Färöer Der Archipel des Lichts

Fußball ist Nationalsport auf den Färöern, und elf auserwählte Nordmänner treten am Mittwoch im EM-Qualifikationsspiel gegen die deutsche Nationalmannschaft an. Ihre Heimat ist eine entlegene, im Farbspiel der Sonne fast mystisch wirkende Inselgruppe mitten im Nordatlantik.
Von Hilke Maunder

62 Grad Nord über dem Atlantik. Himmel und Meer verschwimmen zu einem unendlichen Blau. Dann tauchen schroffe Felsen im Meer auf: die Färöer-Inseln. Einige sind im Nebel gehüllt, andere leuchten strahlend grün und schwarz unter einem stahlblauen Himmel. Bricht die Sonne zwischen zwei Wolkenbergen hervor, wecken ihre Strahlen in immer neuen Variationen die archaische Schönheit der Inselwelt zwischen Schottland und Island. Mehr als tausend Kilometer vom Mutterland Dänemark entfernt, entfaltet dieser "Archipel des Lichts" eine fast mystische Magie.

1100 Kilometer Küstenlinie erzählen von der Wucht der Wellen. Und der Phantasie der Färinger: In Felsspitzen erkennen sie Riesen, Elfen und Trolle. Vor Grotten gleiten Seehunde ins Meer. An den Steilwänden, die bei Vestmanna 600 Meter senkrecht ins Meer fallen, nisten Basstölpel, Trottellummen und Sturmschwalben. 3,5 Millionen Seevögel leben auf den Färöern - und werden mit Stangen gefangen. Diesmal hat es einen Papageientaucher erwischt. Ohne orangen Schnabel, aber noch im Federkleid, liegt der Vogel tiefgekühlt im Supermarkt von Runavik. Mit Kuchen gefüllt und gegrillt, gilt er als Delikatesse. In der Bucht von Sorvágur zerlegen Männer mit speziellen Messern schnell und geschickt 36 Grindwale. Getrocknet, mit einem Stück tranigen Specks und einer Kartoffel garniert, wird der Wal abends im Hotel Vágar als Antipasti serviert.

Während solche "Schlachtfeste" selten sind, gibt es frischen Fisch im Überfluss. Was nicht die 80 kommerziellen Trawler im Umkreis von 200 Seemeilen aus dem Meer ziehen, wird gezüchtet: Lachs en masse. Vor 150 Jahren wurde die Fischerei noch in Ruderbooten dicht an der Küste betrieben, berichten Fotografien und alte Kähne im Bootsmuseum von Leirvik. Mehr als 80.000 Schafe ziehen durch die Bergwelt der Inseln. "Wolle ist Gold der Färöer" sagt ein altes Sprichwort über den zweitwichtigsten Wirtschaftsfaktor.



Bis zu 880 Meter hohe Berge überziehen alle Inseln. Stockwerksartig türmen sich schwarze Felsbänder aus Basalt aufeinander, unterbrochen von rötlichem Tuff. Überall gluckert und gurgelt es. In der Nähe eines Bachs liegt ein Kartoffelfeld. Knapp fünf mal fünf Meter groß, reicht es gerade aus, um eine Familie zu versorgen. Geschützt hinter Steinmauern wächst Rhabarber. Das saure Obst ist neben Gerste so ziemlich das Einzige, was in dem feucht-kühlen Seeklima gedeiht. Bäume sind eine Seltenheit. Kein Punkt auf den Inseln ist mehr als fünf Kilometer vom Meer entfernt. Fjorde und tiefe Spalten ziehen sich weit ins Land. Gjógv - Kluft heißt auch der schönste Naturhafen der Inseln. Über Schienen und Seilwinde werden die Schiffe im Herbst aus der Hafenschlucht hinauf gezogen.

Alle Dörfer, "bygd" genannt, liegen an der Küste. Vom Leben im alten Färöer erzählt das Heimatmuseum Blásastova im alten Dorf Gøta, komplett erhalten mit Fischerhütten, Bauernkaten und Holzkirche. Weiße Sprossenfenster gliedern die schwarz geteerte Fassade, auf dem Dach wächst Gras. Nur noch zehn dieser Holzkirchen, zwischen 1830 und 1850 erbaut, gibt es noch auf den Inseln. Die älteste Kirche des Landes steht in Kirkjubøur. Strahlend weiß erhebt sich die Olavskirke seit dem Hochmittelalter an der Küste. Dunkel und düster daneben: die unvollendete Magnus-Kathedrale. Bischof Erlendur hatte die Finanzkraft seiner Schäfchen schlichtweg zu hoch eingeschätzt.

