als laufen, laufen, laufen. Am Morgen danach aufzuwachen und zu wissen, dass wir es geschafft haben, wird eine große Veränderung sein", sagte Stafford. "Ich glaube aber, wir werden uns daran gewöhnen."