Hallo, Taxi! (Kuala Lumpur) Flatternde Hühner

"Senior Teksi Driver" steht auf der Visitenkarte, "I love Formula One" verrät die Stickerei auf dem Blouson: Ken Hong, registrierter Taxifahrer am Internationalen Flughafen von Kuala Lumpur, hat Benzin im Blut.
Von Hilke Maunder

Entschlossen will er nach meinem Koffer greifen, um mich als seine Kundin zu sichern. "You buy ticket, I wait." Ich verneine - auch wenn er mit dem schweren Gepäck wohl nicht weit kommen würde. So steht er neben mir, als ich 80 Malaysische Ringgit (rund 40 Mark) für den obligatorischen Taxi-Coupon auf den Tresen lege, und flüstert wiederholt: "Cash cheaper!" - bar wäre es billiger.

Der Einheitstarif gilt für die Standardroute in die Stadt: Vom Kuala Lumpur International Airport (KLIA) auf der mehrspurigen Schnellstraße vorbei an Palmenhainen zur inneren Ringstraße, und weiter zum Golden Triangle, dem boomenden Zentrum der Metropole. Fahrtdauer für die rund 60 Kilometer: eine Stunde. So steht es im Faltblatt.

Ken sieht darin eine tägliche Herausforderung. 110 Stundenkilometer sind maximal auf dem Highway gestattet, Radarkameras und Polizeistreifen allgegenwärtig. Doch der vielleicht 50-jährige Malaie ist sich sicher: Es geht auch schneller. "Me much faster! You see!"

An der einzigen Ampel weit und breit verlässt er die direkte Route, biegt auf eine Nebenstrecke ab. "What you work? What you name? What you do today?" Mir wird mulmig. Mitten im Nichts, das erste Mal in Malaysia. Das Handy hilft jetzt auch nicht viel weiter. Ken spürt meine Unruhe. "You nice girl. I show you Malaysia." Alle Überredungskünste helfen nichts. Ken ist wild entschlossen, Land und Leute mir in dieser Stunde nahe zu bringen.

Rot-gelbe Flaggen wehen im Wind. Riesige Trucks stehen rechts und links. Eine gigantische Tribüne erhebt sich in der Einöde, darüber dröhnt ohrenbetäubender Lärm. "Sepang!" Ich blicke ihn verständnislos an. Das inspiriert ihn: "Schumi! Schumi!" "Michael Schumacher?" - "Yes!!" Er strahlt. Am 22. Oktober wurde hier das letzte Rennen der Saison ausgetragen und Schumacher auf dem 5,5 Kilometer langen F1-Rundkurs Weltmeister. Jetzt wird Ken dieser ausländischen Journalistin beweisen, was in ihm steckt.

Er lässt den Motor aufheulen, drückt auf den Knopf seines Lieblingssender, und ein Wirrwarr aus Werbung, Präsentationen im Ami-Slang und Disco-Pop umhüllt uns. Sein Gesicht verschwindet hinter der großformatigen Sonnenbrille. Nur die tiefe, steile Falte in der Stirn zeugt von höchster Konzentration.

Mit Tempo hundert rast er an einfachen Hütten am Straßenrand vorbei. Hühner flattern auf; Frauen, die Kokosmatten flechten, werden in Staubwolken gehüllt. Ken schwebt selig über die Straße, ignoriert Schlaglöcher, Straßenschilder, knatternde Mopeds, wackelige Kleintransporter, Fußgänger. Zehn Minuten später sind wir wieder an der einzigen Ampel. Will er die Stunde Fahrzeit unterbieten, bleiben noch 30 Minuten.

Den Highway bewältigt er in 20 Minuten. Am Cityring: Stau. Wieder verlässt Ken die offizielle Strecke. Inzwischen habe ich vollstes Vertrauen. Er brettert über Baustellen, saust über Sandwege. Und schwärmt dabei voller Stolz von seinem Wagen. Eigentlich ein Modell von Mitsubishi, aber: Made in Malaysia - eben ein Proton, Jahrgang 84. "Like my son." Eine letzte Kurve, eine letzte Straße. Am Horizont leuchtet das Logo des Hotels. Nach 59 Minuten trifft Ken hart in die Bremse. Er dreht sich um, die Hände noch am Steuer: "See! Me faster than Schumi!"

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