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Iran-Reisebuch "They would rock": Ankunft mit Überraschungen

Foto: Rezaei

Iran-Reisetagebuch Erst das Kopftuch, dann das Frühstück

Das Abenteuer beginnt: Kurz vor der Landung in Shiraz staunt Helena Henneken über die Verwandlungskünste der Iranerinnen an Bord. Sahen die Frauen eben nicht noch ganz anders aus? Auch am Boden erlebt die Hamburgerin erste Überraschungen.

Tausend Eindrücke prasseln am Flughafen Istanbul auf mich ein. Ein Mix aus verschiedensten Kulturen, Menschen, Sprachen, Kleidern. Ein guter Ort, um mich zumindest gedanklich schon auf meine "Verkleidung" der nächsten Wochen einzustimmen: Hijab - die Kleidungsvorschrift für Frauen im Iran. Lange, weite Oberteile. Arme und Beine immer bedeckt. Kopftuch.

Ausgerechnet an meinem Abfluggate nach Shiraz ist davon allerdings nichts zu sehen. Kein einziges Kopftuch. Nur "westlich" gekleidete Frauen und Männer. Erst kurz vor Landung kramen die Iranerinnen ihre Kopftücher aus den Taschen, schwingen sie luftig um die Haare und ziehen ihre manteaus - lange Mäntel - über. Ich beobachte sie genau, mache es ihnen nach. Etwas unsicher und aufgeregt bin ich jetzt doch. Entspricht mein neues Outfit den iranischen Vorschriften? Darf ich so einreisen?

Meine Flugzeugbekanntschaft - eine Deutsch-Iranerin, die ihren Vater gleich zum ersten Mal seit vier Jahren wiedersehen wird, ist fast genauso aufgeregt wie ich. Sie nickt mir aufmunternd zu: "Sieht gut aus!" Also betrete ich das Land. Lächle. Lege am Einreiseschalter Pass und Visum vor. Nutze meine überschaubaren Farsi-Kenntnisse: "Salam!" Ein kritischer Blick, eine Frage des Grenzbeamten - und der Einreisestempel ist in meinem Pass. Das war's schon. Ich bin im Iran.

Der bestellte Hotel-Shuttle ist nicht da

Das Gepäck liegt bereit. Gespannt verlasse ich den Sicherheitsbereich. 3 Uhr morgens - ob jetzt wohl alles so problemlos weitergeht? Der bestellte Hotel-Shuttle tatsächlich auf mich wartet? Nein. Kein Shuttle-Fahrer weit und breit. Stattdessen viele Menschen, die auf die anderen Passagiere warten. Einige rufen "Welcome to Iran!" - und strahlen dabei mich an, eine Wildfremde, die gerade als Gast ihr Land betreten hat.

Neben mir liegt sich die Großfamilie meiner Flugzeugbekanntschaft unter Tränen in den Armen und feiert das lang ersehnte Wiedersehen. Die Wiedersehensfeier wird allerdings umgehend unterbrochen, als sie mitbekommen, dass mein Hotel-Shuttle nicht erschienen ist. "Welches Hotel?" Sofort rufen sie dort an, beschweren sich, kündigen meine Ankunft an. Dann inspizieren sie die Taxifahrer vor der Tür, bis schließlich einer gefunden ist, dem sie vertrauen und den sie für einen Gast für gut befinden: "Er bringt dich jetzt zum Hotel. Aber du bezahlst ihn auf keinen Fall. Das muss das Hotel machen. Wenn du Fragen hast oder Probleme auftauchen, ruf uns an. Und: Wie schön, dass du hier bist! Willkommen im Iran!"

Etwas durcheinander von der Reise und der Zeitumstellung von dreieinhalb Stunden wache ich am nächsten Morgen auf. Gespannt, wo ich überhaupt in der letzten Nacht gelandet bin, verlasse ich mein Hotelzimmer - doch: stopp! Erst das Kopftuch anlegen. Ja, auch zum Frühstück im Hotel. Genaugenommen immer, sobald sich die Hotelzimmertür öffnet. Zugegeben: ein komisches Gefühl. Aber ich hätte nicht hierher reisen sollen, wenn ich mich darüber aufregen wollen würde. Also los.

