Extrembergsteigerin Edurne Pasabán "Ich will als zufriedene Greisin enden"
Wie hat man sich eine Frau vorzustellen, die sich in lebensfeindlichen Regionen zu Hause fühlt, dem Tod schon oft ins Gesicht gesehen hat und sich in der männerdominierten Welt des Profibergsports einen Namen gemacht hat?
Edurne Pasabán sieht man ihre Zähigkeit nicht an. Sie ist groß und schlank, ihr Gang lässig, ihr Lächeln herzlich. Ihre weichen Züge hat sie mit etwas Make-up unterstrichen, die Haare sind noch feucht von der Dusche. Die 35-jährige Spanierin macht einen erholten Eindruck, obwohl sie erst vor 20 Minuten ihr vormittägliches Trainingsprogramm beendet hat: drei Stunden Jogging in einer Druckkammer - bei Bedingungen, wie sie auf 6000 Meter Höhe herrschen.
Durch den sinkenden Luftdruck ist der Sauerstoffgehalt dort nicht einmal halb so hoch wie auf Meereshöhe, schon das Atmen ist unglaublich mühsam; ohne ausreichende Akklimatisation entwickelt der Körper Anzeichen der gefährlichen Höhenkrankheit.
Doch die gebürtige Baskin ist größere Höhen gewohnt: Sie stand bereits auf 12 der 14 Achttausender der Erde. Im Mai war sie am Gipfel des Kangchendzönga, wenige Tage, bevor ihre Konkurrentin und Freundin Gerlinde Kaltenbrunner mit der Besteigung des Lhotse im Wettstreit um die Komplettierung aller Achttausender mit ihr gleichzog.
Dem Tod ins Gesicht gesehen
Die Finanzierung ihrer Pläne bereitet der Spanierin Sorgen: "Die Wirtschaftskrise hat die Suche nach Sponsoren extrem erschwert. Die vielen Telefonate und Treffen rauben mir die Kraft, zu trainieren und vor allem, mich psychisch vorzubereiten." Dies sei für den Erfolg einer Expedition wichtiger als körperliche Kraft und Ausdauer, schließlich müssen unter extremen Bedingungen Beschlüsse gefasst werden, die über Leben und Tod entscheiden.
"Ich bin oft erstaunt, wie klar ich unter maximaler Belastung denken kann", berichtet Pasabán. Selbst am Rande der Erschöpfung könne sie mit purer Willensstärke noch unglaubliche Kräfte mobilisieren. So etwa beim Abstieg vom Gipfel des K 2, als ihr bei einem Wettersturz die Zehen erfroren und sie in drei Stunden nur 200 Meter vorankam. "Da habe ich dem Tod ziemlich direkt ins Gesicht gesehen", erinnert sich Pasabán.
Für Angst, aber auch für Trauer, bleibt keine Zeit am Berg. "Ich habe oft darüber nachgedacht, wie ich wohl reagieren würde, wenn direkt neben mir ein Freund stirbt. Aber in dem Moment, in dem es passiert, versucht man nüchtern Entscheidungen zu treffen, um sein eigenes Leben zu retten."
Inzwischen vertraut Pasabán darauf, dass sie in solchen Situationen instinktiv das Richtige tut. Auch als sie sich an der Shisha Pangma im vergangenen Herbst wegen des schlechten Wetters zur Umkehr entschied, folgte Pasabán ihrem warnenden Bauchgefühl und stellte unter Beweis, keine vom Ehrgeiz getriebene Rekordjägerin zu sein.
Vorsprung verspielt
Von den spanischen Medien jedoch erntete sie Kritik: Sie habe den Vorsprung verspielt, den sie sich in einem angeblichen Wettlauf mit der Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner und der Italienerin Nives Meroi herausgearbeitet hatte.