Die moderne Alternative steht in Sydragøta. Das achteckige Gotteshaus, von außen eher abweisend, beeindruckt im Innern mit einer klaren Komposition aus Birke und Blau. Die Glasinstallationen in Meeres- und Himmelsfarben schuf Tróndur Paturson. Mönche aus Irland waren vermutlich die ersten Bewohner, die auf den Färöer-Inseln lebten - in ständiger Furcht vor der Wikingern. Fast jeder Ort kann Fundstücke der rothaarigen Nordmänner vorweisen. In Leirvik wurde ein mehr als 1000 Jahre alter Wikinger-Hof freigelegt.

Zentrum der Inseln ist Tórshavn. Fast ein Drittel der 45.000 Einwohner lebt in der Hauptstadt. Während des kurzen Sommers mit seinen langen Nächten ist die Kleinstadt im Festivalrausch: Jazz, Folk und Blues stehen auf dem Programm. Das Kunstmuseum Lístakálin präsentiert mit Willem Heinesen, S.J. Mikines, Johannes Kristiansen und der jungen Avantgarde das kreative Potenzial des Kleinstaats. Als "kultureller Elfenhügel" versteht sich das Nordische Haus mit seinen jährlich 300 Veranstaltungen.

Auf der Halbinsel Tinganes geht ein Paar in Färöer-Tracht durch die Altstadt. Vor einem alten Warenhaus an der Landspitze hält es inne. Hier residiert das Färöische Parlament Løgting. Seit 1948 genießen die Inseln im Atlantik als selbständiges Mitglied im dänischen Reichsverbund eine gewisse Autonomie. Vielen Färöern geht sie nicht weit genug. Bislang sichern neben der Fischerei dänische Subventionen das Überleben. Doch eine neue Einnahmequelle ist in Aussicht: Erdöl. Erste Offshore-Bohrungen sind Viel versprechend.

Die wohl ungewöhnlichste Begegnung mit Färinger Kultur bietet Kapitän Birger Enni. Mit seinem Gaffelschoner "Nordlysid" schippert der Endvierziger an die Südwestküste von Hestur und lässt ausbooten. In schnellen Zodiacs reiten die Gäste über die Wellen hin zu haushohen Höhlen. Kaum ist das letzte Boot im Innern der Grotte, erklingt eine Klarinette. Tief rauschend antwortet die Brandung. Beim "Concerto Grotto" der Gruppe Yggdrasil nach Kompositionen von Kristian Blak und John Tchicai verbinden sich Musik und Meer zu einem fast mystischen Gleichklang.

INFORMATIONEN:

  • Dänisches Fremdenverkehrsamt 
    Glockengießerwall 2
    20095 Hamburg
    Tel. 040-32 02 10

  • Faroe Island Tourist Board  
    Gongin, P.O. Box 118
    FR-110 Tórshavn
    Tel. +298 16055
    Fax +298 10858

  • Hinkommen: Flug mit Lufthansa oder SAS nach Kopenhagen, mit Atlantic Air oder Maersk Air weiter nach Vágar. Mit dem Wagen: Fahrt bis ins dänische Hanstholm, von dort mit der Smyril-Linie in anderthalb Tagen weiter bis Tórshavn. Die Färöer sind Zwischenstopp der Fährfahrten nach Bergen und Island.

  • Fußball auf den Färöern:
    16.10. 2002, 20.30 Uhr: Deutschland - Färöer in Hannover
    11. 6. 2003 Färöer-Deutschland auf den Färöer-Inseln

    Im Qualifikationsspiel zur EM 1992 gelang dem Zwergstaat im Atlantik eine kleine Sensation. Die Fußballer von den Färöern schlugen Österreich mit 1:0 durch das Tor von Nielsen in der 60. Minute. Der damalige österreichische Bundestrainer Josef Hickersberger wurde daraufhin entlassen. Fußball ist Nationalsport auf den Färöern. Nahezu jedes Dorf hat eine Mannschaft und/oder einen eigenen Platz, wegen der nassen Witterung mit Gummi oder Kunstrasen belegt. In Klaksvik gibt es ein Stadion mit echtem Rasen, das für WM-Klassifikationsspiele genutzt wird.

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