
Wandern auf karibischen Inseln Ins Blaue
Die Nacht ist schwarz um 2 Uhr morgens. Ein strammer Wind weht über die Blue Mountains von Jamaika, die blauen Berge. Meterhoher Bambus raschelt. Die Luft ist kühl, das Thermometer zeigt gerade mal sechs Grad Celsius an - und das in der sonnenverwöhnten Karibik. In der Dunkelheit sieht man die Hand vor Augen nicht. Geschweige denn, wo die Füße hintreten.
Zum Glück hat Johnny Taschenlampen mitgebracht. Der Wanderführer trägt einen gefütterten Parka. Seine Jacke, sagt er, hat er schon oft an leicht bekleidete Wanderer ausgeliehen, die nicht mit einer derartigen Kälte gerechnet hatten.
Johnny, ein Mann in den Fünfzigern, ist im Hauptberuf Wachmann auf einer Kaffeeplantage zu Füßen des Blue Mountain. An den Flanken des höchsten Bergs von Jamaika wächst einer der teuersten Wachmacher der Welt: der Blue Mountain Coffee.
Frühmorgens, vor Arbeitsbeginn, steigt Johnny mit Touristen auf den 2256 Meter hohen Blue Mountain Peak. Der Aufstieg vom Ausgangspunkt Abbey Green dauert rund vier Stunden. Schon die ersten 30 Minuten sind anstrengend: Die "Jacob's Ladder" ist ein extrem steiler und holpriger Anstieg.
Ein Guide ist empfehlenswert, denn die wenigen Wegmarkierungen sind in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Nach Sonnenaufgang sollte man nicht losgehen: In der Regel brennt die Sonne schon in den Vormittagsstunden unerbittlich. Ein kollabierender Kreislauf beim Abstieg ist daher die größte Gefahr am Blue Mountain Peak.
Nach einer knappen Stunde Aufstieg liegt einem das Lichtermeer von Kingston zu Füßen. "Nur wenige Jamaikaner wandern", sagt Johnny. Seine Hauptklientel sind Bergfans aus Europa, die sich ein exotisches Wandererlebnis gönnen wollen. Unter Vogelkundlern sind die Blue Mountains wohlbekannt - wegen der Artenvielfalt.

Auf dem Gipfel des Blue Mountain: Blaue Stunde
Foto: Martin CyrisBlaue Stunde auf Jamaikanisch
Das Bergpanorama lässt auf sich warten. Im dichten Morgennebel ist knapp unterhalb des Gipfels nur eine Schutzhütte zu erkennen. Die Szenerie erinnert an die schottischen Highlands. "Wenn du Pech hast, läufst du vier Stunden, und der Gipfel hüllt sich in Wolken", sagt Johnny.
Doch nicht an diesem Tag. Nach einer weiteren Viertelstunde ist der Gipfel erreicht. Wie auf Bestellung lockern die Wolken auf und geben den Blick frei. Auf den tiefblauen Ozean, auf einsame Buchten und Strände, auf Dörfer und verstreute Bauernhöfe und auf endlose Berghänge, die in der Morgensonne unwirklich blau schimmern. Blaue Stunde auf Jamaikanisch.
Mehr Informationen gibt es hier: Tourismuszentrale Jamaika, Nationalpark Blue Mountains, Hotel Forres Park (Vermittlung von Guides)
Guadeloupe: Aufstieg zur fauchenden alten Dame
Sie grollt, faucht und lässt mächtig Dampf ab. Nein, die alte Dame hat keine schlechte Laune. Wenn La Soufrière auf Guadeloupe grollt, zischt und aus allen Löchern pfeift, dann ist alles paletti. Der Vulkan, der im Volksmund "alte Dame" genannt wird, ist aktiv und gerade deshalb ein beliebtes Ziel für Wanderer.
Auf dem Gipfel kommt man dem heißen Atem unseres Planeten nahe. Aus mehr als 30 Löchern und Spalten quillt Schwefeldampf. Er vermischt sich mit den Wolken, die La Soufrière fast täglich einhüllen und für Abkühlung sorgen. Und für Nieselregen. Statistisch gesehen regnet es an 355 Tagen im Jahr.
Doch der leichte Regen tut gut, denn der Weg hinauf führt durch feucht-heiße Botanik. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Obwohl die Steigungen durchaus zivil sind. In knapp zwei sportlichen Stunden ist der Weg zu schaffen. Vorbei an sattgrünen Gummibäumen, riesigen Farnen und "Elefantenohren" - so werden überdimensionale Blätter genannt.

