
Amerika per Pferd: Von Feuerland bis Alaska
Fernreise per Pferd Der 25.000-Kilometer-Reitausflug
Wenn Günter Wamser von seinen Abenteuern in Amerika erzählt, geht es um eine Reise, aber eigentlich geht es um viel mehr als die Fortbewegung von A nach B: um die Freiheit, das zu tun, was man wirklich will, ohne sich um wohlgemeinte Ratschläge von außen zu kümmern.
Vor 19 Jahren reiste der gelernte Flugtriebwerkmechaniker nach Feuerland am südlichsten Zipfel Südamerikas, kaufte sich auf einer Ranch zwei Criollo-Pferde, zähe Tiere der Gauchos, eins für den Reiter, eins fürs Gepäck. Er ritt los, immer weiter nach Norden. "Diese Reise ist meine Art zu leben geworden, mit allen Höhen und Tiefen. Mein Leben hat dadurch an Intensität gewonnen", sagt der heute 54-Jährige.
"Intensität" bedeutet aber eben auch, dass es bei aller Abenteuerromantik Momente gibt, in denen man am liebsten aufhören will und sich nur nach einem warmen Zimmer mit Heizung sehnt. "Wenn man immer im schönen Komfortbereich wäre, dann wäre es auch langweilig, man würde das Normale gar nicht mehr schätzen können", sagt Wamser.
Fertige Extremreisende am Wegesrand
Gleich in den ersten Tagen seiner Tour erlebte er zwei Begegnungen, die ihn zweifeln ließen an den Freuden einer Langzeitreise. Erst traf er einen Radfahrer aus Berlin, der in eineinhalb Jahren von Kalifornien nach Patagonien gestrampelt war. Er saß am Straßenrand, verfluchte den Gegenwind und wollte aufgeben, obwohl er nur noch hundert Kilometer vom Ziel entfernt war.
Zwei Tage später kam Wamser ein Japaner entgegen, der zu Fuß mit einem kleinen Handwagen unterwegs war. Er hatte schon von ihm gehört, der Mann wanderte von Venezuela nach Ushuaia, eine Strecke von mehr als 7000 Kilometern, nun war er kurz vor dem Ziel. Auf einen Gruß kam keine Antwort, völlig lethargisch blickte der Wanderer geradeaus. "Es war nichts Menschliches an ihm zu erkennen. Ein kleiner, programmierter Roboter", schreibt Wamser in seinem Buch "Der Abenteuerreiter" .
Schon bald konnte er solche Erschöpfung nachvollziehen. "Man ist nicht in jedem Moment glücklich auf einer langen Reise", resümiert er heute. "Aber insgesamt ist das etwas, was einen glücklich macht. Das habe ich am Anfang noch nicht verstanden." Zu den schönsten Erinnerungen zählen viele herzliche Begegnungen mit den Menschen Lateinamerikas. Wegen der Pferde ist er oft von anderen abhängig, wenn er etwa einen Lagerplatz für die Nacht braucht.
"Die Tiere haben mir die Türen zu den Einheimischen geöffnet", sagt Wamser. "Wenn ein reicher Amerikaner mit dem Wohnmobil herumfährt, das länger ist als das Haus, in dem die zu zehnt leben, dann ist das wie jemand vom Mond. Ich reise so, wie die das auch machen, bin eher einer von denen." Manchmal sei er jedoch auch auf Unverständnis gestoßen für seine altmodische Art der Fortbewegung. "Ich wurde gefragt, warum ich nicht mit dem Bus fahre, das ist doch nicht so teuer. Man muss doch gar nicht mehr reiten."
Verspätete Ankunft in Mexiko
Schneller wäre er jedenfalls gewesen mit dem Bus. Ursprünglich wollte er in fünf Jahren Alaska erreichen, stattdessen kam er nach elf Jahren erschöpft in Mexiko an. Über die USA-Grenze durfte er nicht mit den Pferden, weil sie durch Zeckenbisse krank geworden waren. Wamser reiste nach Deutschland zurück, wollte sein Projekt aufgeben.
Er wunderte sich über sein Land, in dem die Menschen so viel besitzen und sich doch so viel beschweren. Ein Land, in dem "ein 20-Jähriger Existenzängste hat, weil er seinen großen Sportwagen nicht bezahlen kann". Er hatte viele Südamerikaner kennengelernt, die morgens nicht wussten, wie sie ihre Kinder satt bekommen sollen. Trotzdem sagten sie, dass sie ein glückliches Leben führten.
Nach zwei Jahren vermisste Wamser das einfache Nomadendasein so sehr, dass er 2006 wieder aufbrach, um sich Pferde zu kaufen und nun doch Nordamerika zu durchqueren. Ein bärtiger Mann mit Cowboyhut, wie ein Pionier vor 150 Jahren bewegt er sich fort.
Heute ist er nicht mehr allein mit den Tieren unterwegs, sondern mit der Österreicherin Sonja Endlweber. Sie hatte einen Artikel über seine Reise gelesen und schrieb ihm eine E-Mail, Betreffzeile: "Ich will mit". Zwei Wochen später flogen sie gemeinsam in den US-Staat New Mexico, heute sind sie ein Paar. Wamser genießt es, dass er "die schönen Momente nun mit jemand teilen kann". Manchmal nervt es ihn, dass er Entscheidungen nun nicht mehr alleine fällen kann.
Zum Beispiel bei der Routenwahl. "Die Herausforderung ist, den schönsten Weg zu suchen, nicht den schwierigsten." Das heißt: Städte meiden und möglichst wenig an Straßen entlang. Hohe Berge müssen umrundet werden, bei Flussüberquerungen dauert es oft lange, bis die beiden eine Stelle finden, die flach genug für die Pferde ist.
Die letzte Etappe führt derzeit durch Kanadas Norden, Mitte September wollen sie den Mount McKinley in Alaska erreichen, den höchsten Berg Nordamerikas. Wamser wäre der erste Deutsche, der eine solche Route auf dem Pferderücken zurückgelegt hat. Danach will er ein Buch schreiben und bald die nächste Reise planen. "Die Ideen gehen mir nicht aus", verspricht er.