
Fotoreise durch Kirgisistan: Das wilde Land der Pferde und Berge
Durchs wilde Kirgisien "Nur Berge, Pferde, der See und die Sterne"

Markus Huth (Jahrgang 1982) ist Chefredakteur von "Weltseher" , einem digitalen Magazin für Reportagen. Daneben arbeitet der studierte Archäologe und ausgebildete Nachrichtenredakteur als Autor und Fotograf für renommierte Print- und Online-Medien. Gerade lebt er im bulgarischen Plovdiv und schreibt ein Buch für den Random House Verlag.
SPIEGEL ONLINE: Herr Huth, was waren die Höhepunkte Ihrer dreiwöchigen Tour durch Kirgisien?
Huth: Auf jeden Fall das Terskej-Alatau-Gebirge: Da sieht es aus wie in der Schweiz, nur ohne die Zivilisation und Infrastruktur. Jeden Ausblick muss man sich durch viele Wanderstunden verdienen. Ein alter Mann namens Valentin beherbergt Backpacker in einer Hütte im Tal. Von dort kann man eine mehrstündige Wanderung oder einen kürzeren Ritt zum Bergsee Alaköl machen, der auf 3600 Meter Höhe liegt und selbst im Frühsommer noch gefroren ist. Ein atemberaubender Anblick!
SPIEGEL ONLINE: Noch ein paar schöne Tipps?
Huth: Ein mehrtägiger Ritt zum Bergsee Son-Kul. Dort gab es außer einer Nomadenfamilie , mir und meinem Reisebegleiter weit und breit keine Menschen. Auch einen Besuch des Dörfchens Arslanbob kann ich empfehlen, es ist das Tor zum größten natürlichen Walnussbaumwald der Welt.
SPIEGEL ONLINE: Die aktuellen Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes machen Urlaubern eine Reise nach Kirgisien nicht gerade schmackhaft. Gab es Situationen, in denen Sie sich unsicher gefühlt haben?
Huth: Diese Warnungen hatte ich vor der Reise auch gelesen. Deswegen war ich etwas beunruhigt, als wir im Sammeltaxi in Richtung Süden einen auffällig neugierigen Typen kennenlernten. Am Ende stellte sich heraus, dass die Sorge unbegründet war: Er war kein Terrorist, sondern nur sehr, sehr gastfreundlich. Wir sind ihn dann zwei Tage nicht mehr losgeworden, weil er sich für uns verantwortlich fühlte. Ansonsten gab es eigentlich keine Situation, in der ich mich nicht sicher fühlte.

Sammeltaxi in Kirgisien: Nicht immer das zuverlässigste Transportmittel
Foto: Markus HuthSPIEGEL ONLINE: Kirgisistan ist seit 2010 die einzige Demokratie in Zentralasien, zumindest an der Oberfläche. Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Gewalt gegen Frauen und Homosexuelle, Willkürjustiz und Folter gegen usbekische Häftlinge. Haben Sie während Ihrer Reise etwas von dieser instabilen politischen Situation mitbekommen?
Huth: Nein, aber ich habe mich schon vor der Reise mit der politischen Situation im Land beschäftigt. Vor Ort waren wir auch in der Deutschen Botschaft in der Hauptstadt Bischkek und haben uns informiert. Früher gab es im Dorf Arslanbob, einem unserer Reiseziele, Unruhen zwischen den kirgisischen und usbekischen Bevölkerungsgruppen. Wir sind in Bischkek auch an einem Anwesen vorbeigefahren, das dem Sohn des 2010 gestürzten Präsidenten Kurmanbek Bakijew gehörte. Heute ist es nur noch eine Ruine.
SPIEGEL ONLINE: Wie verhalten sich Kirgisen gegenüber Touristen?
Huth: Für viele Kirgisen sind Touristen aus dem Westen immer noch ein ungewöhnlicher Anblick. Sie waren sehr neugierig auf uns und wollten, dass uns nichts passiert und wir eine gute Zeit haben. Ein Mann, der in einem Hotel gearbeitet hat, dessen Zimmer uns nicht so gefallen haben, lief anschließend mit uns durch die Straßen, um uns zu helfen, etwas anderes zu finden. Ein Taxifahrer wollte uns spontan zur Fasanenjagd einladen und war sehr beleidigt, dass wir weiter mussten. Und als ich in einer Herberge mal kein Frühstück, sondern nur Kaffee wollte, stellte mir unsere Wirtin trotzig einen Teller mit Eiern und Brot auf den Tisch: "Du musst essen, sonst wirst du krank."
SPIEGEL ONLINE: Sie sind mit Pferden übers Hochland geritten und haben in Nomadenzelten übernachtet . Gab es etwas an dieser Tour, was Sie überrascht hat?
Huth: Ja. Wie gut diese Abgeschiedenheit tut. Kein Strom, kein Internet, kein Telefon. Man sitzt einfach den ganzen Tag auf dem Pferd und schaut in die Landschaft. Nach der Ankunft bei der Nomadenfamilie bekamen wir unsere Jurte zugewiesen, abends gab es Essen. Und das war's auch schon mit dem Programm.
SPIEGEL ONLINE: Klingt schön! Gab's auch am Tag danach Terminflaute?
Huth: Am nächsten Morgen habe ich mich gefragt: Was mach ich jetzt eigentlich bis Sonnenuntergang? Dann bin ich durch die Landschaft gewandert mit blumigen Wiesen und einem See, in dem sich schneebedeckte Berge spiegeln. Ab und zu läuft eine Herde Pferde vorbei. Das war schon irgendwie surreal.
SPIEGEL ONLINE: Welche Route sind Sie geritten?

Fest im Sattel: Ein 15-jähriger Touristenführer aus Kirgisien
Foto: Markus Huth
Huth: Die Route startete in der Nähe des Örtchens Kotschkor und führte zum Bergsee Son-Kul, dem zweitgrößten See in Kirgisien.
SPIEGEL ONLINE: Sind kirgisische Hochlandpferde schwer zu reiten?
Huth: Die Pferde waren nicht wild, sondern gehörten einer Familie, die regelmäßig solche Touren mit Touristen macht. Ich saß das erste Mal im Sattel. Aber im Prinzip liefen die Pferde gemütlich im Schritttempo auf Autopilot, sie kannten den Weg. Am letzten Tag hat unserer Führer ihnen mit der Peitsche auf den Hintern gehauen. Erst da haben wir gemerkt, dass die auch richtig rennen können.
SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie gar keine Probleme als Reitanfänger?
Huth: Mein Pferd war schon temperamentvoll. Wenn wir durch einen Bach mussten, hatte es die blöde Angewohnheit, mitten im Wasser stehen zu bleiben, zu trinken und dann in Fließrichtung weiterzulaufen. Einmal wäre ich dabei fast samt Kamera ins Wasser gefallen.
SPIEGEL ONLINE: Wie war es, in Jurten zu übernachten? Das wird ja auch ganz gerne romantisiert...
Huth: Eine Jurte ist im Prinzip nichts anderes als ein größeres, stabileres Zelt. Die Nomaden-Familie hatte mehrere nebeneinander aufgebaut, eines war nur für uns zwei Touristen und unseren Pferde-Führer. Sonst waren weit und breit keine Menschen - nur die Berge, die Pferde, der See und die Sterne. Ich fürchte, die Romantisierung war in diesem Fall zutreffend.