Last Exit Mae Sapok Der Elefantenflüsterer

Mae Sapok: Fußballspiel im Elefantencamp
Ach, Elephas maximus! Was waren das noch für Zeiten, gerade einmal etwas mehr als einhundert Jahre ist es her, als Ernst von Hesse-Wartegg, der Reisende aus dem Abendland, beeindruckt notieren konnte, "die ausgedehnten Urwälder und Dschungel am Menamstrom und seinen Nebenflüssen" wimmelten "von Elefanten, die in Herden bis zu mehreren Hunderten vorkommen", "neben den größten, mit gewaltigen Stoßzähnen bewaffneten grauen Elefanten" will der österreichische Reiseschriftsteller sogar "die berühmten weißen Elefanten" erblickt habe.
Er habe "kolossale Tiere" erspäht, berichtete der Geheime Hofrat 1899, schwärmte von "wilden Dickhäutern" und "königlichen Elefanten" und freute sich, wie gut es ihnen im Vergleich zu den Brüdern und Schwestern in Ostafrika oder Indien gehe - "weil die Buddhisten nicht nur das Leben der Elefanten, sondern überhaupt aller Tiere heilig halten". Rund 100.000 "kolossale Tiere" sollen damals Siam bevölkert haben, ein Land, das gerne "Reich des weißen Elefanten genannt wurde".
Und heute? Bonjour Tristesse! Weniger als dreitausend der "gewaltigen Tiere" sollen in Thailand noch in freier Wildbahn unterwegs sein und ungefähr genauso viele in Gefangenschaft: geknechtet, vermarktet, ausgebeutet. Eine geschundene Kreatur, die unter dem Gejohle aufgekratzter Touristen gegen Fußbälle treten und zu ohrenbetäubender Musik herumhampeln muss, schwitzende Fremdlinge durch die Gegend schleppt oder als Bettelelefant traurig übers Großstadtpflaster trottet. Kein Wunder, dass die Elefantenpopulation jedes Jahr um drei Prozent sinkt. In 14 Jahren, so die Prognose, gibt es in Thailand keine dieser stolzen Tiere mehr.
Elefantenführerschein als Marketinggag
"Das muss nicht sein", sagt Bodo Förster, 47. Der Deutsche ist in Thailand so etwas wie der Elefantenflüsterer, er lebt seit 2001 im Land, in einem Ort namens Mae Sapok, irgendwo im Norden, eine Autostunde von Chiang Mai entfernt; "am Ende der Welt", wie er sagt. Förster jedenfalls freut sich regelmäßig über Elefantennachwuchs, über "Kälber ohne Ende". Sieben Babyelefanten hat er schon in seiner Herde, das achte kommt bald. Daneben kümmert er sich um neun ausgewachsene Tiere. "Verwirklichung eines Traums" nennt er das, und Menschen wie sich nennt er "Elefantenleute".
Förster hat sich sein kleines Paradies geschaffen. Mitten im Wald, neben einem romantischen Wildbach, in den ein Wasserfall hinunterstürzt, errichtete er eines seiner beiden Elefantencamps. Hier leben die Mahouts, die Elefantenboys, und die Tiere können durch das Dickicht streifen. Und ein paar Kilometer entfernt steht Försters Lodge mit ihren drei Gästezimmern. Da bereitet Förster (Sandalen, blaue Schlabberhose, Pferdeschwanz und weißes T-Shirt) seine Touristen auf ihre heikle Mission vor.
Die Fremden, die meisten aus Deutschland, sollen bei Bodo Förster nämlich den Umgang mit den Rüsseltieren lernen. Tagsüber dürfen sie die Elefanten reiten, füttern, streicheln, führen, was des Tierliebhabers Herz begehrt - bis die zähesten unter ihnen dann den "Elefantenführerschein" mitnehmen dürfen. Der "Elefantenführerschein" ist Försters Marketinggag. Man bekommt ihn, wenn man das 14-Tage-Spezialprogramm mitmacht, es kostet 1650 Euro pro Person.