Tatsächlich verfolgen alle drei Profibergsteigerinnen dasselbe Ziel: auf allen 14 Achttausendern gestanden zu haben. Der Ersten unter ihnen winkt ein Eintrag ins "Guinness Buch der Rekorde", denn bislang ist dies noch keiner Frau gelungen. Als Konkurrentinnen wollen sich die drei Bergsteigerinnen dennoch nicht verstehen. Mehr als am Ruhm sind sie an der Erfüllung eines persönlichen Traums und vor allem am Überleben interessiert.
Für die Medien indes ist die Situation ein gefundenes Fressen: Mehr als zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit Reinhold Messner als erster Mensch die Besteigung aller 14 Achttausendergipfel vollendete. Nun stehen mit Pasabán, Kaltenbrunner und Meroi drei der besten Bergsteigerinnen der Welt kurz davor, sich ebenfalls in diesen exklusiven Club einzuschreiben.
Ein Zweikampf wie damals bei Messner und Kukuczka?
"Spekulationen der Medien, wer von uns die größten Erfolgschancen hat, sind unseriös", empört sich Pasabán. Doch spätestens seit Juli 2007, als Kaltenbrunner und Pasabán nahezu gleichzeitig den Gipfel des Broad Peak erreichten - eigentlich um zu demonstrieren, dass es kein Konkurrenzverhältnis gibt -, schreiben die Medien eine Wiederholung des Wettlaufs herbei, den sich in den siebziger und achtziger Jahren der Südtiroler Messner und der Pole Jerzy Kukuczka lieferten.
Wenn Pasabán daran denkt, zieht sich ihre Stirn in Falten: "Es wäre absurd und gefährlich, Höhenbergsteigen als Wettrennen zu begreifen. Ich will als zufriedene Greisin enden und nicht dabei, irgendeinen Rekord aufzustellen. Ich weiß, dass das auch für Gerlinde gilt." Mittlerweile ist zwischen Pasabán und Kaltenbrunner eine tiefe Freundschaft entstanden.
"Kürzlich saßen Gerlinde und ich in München nach einer Bergsteigermesse bei einem Bier", erzählt Pasabán. "Andere Bergsteiger fragten, ob wir unsere Feindschaft etwa beigelegt hätten. Da konnten wir uns vor Lachen kaum halten", berichtet Pasabán, die bei ihrer österreichischen Kollegin die Unterstützung findet, die sie braucht, um dem enormen Druck der spanischen Medien standzuhalten.
Denn plötzlich war sie nicht mehr die baskische Restaurantbesitzerin mit dem extremen Hobby, sondern galt als "Pasabán, die Superfrau" und "Königin des Himalaja". 2005 wurde sie vom spanischen olympischen Komitee zur Sportlerin des Jahres ernannt. "Ich musste mir immer wieder vor Augen führen: Ich bin dieselbe Edurne, ob ich nun die 14 Achttausender schaffe oder nicht. Wenn ich merke, dass es mir keinen Spaß mehr macht, muss ich aufhören."
Nach schlechten Erfahrungen am K 2 war Pasabán kurz davor, das Handtuch zu werfen und kehrte erst zwei Jahre später wieder in den Himalaja zurück. "Ich wollte herausfinden, ob ich wirklich vom Bergsteigen überzeugt war oder ob ich nur noch den Erwartungen der Öffentlichkeit genügen wollte."
Als Privatperson verletzlich und sensibel
Wer solche Erfahrungen gemacht hat, sollte ein entspanntes Verhältnis zu Alltagsproblemen haben. Doch nicht so Edurne Pasabán: "Im normalen Leben bin ich ein sensibler Mensch, der sich schnell zum Weinen bringen lässt. Meine Freunde wundern sich immer über meinen Persönlichkeitswandel am Berg und fragen, warum ich die enorme Kraft, die ich dort entwickle, nicht mit in den Alltag nehmen kann." Kleinigkeiten bringen sie oft aus dem Gleichgewicht, unfaire Berichterstattung der Medien und nicht zuletzt die Anfeindungen ihrer männlichen Kollegen gehen Pasabán nahe.