Vulkanwanderung auf Guadeloupe: La Soufrière lässt Dampf ab
Foto: Martin CyrisAuf die Ohren gibt es dann am Ziel: Die heißen Gase schießen unter großem Lärm aus dem Fels. Eine apokalyptische Szenerie, die übrigens fast nur von Touristen in Augenschein genommen wird. Die meisten Bewohner der Insel waren noch nie auf dem Soufrière. Zu Zeiten der Sklaverei machte man ihnen Angst vor der Wildnis und gefährlichen Tieren - um Fluchtversuche zu unterbinden.
Aus Achtung dieser Tradition erklimmen nur wenige Insulaner den Berg. Dabei ist das einzig Furchterregende das Fauchen und Grollen des Vulkans.
Mehr Informationen gibt es hier: Tourismuszentrale Guadeloupe. Die Wege sind gut ausgeschildert, kleinere Outdoor-Agenturen finden sich in Saint-Claude und Basse-Terre nahe La Soufrière, außerdem können Tagestouren in den größeren Hotels gebucht werden.
Kuba: Wandern im Revolutionsland
Das Escambray-Gebirge auf Kuba ist Revolutionsland. In der Sierra del Escambray kam es zu den ersten Aufständen, ein Hauptquartier der Rebellen befand sich in den Wäldern der schwer zugänglichen Bergkette.
Ganz unmartialisch geht es dort heutzutage zu. Wer die Hektik Havannas hinter sich lassen will, findet in der Abgeschiedenheit seine Ruhe - und viele verschlungene Pfade. Etwa am Stausee La Hanabanilla. Oder im dazugehörigen Nationalpark Topes de Collantes, wo Pferde noch immer das beliebteste Fortbewegungsmittel der Bauern sind.
Oder rund ums Kurhotel Escambray. Dieser stalinistisch anmutende Betonklotz heißt wirklich so und ist auf Naturmedizin und Hydrotherapien spezialisiert. Wanderer kommen ganz umsonst in den Genuss der heilenden Kraft der Natur und des Wassers.

Stausee La Hanabanilla: Verschlungene Pfade
Foto: Martin CyrisEiner der beliebtesten Wege führt zum Salto de Caburní, einem rund 60 Meter hohen Wasserfall. Die Route ist zwar nur drei Kilometer lang, aber eine echte Herausforderung. 400 Höhenmeter müssen in der Hitze bewältigt werden. Besonders in der Regenzeit sind die Pfade außerdem glitschig und matschig. Mit Flipflops kommt da niemand weit. Doch gerade zu dieser Zeit ist der Wasserfall am eindrucksvollsten.
Mehr Informationen gibt es hier: Tourismuszentrale Kuba
Puerto Rico: Sei kein Frosch
"Ko-kiii. Ko-kiii." Ein eigenartiger Klang begleitet Wanderer auf dem El Yunque Trail in Puerto Rico. "Ko-kiii. Ko-kiii." Ein Pfeifen, das sich nicht gleich zuordnen lässt: nicht Vogel, nicht Säugetier.
Es handelt sich um den Coquí, eine in den Tropen verbreitete Froschart. Aber einzig und allein auf Puerto Rico stimmt der Minifrosch diesen einzigartigen Laut an. Der Winzling sitzt in Scharen in den Baumstämmen des tropischen Regenwalds. Motto: je kleiner, desto lauter. Nach jedem Regenguss schwillt das Gequake zu einem ohrenbetäubenden Konzert an.
Wer sich bei zumeist schwüler Hitze auf den El Yunque Trail begibt, wird mit fast unberührter Natur belohnt. Über 200 Baumarten wachsen rundherum, davon zwei Dutzend nur auf Puerto Rico. Über 70 Orchideenarten gibt es.
Der El-Yunque-Nationalpark schaffte es vor ein paar Jahren immerhin in die Finalrunde bei der Wahl der "sieben neuen Weltwunder der Natur". Der Weg ist gut markiert und größtenteils befestigt. Was womöglich damit zu tun hat, dass Puerto Rico vor allem von Kreuzfahrttouristen aus den USA besucht wird.
Der Trail führt im letzten Abschnitt durch den Dwarf Forest, den Zwergenwald. Hier stehen mächtige Kapokbäume, an deren Stämmen kegelförmige Stacheln wachsen. Um den Stamm tanzen lustige Wichte - glaubt man den Erzählungen der Ureinwohner.

