Anschlag bei Sousse "Ich würde in solchen Zeiten keinen Fuß nach Tunesien setzen"

Tatort in Sousse: Die meisten Touristen in der Region sind abgereist
Foto: Hasnain KazimDie Stimmung ist gedrückt in Sousse. Die meisten Mitarbeiter in Hotels werden nur dann beschäftigt, solange Gäste da sind. Nach dem Terroranschlag am Freitag aber sind die meisten Urlauber abgereist. Die Unterkünfte in der Region, 140 Kilometer südlich von der tunesischen Hauptstadt Tunis, sind leer.
Nachts brennt in großen Anlagen nur ein Licht, viele Häuser stehen in gespenstischer Dunkelheit da - mitten in der Hauptreisezeit, in den Sommerferien.
In Sousse, aber auch in benachbarten Orten wie Monastir sind die Strände ebenfalls leer. Erst am späten Abend füllen sie sich mit Einheimischen, die im Fastenmonat Ramadan eine Abkühlung suchen. Das Fastenbrechen beginnt um 19 Uhr, viele tun das demonstrativ, in Zeiten des Terrors, am Strand.
Einige westliche Touristen sind geblieben. "Was passiert ist, ist dramatisch", sagt eine belgische Touristin. "Aber ich glaube, dass es jetzt vorbei ist. Und eine Katastrophe wie diese kann ja überall passieren." Sie wolle sich den Urlaub nicht von einem Terroristen vermiesen lassen. "Mein Mann und ich bleiben!"
Eine Deutsche hingegen sagt, sie wolle "keine Minute länger als nötig" bleiben. "Ich war bei dem Anschlag nicht dabei, aber ich habe die Bilder gesehen. Jetzt kann ich den Strand und diesen Ort nicht mehr genießen."
Viele Stornierungen bei deutschen Veranstaltern
So wie diese Touristin wollen viele Deutsche ihren bereits gebuchten Urlaub in Tunesien absagen. Die deutschen Reiseveranstalter haben schon am Freitag ihren Gästen kostenlose Stornierungen und Umbuchungen angeboten - und dies wird auch genutzt.
Bei DER Touristik hat fast jeder zweite Kunde, der innerhalb der kommenden zwei Wochen nach Tunesien reisen wollte, seinen Urlaub storniert. Bei der deutschen Kundenhotline von TUI meldeten sich bis Sonntagmittag rund 500 Kunden, um ihre Reise umzubuchen oder zu stornieren. Von rund 3500 deutschen TUI-Gästen vor Ort brachen 250 ihren Urlaub vorzeitig ab.
Noch sind die Folgen des Terrorangriffs mit 39 Toten auf den Tourismus in Tunesien laut TUI-Deutschland-Touristik-Chef Oliver Dörschuck nicht absehbar. "Es ist zu früh, eine Prognose zu treffen", sagte er.
Nach der Bardo-Attacke im März, ist es das zweite Mal seit dem Sturz von Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali 2011, dass Touristen bei einem extremistischen Angriff getötet wurden. "Wir waren gerade erst dabei, die Wunden von Bardo zu heilen, und nun haben wir einen noch schwereren Schlag erlitten", sagte eine Einwohnerin von Sousse.
Schon in den ersten Monaten dieses Jahres war die Zahl der Übernachtungen im Land im Vergleich zum Vorjahr um rund 14 Prozent gesunken. Eine Katastrophe für viele Strandhotels wie in Sousse, die kein Geld mehr haben, um Löhne, Strom oder Wasser zu bezahlen.
Tunesien braucht die Gäste aus Europa - immerhin leben rund 400.000 Menschen in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land von diesem Wirtschaftszweig. Rund sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet das Land durch den Tourismus, die meisten Gäste kommen aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien.
"Tödlicher Schlag für den Tourismus"
Die tunesische Regierung versucht jetzt viel, um Urlaubern das Gefühl von Sicherheit zu geben: Sie verspricht, vom 1. Juli an "entlang der ganzen Küste und in Hotels" bewaffnete Sicherheitskräfte zu postieren. 80 Moscheen, in denen Hassprediger aktiv sind, sollen geschlossen werden. Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen allein dürften allerdings kaum eine große Zahl von Touristen anlocken.
Viele vom Tourismus abhängige Tunesier fürchten sowieso, dass die Maßnahmen zu spät kommen. "Das ist ein tödlicher Schlag für den Tourismus", sagt der Händler Ali Soltani. Viele zeigen Verständnis für die Ängste der Urlauber. "An ihrer Stelle würde ich in solchen Zeiten keinen Fuß nach Tunesien setzen", sagt der Händler Imed Triki aus Sousse. "Kommen sie, um Urlaub zu machen oder um zu sterben?"
Welche Auswirkungen die Sicherheitsmaßnahmen auf die Reiseempfehlungen der europäischen Länder an Urlauber haben werden, ist noch unklar. Deutschland rät nicht generell von Reisen nach Tunesien ab, empfiehlt aber Besuchern, "besondere Vorsicht walten zu lassen". Bei dem Anschlag sindzwei Deutsche getötet worden.
Auch Großbritannien hat keine Reisewarnung herausgegeben. Das Außenministerium schreibt aber in seinen Sicherheitshinweisen , "weitere terroristische Anschläge, auch auf Urlaubsresorts, sind möglich". Bei dem Terrorakt kamen mindestens 15 Briten ums Leben.
In den kommenden Tagen wollen die beiden Länder darüber beraten, ob die Empfehlung beibehalten oder ob der Hinweis verschärft wird. "Wir geben unsere Reiseempfehlungen verantwortungsvoll und umsichtig", sagt Thomas de Maizière. Der Bundesinnenminister besuchte am Montag den Tatort, wo er und seine britischen und französischen Kollegen Blumen niederlegten.

Touristenhochburg Sousse: Weite Strände, enge Gassen