
Schulbusreise XXL "13 Meter lang, 18 Tonnen schwer, da spürst du jedes Schlagloch"

Felix Starck, Jahrgang 1990, wurde mit dem Radreise-Dokumentarfilm "Pedal the World" bekannt. Mehr als 180.000 Zuschauer sahen die Ein-Mann-Produktion in den Kinos. Nun ist er mit seiner Freundin Selima Taibi und dem Berner Sennenhund Rudi zu einem neuen Abenteuer aufgebrochen: einer Amerika-Reise mit einem umgebauten Schulbus.expedition-happiness.com: Amerika-Reise mit einem umgebauten Schulbus
SPIEGEL ONLINE: Sie haben vor ein paar Monaten Ihre Wohnung aufgelöst und sind mit Ihrer Freundin nach Nordamerika aufgebrochen, um einen Schulbus zu kaufen. Warum?
Felix Starck: Wir hatten das Gefühl, aus der Routine dort ausbrechen zu müssen. Vor Kurzem sind wir nach Berlin gezogen, die Stadt hat bald vier Millionen Einwohner, das ist zu viel, bedeutet viel Stress. Im Januar entdeckten Selima und ich einen Online-Artikel über jemanden, der sich einen dieser gelben US-Schulbusse zum Wohnmobil umgebaut hat - zwei Tage später haben wir uns online so ein Ding gekauft, für 9500 Dollar.
SPIEGEL ONLINE: Das Ding stand allerdings in North Carolina...
Starck: Wir sind hingeflogen und haben einen Handwerker mit dem Umbau beauftragt. Der stellte sich jedoch als nicht so begabt heraus wie erhofft, 80 Prozent der Arbeiten mussten wir schließlich komplett selbst in die Hand nehmen. Da war viel Improvisation dabei. Der Umbau dauerte drei Monate.
SPIEGEL ONLINE: Was reizte Sie an dem Fahrzeug?
Starck: Die gelben Busse sind eine USA-Ikone - und gleichzeitig stark und unzerstörbar wie ein Lkw. Wenn dir da jemand drauffährt, wischst du kurz den Dreck weg, und weiter gehts.
SPIEGEL ONLINE: Nun sind Sie von Niagara aus quer durch Kanada gefahren bis nach Calgary - wars schön?
Starck: Besonders eindrucksvoll war Alberta, ich habe noch nie solche Berge gesehen, mächtige Kolosse in allen Richtungen. In Manitoba und Saskatchewan machte es weniger Spaß, es geht immer nur geradeaus, die Landschaft ist eintöniger.
SPIEGEL ONLINE: Und das Fahrzeug?
Starck: Macht sich gut! Aber bei einem 13 Meter langen, 18 Tonnen schweren Schulbus spürst du schon jedes Schlagloch, da rappeln die Gläser, du denkst, der Kühlschrank fällt um, obwohl der fest verankert ist. Für Offroadabenteuer ist das Fahrzeug nichts. In der Stadt ist es auch schwierig, manchmal schafft man die Kurve nicht, muss zurücksetzen, das kommt bei anderen Verkehrsteilnehmern nicht so gut an.
SPIEGEL ONLINE: Dafür hilft das Ding vermutlich dabei, mit Leuten ins Gespräch zu kommen
Starck: Wir fallen schon damit auf. Immer wieder kommen Menschen auf uns zu und fragen, ob sie mal reingucken dürfen. Wir hatten schon mehr als 100 Besichtigungen.
SPIEGEL ONLINE: Der interessanteste Besucher?
Starck: An einem Haltepunkt in der Nähe von Banff hatten wir plötzlich einen Grizzly vor der Tür, als gerade die Pasta auf dem Propangasofen köchelte. Ich habe mich gefragt, wie stark der Bär ist, ob der die Scheibe einschlagen könnte. Zum Glück ging alles gut, er hat uns eine halbe Stunde Gesellschaft geleistet und ist dann weitergezogen. Ein magischer Moment.
SPIEGEL ONLINE: Bei Ihrer letzten Reise entstand der Kino-Dokumentarfilmhit "Pedal the World", damals waren Sie mit dem Fahrrad unterwegs. Nun machen Sie Urlaub im Wohnmobil - werden Sie alt?
Starck: Sieht ganz so aus. Ich war definitiv nicht für das Radfahren gemacht, hatte jeden Tag Schmerzen. Damals haben manche kritisiert, dass ich "nur" 18.000 Kilometer gefahren bin, echte Fahrradprofis schaffen viel größere Distanzen auf Langzeitreisen. Aber um Rekorde geht es mir gar nicht, sondern um die Geschichten, die ich unterwegs erlebe.
SPIEGEL ONLINE: Ein Grund für den Erfolg des Films war sicher, dass Sie als ganz normaler Typ von nebenan so eine Reise unternommen haben - und eben nicht Leistungssportler sind. Damit können sich die Zuschauer identifizieren.
Starck: Künstlerisch ist der Film superschlecht. Ich bin kein Filmemacher und hatte das gar nicht geplant. Aber ich habe tolle Sachen erlebt und eine Story mitgebracht. Eigentlich kann das jeder nachmachen.
SPIEGEL ONLINE: Ihre jetzige Tour nennen Sie "Expedition Happiness". Was verbirgt sich dahinter?
Starck: Es geht darum, Glück zu finden und Glück zu erforschen. Auf meiner Radreise habe ich speziell in Asien gemerkt, dass viele Menschen dort glücklicher wirken als die Deutschen, obwohl sie objektiv gesehen weniger wohlhabend sind.
SPIEGEL ONLINE: In Ihren Videotagebüchern sind Sie hauptsächlich selber im Bild - haben Sie Schmerzen im Arm, weil Sie sich ständig eine Kamera aufs Gesicht halten?
Starck: Kein Scherz: Mein rechter Arm tut weh wie Sau, ich hatte schon einmal einen Krampf im Bizeps. Vielleicht sollte ich ein spezielles Fitnesstraining machen. Bei dem englischen "Expedition Happiness"-Kanal hilft Selima mit den Interviews, das erleichtert die Filmerei!
SPIEGEL ONLINE: Warum diese Fokussierung auf Sie selbst?
Starck: Ich habe in meinem Leben viele ZDF-Reisedokumentationen gesehen, die finde ich spannend, weil man viel über Land und Leute erfährt. Aber noch mehr hätte mich oft interessiert: Wer filmt da eigentlich gerade? Wer steckt hinter der Voiceover-Stimme? Das ist auch eine Art Mäuschenspiel, einen Einblick zu bekommen, wie der Weg dieses Reisenden aussieht. So funktionieren ja auch viele YouTube-Stars, vielleicht ist das eine Art Big-Brother-Phänomen. Beides hat mich allerdings nie interessiert - irgendwann werden Wissenschaftler erklären, warum das so gut ankommt.
SPIEGEL ONLINE: Wohin soll die Reise noch gehen mit dem Schulbus?
Starck: Jetzt fahren wir nach Alaska, wenn wir es in einem Jahr von dort bis Argentinien schaffen, wäre das cool. Aber wenn es nicht klappt, sind wir auch nicht gescheitert, es geht nicht um ein geografisches Ziel. Sollten wir unterwegs merken, dass wir drei oder vier Wochen lang keinen Bock mehr haben, fliegen wir nach Hause.
"Expedition Happiness" bei Instagram: instagram.com/expeditionhappiness