Im gemütlichen Innenhof erwarten mich eine große Kanne schwarzer Tee, ein Berg Fladenbrot, weißer Käse, Tomaten, Gurken, Karottenmarmelade - und sehr freundliche Menschen, die alle kein Englisch sprechen. Wir tauschen persische Begrüßungsfloskeln aus. Wo wohl die Person ist, die mir in den letzten Wochen die netten E-Mails auf Englisch und die Buchungsbestätigung geschickt hat? Ein Hotelangestellter kommt herbeigelaufen und hält mir sein Mobiltelefon ans Ohr: "Hello?" Freundlich begrüßt mich eine Männerstimme auf Englisch, fragt, wie es mir geht, was ich in Shiraz unternehmen möchte. Das muss er sein - wahrscheinlich der Hotelbesitzer. Er verspricht, in spätestens einer Stunde im Hotel zu sein.

Mr Rezaei ist immer zur Stelle

Ich bin gerade dabei, nach Deutschland zu mailen, dass ich gut gelandet bin - als der Hotelangestellte wieder herbeigelaufen kommt. Diesmal teilt er mir mit, dass mein Taxi jetzt da sei. "Taxi? No taxi." Ich habe kein Taxi bestellt. Und brauche auch keines. Er aber beharrt darauf: "Yes, yes, taxi!" Ich schüttle den Kopf. Er ebenso. Leicht verärgert verlässt er mich wieder. Um mir kurze Zeit später Mr. Rezaei vorzustellen: Taxifahrer und Touristen-Guide, ab jetzt zu meinen Diensten und sofort bereit, das Sightseeing-Programm zu starten. "Wir haben telefoniert, erinnerst Du dich?!"

Der vermeintliche Hotelbesitzer ist also ein Taxifahrer. Kleines Missverständnis - bebachschid! - trotzdem lehne ich sein Sightseeing-Angebot für den heutigen Tag ab: Ich muss erstmal ankommen, mich umgucken, Geld wechseln, eine Prepaid-Telefonkarte kaufen ... "Ich kann dir helfen!" Na gut. Dann eben doch ein Taxi. Aber nur für den Vormittag.

Fürs Erste. Denn aus dem Vormittag werden schließlich doch zwei volle Tage mit Mr. Rezaei: Mr. Rezaei als Taxifahrer, Einkaufsberater, Guide, Touristin-vor-Sehenswürdigkeiten-Fotograf und Englischkönner in einem. Zwei Tage, in denen er mir begeistert seine Heimatstadt Shiraz und Umgebung zeigt: Moscheen mit funkelnden Schreinen, Grabstätten der großen persischen Dichter Hafez und Sadi, an denen Schulklassen lebhaft Gedichte rezitieren, prachtvolle Gärten, uralte Felsengräber und schließlich die Krönung: Takht-e-Jamshid, die altpersische Residenzstadt Persepolis, deren Ruinen Unesco-Weltkulturerbe sind.

Stolz berichtet mir Mr. Rezaei von der Hochkultur des Iran beziehungsweise Persiens, in der es schon vor gut 2500 Jahren keine Sklaverei gab und die Menschenrechte sehr geachtet wurden. "Interessant! Damals ... Und wie sieht es hier heute mit der Achtung der Menschenrechte aus?" Diese Frage stelle ich mir - spreche sie aber nicht laut aus. Wahrscheinlich ist Mr. Rezaei nicht der passende Gesprächspartner für derlei politische Diskussionen. Außerdem ist dies erst mein zweiter Tag im Iran - und vielleicht sollte ich vor allem erst mal zuhören.

Der Text ist ein Auszug aus dem Buch "They would Rock", erschienen im Gudberg-Verlag ; 304 Seiten; 24,95 Euro. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erzählt Helena Henneken von ihren Erfahrungen in Iran.

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