El-Yunque-Nationalpark: Das Pfeifen der Coquí
Foto: Puerto Rico Tourism CompanyDie höchste Stelle des Waldes, der El-Yunque-Gipfel, war bei den Taínos eine Kultstätte. Von dort überblickt man die atemberaubende Hügellandschaft und Luquillo Beach. Motivierte Wanderer laufen bis dorthin und können sich dort mit einer Alcapurria belohnen, einer frittierten Banane, gefüllt mit Meeresfrüchten und mit Käse überbacken.
Der Käse ist keine Importware, sondern stammt von puerto-ricanischen Kühen, die in den Ausläufern des El-Yunque-Nationalparks leben. Das Land hat seit wenigen Jahren eine eigene Käserei - eine von nur ganz wenigen in der Karibik.
Mehr Informationen gibt es hier: Tourismuszentrale Puerto Rico, El-Yunque-Nationalpark
Grenada: Kratersee mit Wasserfall-Ausflug
"Sage mir, wohin du willst, und ich zeige dir, wie du dorthin kommst." Das ist das Motto von Telfor Bedeau, der Wanderlegende von Grenada. Seit fast 50 Jahren marschiert der Mann kreuz und quer über die Insel und kennt fast jedes schöne Fleckchen.
Und davon gibt es auf der Antilleninsel unzählige. Etwa rund um den Grand Etang, einen Kratersee mit einer Handvoll Wanderrouten. Eine besonders schöne führt zu den Concorde-Wasserfällen. Ausgangspunkt ist das Grand-Etang-Besucherzentrum, wo Touristen von Guides wie Telfor Bedeau empfangen werden.
Außerdem von aufdringlichen Mona-Affen und kontaktfreudigen Gewürzfrauen. Sie verkaufen Ketten aus Zimtstangen, Nelken und Muskatnüssen. Grenada ist auch als SSSSpice Island, Gewürzinsel, bekannt.

Telfor Bedeau: Drei Stunden Marsch durch den Urwald
Foto: Rod RaycroftDie Böden im Inselinneren sind nicht nur äußerst fruchtbar, sondern auch häufig matschig. Festes Schuhwerk und eine gute Kondition sind daher unerlässlich. Meerblick entschädigt für die Strapazen. Wer durchhält, erreicht nach einem zwei- bis dreistündigen Urwaldmarsch einen kleinen Bach, der immer weiter anschwillt und schließlich in die Concorde Falls mündet.
Dort sind sie dann wieder, die Gewürzfrauen. Dieses Mal ohne Affen. Aber mit Ketten aus - genau - Zimtstangen, Nelken und Muskatnüssen.
Mehr Informationen gibt es hier: Tourismuszentrale Grenada (vermitteln vor Ort Kontakt zu Telfor Bedeau), Tourenbeschreibungen