Jordanien Sechs schaukelnde Stunden

Im Osten drohte eine Oase am Wasserdurst der Hauptstadt zu sterben. Im Süden sichert ein sozioökologisches Projekt die Zukunft einer einmaligen Wüstenlandschaft und ihrer Bewohner. Jordanien probiert sich in Sachen Ökotourismus.
Von Hilke Maunder

Roter Sand, unterbrochen von schmalen Steinklippen, erodierten Felsnadeln und mächtigen Steinkolossen aus Granit, die abrupt aufragen. "Gewaltig, widerhallend, göttlich, ein Prozessionsweg, unvorstellbar," - so überwältigt beschrieb T.E. Lawrence, besser bekannt als Abenteurer Lawrence von Arabien, um 1920 die Schönheit des Wadi Rum.

Heute gilt das weite Wüstental als Wegbereiter für nachhaltige Wirtschaftshilfe: Hier startete das erste Ökotourismus-Projekt Jordaniens. Bereits Ende der achtziger Jahre hatte die Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) 510 Quadratkilometer des 800 bis 1000 Meter "hohen Tals", so der arabische Name, zum Naturschutzgebiet erklärt. Es schützt Herden der vor Aussterben bedrohten arabischen Oryxgazelle sowie 8000 Jahre alte Fels- und Höhlenzeichnungen früher Wüstenstämme.

Mit einem Pilotprojekt bekamen auch die Beduinen, die sesshaft und arbeitslos gewordenen Söhne der Wüste, eine Perspektive. Unterstützt von der spanischen Fondacion Codespa initiierte hier der Jordanian Hashemite Fund for Human Development (JOHUD) 1995 das "Wadi Rum Ecotourism Project".

30 Männer und Frauen der Wüstenstämme Huweitat und Mzanah wurden zu Fahrern und Fremdenführern ausgebildet. Sie paukten auf Plastikstühlen im Community Centre Englisch und Ökologie, lernten im Crashkurs Grundregeln der PR und einfachstes Know-how des wirtschaftlichen Handelns.

Seit Anfang an dabei ist Ajed Mohammed. Während aus dem Lautsprecher eine arabische Frauenstimme unentwegt ihren "Habibie", ihren Liebling, besingt, steuert Ajed, 40, einhändig den Allradwagen steile Sanddünen hinunter, telefoniert mit dem Handy und lässt das Fahrzeug auf dem Sand der Dünen surfen. Am Nordhang des Jebel Khazali schaltet Ajed zurück, hält in einem Siq. Der Fels am Eingang der Schlucht ist mit Felszeichnungen übersät - alten thamudischen Inschriften.

Wenige hundert Meter entfernt warten Beduinen mit ihren Kamelen. Der kürzeste Trip dauert wenige Minuten; die Tour zur Felsenbrücke Fruth sechs schaukelnde Stunden. Auch ihre Touren sind integriert in das Öko-Projekt, "vernetzt" mit allen anderen Tourismus-Angeboten des Wadi Rum: Besuch im Beduinenzelt, Trekking und Klettern. Alle Einnahmen des Pilotprojektes werden reinvestiert den Ausbau der kommunalen Infrastruktur. Der Gewinn aus den Allradfahrten ermöglichte den Bau und Betrieb von zwei Kindergärten.

In Azraq, im Osten Jordaniens im Zentrum der Syrischen Wüste gelegen, brachte der Ausbau von Infrastruktur beinahe den Tod einer Oase. Jordaniens einziges Feuchtgebiet in einer Wüste, noch vor 30 Jahren Station von mehr als 350.000 Zugvögeln auf ihrem Flug von Europa nach Afrika, war 1993 nahezu verlandet. Der Wasserdurst der Hauptstadt Amman - 39 Millionen Kubikmeter jährlich - hatte der Oase den Lebensnerv abgegraben. Jedes vierte Glas Trinkwasser, das in Amman getrunken wurde, stammte aus dem Bassin von Azraq.

Der Wasserspiegel, einst an der Oberfläche, war zwölf Meter tief gesunken. Obgleich Jordanien bereits 1992 als erstes Land im Nahen Osten eine nationale Umweltstrategie mit 400 Aktionspunkten verabschiedet hatte, einigten sich die jordanische Regierung mit den Vereinten Nationen und der RSCN erst 1994 über die Rettung von Azraq. Das gemeinsame Ziel: zehn Prozent der einstigen Oase zu renaturieren.

Seitdem wird Wasser nicht mehr ab-, sondern zurückgepumpt: 1,5 Millionen Kubikmeter jährlich. Das zwölf Quadratkilometer große Azraq Wetland Reserve mit seinen vier Seen und zwei Quellen wirkt wie ein Dschungel in Gelb und Blau. Vier ausgewilderte Wasserbüffel halten das Wachstum des angepflanzten Schilfs in Schach. Ein Rundweg auf Holzstegen führt Besucher zum Beobachtungsstand, einer Hütte aus hellem Lehm, erbaut von Freiwilligen.

Ausgerüstet mit Ferngläsern, können Besucher von hier Reiher und andere Watvögel beobachten, ohne die Tiere zu stören. Mit ihren Schnäbeln picken 370 einheimische und 220 Zugvögelarten im glasklaren Wasser nach einem weltweit einzigartigen Winzling: dem "Killifish". Wer ihn vergeblich sucht, findet ihn seit Frühjahr 2000 im neu eröffneten Besucherzentrum: Als "Aphanius sirhani" schwimmt er im kleinen Aquarium neben der Kasse.

Informationen

Azraq:
Hinkommen: 110 Kilometer östlich von Amman, 40 Kilometer vor der saudi-arabischen Grenze. In anderthalb Autostunden ab Amman auf gut ausgebauter Schnellstraße zu erreichen.

Unterkunft:
Azraq Lodge, einfache Bungalows im einstigen Hospital der Britischen Armee, mit Metallbetten und karger Einrichtung bewusst im Stil der 20-er Jahre erhalten, betrieben von RSCN, Tel. + 962 5 3 83 50 17.
Azraq Resthouse, Shomali, 24 Zimmer mit eigenem Bad, Minibar, Fernseher, Klimaanlage. Landesbe-wertung: zwei Sterne. Tel. +962 6 5 68 10 42, Fax +962 6 5 68 10 28.
Al-Sayed-Hotel, Shomali, Tel.: +962 6 4 64 49 88


Wadi Rum:

Hinkommen: Auf der Wüstenstraße Desert Highway, die Amman mit Aqaba verbindet, 320 Kilometer gen Süden fahren. Schöner als die Schnellstraße: die alte Königsstraße King's Highway via Petra.

Unterkunft: Camping: auf dem Gelände des Wadi Rum Resthouses mit Restaurant und kleinem Shop.
Beduinen-Bett: Captain's Desert Camp, Disi, Wadi Rum, Tel. +962 3 2 01 69 05, Fax: +962 3 2 01 69 04, E-Mail: captains@firstnet.com.jo Wadi Rum Ecotourism Project, P.O. Box 14, Rashedia 71778, Tel.: +962 3 2 04 20 32, Fax: +962 3 2 04 20 31

Lesetipp: T.E. Lawrence, "Die sieben Säulen der Weisheit" (Originaltitel: "The Seven Pillars of Wisdom", 1936). München: dtv, 1997.


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