
Djerba: Sie sind gekommen, um zu sprühen
Street Art auf Djerba Mit Spraydose, Charme und Schablone
Es hat ein bisschen gedauert. Doch dann haben der Pariser Galerist Mehdi Ben Cheikh und seine Verbündeten mit ihrer Idee im Kopf und Sprühflaschen in den Händen die Herzen der Bewohner von Erriadh erobert.
Oder besser gesagt, deren Hauswände und Straßenmauern. 150 Street-Art-Künstler aus aller Welt haben das weiß getünchte Dorf auf Djerba in ein farbenfrohes Freilichtmuseum verwandelt.
"Djerbahood" heißt das künstlerische Abenteuer, das der in Paris lebende Galerist Mehdi Ben Cheikh im vergangenen Sommer als Beitrag zum politischen Dialog in der jungen tunesischen Demokratie initiiert hat und das vor allem junge, urbane Reisende nach Djerba locken soll. Auch wenn der Terroranschlag im März in Tunis diese Mission nicht einfacher macht.
Rund 250 Street-Art-Werke haben die Künstler in Erriadh hinterlassen: Das Einhorn der südafrikanischen Künstlerin Faith47 oder Frauenporträts der Spanierin B-Toy, der argentinische Altmeister Jaz hat großformatige Krieger auf die Wand gebracht. Auch der tunesische Star-Graffitikünstler El Seed, der schon Katars Hauptstadt Doha verschönert und mit dem Luxuskonzern Louis Vuitton zusammengearbeitet hat, war in der Open-Air-Galerie am Werk.
Selbst Autowracks verwandelten die Künstler in farbenfrohe Monumente. Auf dem Dach eines Hauses am Ortseingang hat der Namensgeber des Projekts, der Franzose Rodolphe Cintorino, in Großbuchstaben das Wort "The Hood" montiert.
Anfängliche Vorbehalte der Dorfbewohner wären rasch in Begeisterung für die Kunstaktion umgeschlagen, sagt Isabelle Planchon, die in Erriadh ein Guesthouse und eine Boutique betreibt. Ortsansässige halfen den Künstlern bei den Installationen, unterstützen sie mit Material oder Bewirtung. Auch Planchons Dar Bibine ist Teil des großen Djerbahood-Kunstwerks.
Kunst, die das Dorf verändert
Planchon erzählt aber nicht nur von Erriadhs jüngster Kunstgeschichte, sondern auch von der ganz alten Geschichte des Dorfes, das einst jüdische Flüchtlinge gründeten. Ihre Einwanderung nach Djerba vollzog sich vermutlich in drei Wellen. Auslöser der ersten war die Zerstörung von Salomos Tempel durch die Babylonier 586 vor Christus. Dann die Zerstörung Jerusalems durch die Römer 70 nach Christus. Schließlich flohen im 16. und 17. Jahrhundert andalusische Juden vor der Inquisition nach Erriadh.
Die La-Ghriba-Synagoge im Ort war einst das älteste jüdische Gebetshaus in ganz Nordafrika. Heute steht im Dorf - seit dem Qaida-Anschlag im April 2002 streng bewacht - auf uraltem Fundament der Synagogen-Neubau von 1920 Besuchern offen. Der wichtigste Schatz ist eine Thora-Rolle, die zu den ältesten der Welt zählt.
Zurück in die Jetzt-Zeit: Unter einem Torbogen, den der Künstler Add Fuel aus Portugal gestaltet hat, schwärmt Guesthouse-Besitzerin Planchon von der Veränderung des Dorfes durch Djerbahood. Auch wenn es einen kleinen Wermutstropfen gibt: Die salzige Meerluft tut der Straßenkunst nicht gut, teilweise blättert die Farbe ab, immer wieder werden Werke übermalt.
Man kann es aber auch so sehen: Djerbahood ist eben eine lebendige Wechselausstellung. Das ist jedenfalls der ausdrückliche Wunsch von Initiator Ben Cheikh: "Ich hoffe, dass die Einheimischen das Projekt lebendig halten."