Andalusien Einmal im Leben Torero spielen

In den Hügeln Andalusiens gedeihen nicht nur Ölbäume und Korkeichen, dort leben auch die wohl berühmtesten Tiere Spaniens: Kampfstiere. Auf seiner Finca züchtet Obercowboy Joaquín Lora gleich 500 dieser muskelbepackten Halbtonner. Touristen können dort Torero spielen.
Von Sören Meschede

"Meine Finca liegt bei Sevilla, zwischen Gerena und Afnalcollar auf der rechten Seite" - die Wegbeschreibung von Joaquín Lora, dem Besitzer von "La Calera", klingt einfach. Aber erst nach langem Suchen und einer Stoßdämpfer und Nerven zermürbenden, sieben Kilometer lange Schlaglochpiste erscheinen die weiß getünchten Mauern der Finca "La Calera" am Ende des Horizonts. In dem knapp 1000 Hektar großen, hügeligen Oliven- und Korkeichenwald tummelt sich eine Herde von rund 500 sogenannten "Toros de Lidia": Rindern, die für den Stierkampf gezüchtet werden. Joaquín Lora ist Chefzüchter, Gutsbesitzer und Obercowboy in der vierten Generation.

"Die Stierfarmen haben einen enormen Wert für das ökologische Gleichgewicht der großen Freiflächen, die in Andalusien noch existieren", sagt Antonio Soriano, der oberste Beauftragte der andalusischen Landesregierung für Stierkampfbelange. Da die Stiere möglichst "bravo" - möglichst wild - sein sollen, ist der Kontakt mit Menschen nur in der Stierkampfarena erwünscht. Und da die Tiere deshalb viel Freifläche brauchen, ist das Gelände der Farmen weitestgehend naturbelassen. Laut Sorianos Auskunft haben die Stierzüchter sogar einen Öko-Preis der Europäischen Union erhalten, da zahlreiche vom Aussterben bedrohte Pflanzen nur noch auf den Weideflächen der Fincas wachsen.

"Das mit dem Öko-Preis kann schon sein, weiß nicht" - Lora hat offensichtlich nicht so viel mit Ökologie am Hut. Dafür könnte der waschechte Sevillano von 47 Jahren – zurückgegeltes Haar, behaarte Brust im Karohemd, enge Jeans, Reitstiefel – problemlos als Double von Antonio Banderas in jedem Western mitspielen. "Auf gehts, ich zeige dir die Farm", sagt er und zieht den Reporter in seinen gewaltigen Jeep.

Kleine Menschlein gegen 500-Kilo-Bullen

In einem abgetrennten Bereich nahe dem Hauptgebäude steht eine 20-köpfige Herde vierjähriger Bullen. Die muskelbepackten und mit gefährlich spitzen Hörnern ausgestatten Halbtonner blicken interessiert von ihren mit Kraftfutter gefüllten Trögen auf, als sich der Jeep nähert. Trotz der schützenden Metallhülle des Autos stellt sich ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend ein. "Stiere sind eigentlich nur dann gefährlich, wenn sie alleine sind und sich bedroht fühlen," beruhigt Lora. Tatsächlich: Sobald die Tür des Jeeps aufgeht und die zwei kleinen Menschlein vor die 500-Kilo-Bullen treten, galoppieren die gewaltigen Tiere panisch davon. "Wegrennen würde ich an deiner Stelle aber niemals, wenn du einen Bullen alleine antriffst", sagt Lora und erzählt dann einige Anekdoten, die immer das gleiche Ende hatten: er auf dem Baum und der Stier unter ihm.

Auch untereinander gehen sich die Stiere an den Kragen. "Die älteren Bullen machen den jüngeren, noch nicht so kräftigen Exemplaren das Futter streitig." Bei diesen Rangkämpfen gehen die Tiere alles andere als zimperlich miteinander um. "Jedes Jahr haben wir drei oder vier tote Stiere", erzählt Lora.

Weitaus idyllischer geht es auf den drei restlichen Weiden zu, die den Großteil der Finca ausmachen. In jedem Bereich residiert ein verdienter Stier mit seinem Harem von bis zu 50 Kühen. Nur einmal pro Jahr werden diese Tiere zusammengetrieben, um die in der Zwischenzeit geborenen Kälber von den Müttern zu trennen und zu brandmarken. Eine mühsame Arbeit, bei der der Jeep nicht viel hilft. Die tiefen Täler und unwegsamen Bereiche der Finca sind nur zu Fuß oder zu Pferd zugänglich. "Wir brauchen einen Monat, bis wir alle Kälber zusammen haben. Eine Heidenarbeit ist das", stöhnt Lora. Aber er kokettiert, denn etwas später gesteht der Sevillano ein, es gebe für ihn nichts schöneres, als als waschechter Cowboy über die Finca zu reiten und seine Herde zusammenzutreiben.

Die Korkwälder wurden ein Raub der Flammen

Ob er jemals daran gedacht hat, das ganze hinzuschmeißen? "Ja sicherlich, der Papierkram wird immer mehr, und auch Profit ist eigentlich kaum mehr zu machen." Der einzige Grund, warum er auf seiner Farm Stiere züchte, sei, dass er ein "Aficionado", ein Liebhaber des Stierkampfes, sei. "Mit iberischen Schweinen kann man sicher mehr Geld machen, aber ich mag nun mal keine Schweine."

Traditionell erwirtschaften die Fincas, ob sie nun Schweine oder Stiere halten, einen Nebenverdienst mit den Olivenbäumen und den Korkeichen, die auf dem Gelände wachsen. Aber spätestens seit den Bränden des vergangenen Jahres ist auch dieser Erwerbszweig zusammengebrochen. "Das Feuer hat den größten Teil der Korkeichen in dieser Region vernichtet", sagt Lora und deutet auf eine Ebene, in der die dürren Äste der verbrannten Bäume deutlich mit dem frischen Frühlingsgrün der Weide kontrastieren. "Das ist die Farm meiner Nachbarin. Sie hat ausschließlich auf die Korkgewinnung gesetzt und steht jetzt vor dem Bankrott."

Joaquín Lora ist zum Glück nicht von den Korkeichen abhängig obwohl sie einen guten Batzen eingebracht hätten, wie er meint. Er hat einen anderen Weg gefunden, von seiner Liebhaberei für die Stiere auch wirtschaftlich zu profitieren. Joaquín und sein Bruder haben schon vor zehn Jahren angefangen, die Finca für Touristen zu öffnen und kooperieren inzwischen mit zahlreichen Reiseveranstaltern. Der boomt. Im Augenblick baut die Familie Lora das Hauptgebäude von "La Calera" in ein Landhotel um, nebenan entsteht ein Festsaal für Jagdgesellschaften. Nach einem opulentem Essen geht es auf Stiersafari. Dabei dürfen auch die Touristen einmal Torero spielen - allerdings mit Kühen statt mit Stieren.

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