
Karneval in Panama: Wasser marsch
Karneval in Panama Mach mich nass!
Wenn Carlos loslegt, bleibt kein Auge trocken. Keine Bluse und keine Frisur. Carlos, ein bulliger Typ mit kurzen schwarzen Haaren, dreht den Hahn an seiner Leitung auf. Mit der linken Hand hat er einen Schlauch fest im Griff. Er steht auf einem Tanklaster, randvoll gefüllt mit Wasser.
Keine Zehntelsekunde später schießt eine regenrohrdicke, meterlange Fontäne heraus und ergießt sich über eine Menschenmenge. Die Masse johlt und feixt. Aufgeheizt von Tänzerinnen im knappen Fummel und angeheizt von hämmernden Latin-Rhythmen. Pop-Sängerin Shakira schmettert aus den Boxen: "Loca, loca, loca".
Närrisch - das ist auch eine spezielle Tradition des Karnevals in Panama: das Bewässern der Besucher. Wer Handzeichen gibt, wird besonders lange besprüht. Dann halten Carlos und seine zwei Kollegen - jeder auf seinem eigenen Tanklaster stehend - extra feste drauf. Wenige Sekunden später sind wieder Dutzende Karnevalsbesucher nass bis auf die Haut. Sie schütteln sich kurz, reiben sich die Augen und tanzen weiter. Make-up und Fönfrisuren haben keine Chance.
Das Gießkannenprinzip ist eine Besonderheit im historischen Karneval von Panama, genannt wird es culeco. Neben Faschingsumzügen und Musikkonzerten sind die culecos während des Karnevals eigene, für sich stehende Events.
In manchen Karnevalshochburgen werden spezielle Flächen für die Wasserspiele ausgewiesen. In Panama-Stadt gleich mehrere. Auf einem Innenhof an der Cinta Costera, dem kilometerlangen Uferboulevard der Hauptstadt, parken mehrere Tanklaster, mit vielen tausend Litern Inhalt. Vier Stunden lang lassen sie es fast ununterbrochen regnen. Das Partyvolk befeuchtet unterdessen seine Kehlen mit Cocktails aus Zuckerrohrschnaps, dem sogenannten Seco. Verdünnt mit Milch, Orangen- oder Ananassaft. Übersetzt bedeutet der Name ausgerechnet "trocken".
Abkühlung der Menschenmassen
So genau weiß keiner, wann erstmals Besucher eingeweicht wurden. Ursprünglich ging es den Nassmachern vermutlich weniger um den Schabernack, sondern eher um die Abkühlung der Menschenmassen. Faschingszeit in Mittelamerika ist nicht nur die fünfte, sondern auch eine heiße Jahreszeit. Der Februar ist zwar der kälteste Monat, doch die durchschnittliche Temperatur in Panama-Stadt beträgt trotzdem weit über 20 Grad Celsius. Auch im Februar brennt die Mittagssonne unerbittlich vom Himmel. Die Nassmacher lassen es in der Regel zwischen 10 und 14 Uhr laufen.
Womöglich sollen die culecos auch so manches überhitzte Mütchen kühlen. Denn ähnlich wie bei den berühmten Feierlichkeiten von Rio, Trinidad oder New Orleans ist die Stimmung in Panama fast permanent am Siedepunkt. Ein kleines Land in großer Ekstase. Ob an der Küstenpromenade von Panama-Stadt oder in kleinen Dörfern im hügeligen Hinterland, es gibt mehrere Karnevalshochburgen.
Bekannt ist vor allem das heiße Treiben in Las Tablas. Dort finden ebenfalls culecos statt. Zum Karneval ist die Provinzhauptstadt in zwei Teile gespalten: die Calle Arriba und die Calle Abajo. Obere gegen untere Straße. Beide Lager rüsten enorm auf, um sich gegenseitig mit Straßenschmuck und Feuerwerkssalven zu übertrumpfen. Und natürlich durch die nassesten culecos. Es gewinnt, wer seine Besucher nasser als nass macht.
Der Karneval in Panama ist nicht weltberühmt wie der in Rio. Nicht derart sambatrunken und schillernd. Aber auch nicht ganz so selbstverliebt und daher sehr erlebbar. Die Straßenumzüge lassen die Besucher nicht nur Bauklötze staunen, sondern laden zum Mittanzen ein.
"Unser Karneval ist unvergleichlich", sagt Ernesto Orillac, Vizetourismusminister von Panama. Die Feiern hätten eine lange Tradition, die bis in die Kolonialzeiten zurückreicht. Auch seine Organisation dreht am Hahn: um den Karneval in Panama zu einem festen Event im globalen Terminkalender zu machen. "Wir basteln an einem klar definierten Produkt, an einer Marke", sagt Orillac. Noch kommen vergleichweise wenige ausländische Touristen. Aber die culecos sind für die Marketingstrategen ein willkommenes Alleinstellungsmerkmal. Und damit womöglich eine Trumpfkarte im Ringen um Touristenzahlen.
Trocken, aber doch sehr flüssig
Ein weiteres Argument ist die Sicherheit. Martialisch aussehende Sicherheitskräfte mit schusssicheren Westen und langen Schlagstöcken sind während des Karnevals sehr präsent. Der Aufmarsch soll seine Wirkung nicht verfehlen: "Ob Sie es glauben oder nicht", beteuert Orillac, "wir hatten im letzten Jahr keinen einzigen ernst zu nehmenden Vorfall."
Der Startschuss zum Karneval in Panama fiel wie jedes Jahr am Freitag vor Aschermittwoch. Erstes Highlight war die Krönungszeremonie der Karnevalskönigin. In einem lauten und pathetischen Bühnenspektakel wurde in diesem Jahr Estefania Mora zur Regentin gekürt. Sie darf ein Jahr lang ihr Land auf offiziellen Anlässen vertreten. Als erste Amtshandlung wackelte die Neue mit den Hüften, schwang eine schwarze Federboa und wischte sich buntes Konfetti aus dem Haar.
Noch bis einschließlich Dienstag wird das Land mit dem berühmten Kanal im Ausnahmezustand sein. Bis weit nach Mitternacht wird an der Cinta Costera in Panama-Stadt und den anderen Karnevalshochburgen täglich getanzt und getrunken. Und wer spät in der Nacht den Kanal immer noch nicht voll hat, der tanzt einfach weiter. In einem der vielen Clubs oder Tanzlokale. Dort gibt's zwar keine culecos, dafür reichlich Seco. Trocken, und dabei doch so flüssig.