Nicht selten stellt die männerdominierte Bergsteigerszene einen Gipfelerfolg Pasabáns so dar, "als hätte ich ihn nur aufgrund der Erfahrung und Ausdauer meiner Begleiter erreicht. Dabei trage ich dieselbe Menge an Material und nicht zuletzt mich selbst den Berg hinauf."
Oft wird sie auch mit dem Vorwurf konfrontiert, sie sei keine kreative Bergsteigerin, da sie die Achttausender "nur" auf den Normalrouten begehe. "Ich bin kein Kukuczka", betont sie immer wieder mit Bezug auf den polnischen Bergsteiger, der bei der Suche nach den schwierigsten Aufstiegsrouten letztlich sein Leben ließ. "Ich beschränke mich auf das, was meinen Fähigkeiten und meiner Risikobereitschaft entspricht." Schließlich hat auch die Mehrheit der Männer, die alle 14 Achttausender bestiegen haben, die gewöhnlichen Routen gewählt.
Zäher und leidensfähiger als die Männer
Immer wieder stellt Pasabán fest: Wer als Frau im Alpinsport ernst genommen werden will, muss mehr leisten als die Männer. Erst langsam hätten ihre Bergkameraden erkannt, "dass wir Frauen viele Vorteile haben": Bergsteigerinnen seien zäher, leidensfähiger. "Außerdem reagieren wir in schwierigen Situationen überlegter", so Pasabán. Stolz und Selbstüberschätzung machten es den männlichen Kollegen oft unmöglich umzukehren, auch wenn die Lage es erfordere. "Da muss ich manchmal hart durchgreifen; hinterher sind mir aber alle dankbar." Dennoch bleibt der Achttausenderrekord im Vordergrund.
Gerlinde und Edurne punkteten an Lhotse und Kangchendzönga, wo Edurne sich einige Erfrierungen einhandelte. Am gleichen Berg musste Nives Meroi abbrechen und liegt im Rennen hinten.
Übrigens: Alle drei Bergsteigerinnen wurden für die hohe spanische Sportauszeichnung "Prinz von Asturien" nominiert.
Mit vielen erfolgreichen Frauen teilt Pasabán ein ganz anderes Problem: Die Schwierigkeit, ihren Kinderwunsch und ihren Sport zu vereinbaren. Doch ihre Entscheidung ist klar: "Mein 15. Achttausender wird die Mutterschaft sein."
Alle Achttausender: Höchste Berge der Welt
Name | Höhe* | Land | Erst- | besteigung |
---|---|---|---|---|
Mount Everest | 8850 Meter | China (Tibet), Nepal | 29.05.1953 | |
K2 | 8614 Meter | China, Pakistan | 31.07.1954 | |
Kangchendzönga | 8586 Meter | Indien, Nepal | 25.05.1955 | |
Lhotse | 8516 Meter | China (Tibet), Nepal | 18.05.1956 | |
Makalu | 8463 Meter | China (Tibet), Nepal | 15.05.1955 | |
Cho Oyu | 8201 Meter | China (Tibet), Nepal | 19.10.1954 | |
Dhaulagiri I | 8167 Meter | Nepal | 13.05.1960 | |
Manaslu | 8163 Meter | Nepal | 09.05.1956 | |
Nanga Parbat | 8126 Meter | Pakistan | 03.07.1953 | |
Annapurna | 8091 Meter | Nepal | 03.06.1950 | |
Hidden Peak (Gasherbrum I) | 8068 Meter | China (Tibet), Pakistan | 05.07.1958 | |
Broad Peak | 8047 Meter | China (Tibet), Pakistan | 09.06.1957 | |
Gasherbrum II | 8035 Meter | China (Tibet), Pakistan | 07.07.1956 | |
Shisha Pangma | 8012 Meter | China (Tibet) | 02.05.1964 |