Försters Konzept, Tourismus mit Tierschutz zu verbinden, funktioniert hervorragend. Offensichtlich fühlt sich nicht nur "das Viehzeug" (Förster) wohl, auch die Gäste kommen wieder. 600 wissbegierige Gäste hat er bereits durch seine Camps geschleust. 20 Prozent seien Wiederholungstäter, sagt der Unternehmer ("Elephant Special Tours"), Arbeitgeber von mittlerweile 30 Mitarbeitern. Für den Dezember hat sich sogar eine 85-jährige Dame angekündigt. "Elefantenleute sind eben verrückt", sagt Förster und schließt sich selbstredend mit ein. Schließlich frönt er seiner Obsession seit mittlerweile bald 25 Jahren.
Emigration ins Land der Rüsseltiere
Alles begann 1985. Förster war damals 23, ein "angry young man", wie er selbst sagt, aber unglücklicherweise lebte er in einem Land, das sich im Würgegriff älterer Herren befand, die Polyesterhemden trugen und graue Anzüge und überhaupt keinen Sinn für zornige junge Männer hatten. Zwischen Bodo und der DDR bahnte sich ein ernstzunehmender Konflikt an, und wenn sich nicht ein wohlmeinender Freund eingeschaltet hätte, wäre es wohl übel ausgegangen für den Elefantenflüsterer in spe - für Bodo Förster aus Saalfeld in Thüringen.
Der Freund riet zu einer Lehre im Tierpark Friedrichsfelde in Ostberlin. Zur Emigration ins Land der Rüsseltiere. Abtauchen zwischen den grauen Riesen, Demut lernen, Gelassenheit üben. Für jemanden, der neben einem Vertreter aus der Familie der Elephantidae steht, bis zu drei Meter hoch und fünf Tonnen schwer, wird auch das Politbüro ganz klein - so das Kalkül. Und so kam es auch. "Bodo wurde zahm im Zoo", sagt Förster. Und er wurde ein Elefantenfreak.
Neun Jahre diente Bodo Förster in Friedrichsfelde den Elefanten. In der Zwischenzeit fiel die Mauer, der Genosse Erich Honecker türmte nach Chile, in den Supermärkten gab es Bananen satt. Und Förster machte sich auf den Trip nach Fernost, nach Thailand und Burma, Laos und Vietnam, das Handwerk der Mahouts zu erlernen, jener legendären Elefantenführer, die die Kunst beherrschen, die tonnenschweren Tiere nach Belieben zu lenken. Das wollte Förster auch. Und was sprach noch dagegen? Er konnte reisen, er war jetzt frei, es gab keine Grenzen, keine Hindernisse mehr auf dem Weg zur Erfüllung des großen Traums.
In Lampang, im Norden Thailands, ließ sich der Tierpfleger zum Mahout ausbilden. Und das just zu einer Zeit, da in Thailand eine jahrhundertealte Tradition zu Ende ging. Mit dem Verbots des Holzeinschlags Ende der achtziger Jahre, wurden auch die Arbeitselefanten überflüssig. Aus einer würdevollen Kreatur, die für schwere Arbeit benötigt und dementsprechend gepflegt wurde, wurde ein Zirkustier.
Es begann mit einer Kuh
Förster wurde Zeuge vom Niedergang des asiatischen Elefanten. Und da fasste er einen Entschluss. Er wollte in Thailand bleiben und seine eigene Elefantenlodge aufbauen. Er wollte den Menschen den Respekt vor dem Elefanten beibringen. Er wollte den Elefanten ein würdevolles Leben ermöglichen. Und natürlich wollte er auch von etwas leben.
Mit einem thailändischen Kompagnon baute er seine eigene Firma auf, Startkapital 5000 Euro. Irgendwann kaufte er seinen ersten eigenen Elefanten, die mittlerweile 50-jährige Kuh Mae Gaeo, und mietete einige andere Tiere mitsamt ihren Mahouts dazu. Dann kamen die ersten Kälber. Aus einem Camp wurden zwei. Gerade hat sich Förster seinen zweiten eigenen Elefanten zugelegt. Er sitzt jetzt inmitten einer ganzen Herde am nahen Wasserfall. Die Tiere prusten und tröten und spritzen mit Wasser, dass es eine rechte Freude ist.
Förster sieht glücklich aus. Er sagt: "Das hier ist mein Traum. "