
Literaturhotels: Wellness für den Kopf
Literaturhotels weltweit Ziemlich erlesen
Lesen ist Reisen auf den Flügeln der Fantasie. So heißt es. Und viele unternehmen diese Gedankenreisen am liebsten im Urlaub, wenn sie endlich Zeit zum Schmökern haben.
Natürlich geht das auch zu Hause, in jeder beliebigen Ferienwohnung oder in Hotelzimmern, egal wo. Den besonderen Kick für Vielleser bieten jedoch Literaturhotels, die es weltweit gibt. Dort ragen gefüllte Bücherregale bis zur Decke der Bibliothek, können Gäste ihr Zimmer nach ihrem Lieblingsautor auswählen, und Schriftsteller kommen zur Lesung vorbei - von Leseverdrossenheit nichts zu spüren.
In den Tiroler Bergen bei Kufstein dreht sich im Juffing Hotel & Spa alles um Literatur: In der Lounge befindet sich eine Bibliothek, die Zimmer sind verschiedenen Autoren gewidmet und mit deren wichtigsten Werken bestückt, auf Teppichen und an Flurwänden großflächig Zitate verewigt - und sogar im Spa-Bereich stehen gut gefüllte Bücherregale. An einigen Liegestühlen hängen sogar Tablet-Computer mit elektronischem Lesestoff.

Literaturhotels: Wellness für den Kopf
"Wir möchten den Wellnessbegriff auf unsere Art und Weise umsetzen", sagt Besitzerin Sonja Juffinger-Konzett zum Konzept des Vier-Sterne-Superior-Literaturhotels. Eben mit Literatur, einer Art "Wellness im Kopf". Dazu gehören auch die Interaktionen mit Austauschstipendiaten, die je 14 Tage im Hotel leben und anderen Gästen Einblicke in ihr schriftstellerisches Schaffen vermitteln, sowie regelmäßige Lesungen.
"Einem Literaten zuhören, ganz ohne Sinn und Druck, geistig in eine andere Welt abdriften - das tut mir gut, regt mich an, regt mich auf - und entspannt mich", sagt Juffinger-Konzett. An der Rezeption lassen sich iPods mit Hörbüchern aus der "Faulenzer-Bibliothek" ausleihen. Und beim "Zu Ende-lesen-Service" dürfen Gäste ein Buch, das sie während ihres Aufenthaltes nicht bis zum Schluss schaffen, nach Rücksprache mitnehmen und nach Beenden zurücksenden.
Comics im Stundenzimmer
Literaturhotels sind weltweite Bestseller - so auch in New York: Im Hotel The Library ist jedes Zimmer mit einem vollen Bücherregal ausgestattet. Wer beim Lesen nicht allein sein will, sucht sich ein Plätzchen im Reading Room oder im Poesiegarten in der 14. Etage. Am Spätnachmittag wird die Open-Air-Leseoase dann Teil der Bookmarks Lounge, einem beliebten Hotspot des New Yorker Nachtlebens. Konsumiert werden dann statt Romanen literarisch inspirierte Cocktails wie "Tequila Mockingbird", "Catcher in the Rye" oder "Dante's Inferno".
In Zürich reicht die Bibliothek des B2 Boutique Hotel + Spa bis zur Decke und fasst mehr als 33.000 teils antiquarische Werke: Sie befindet sich in einer ehemaligen Brauerei und ist gleichzeitig der Frühstücksraum des Hotels - eine großartige Lesekulisse unter XXL-Kronleuchtern aus grünen Original-Hürlimann-Bierflaschen. In Florenz ist die Büchersammlung des Il Salviatino in einer Villa aus dem 15. Jahrhundert untergebracht. Und der Taj Falaknuma Palace im indischen Hyderabad beherbergt 6000 seltene Exemplare englischsprachiger Handschriften und Bücher, die man sich in einen Extraleseraum bringen lassen kann.
Nicht nur Luxushotels haben ein Herz für Leseratten: So haben die Book-and-Bed-Tokyo -Hostels in Tokio, Kyoto und Fukuoka in jedem der kleinen Zimmer Regale mit jeder Menge Bücher (viele in Englisch) und japanischen Comics untergebracht. Ab vier Euro kann man sich sogar stundenweise einmieten, die ganze Nacht kostet dann etwa 40 Euro.
Deutschlands erstes Bücherhotel feiert 20-Jähriges
Warum aber so weit fliegen, wenn das Ziel sowieso die Fantasiewelt der Romane ist? In Deutschland gibt es viel Auswahl: etwa das Schloss Elmau in den oberbayerischen Bergen - dort hat der Philosoph und Bestsellerautor Johannes Müller eine Bibliothek zusammengestellt, und ein Buchladen versorgt die zum Teil eigens aus diesem Grund angereisten Gäste sieben Tage die Woche mit - wie es in der Eigenwerbung heißt - "food for thought". Auch Autoren wie Michael Ondaatje und Ian McEwan schauen mal für Lesungen vorbei.
Auch das Hotel Wedina in Hamburg ist inzwischen weithin bekannt. Seit 1999 arbeitet das modern gestaltete Haus, das genau genommen aus fünf Häusern besteht, eng mit dem nahe gelegenen Literaturhaus zusammen. So können Gäste kostenlos an den dortigen Lesungen teilnehmen. Und nahezu alle Dichter, die dort lesen, werden im Wedina untergebracht, darunter Stars wie der inzwischen verstorbene Henning Mankell, Margaret Atwood und Martin Walser.
Manche Schriftsteller lesen auch im Hotel selbst, etwa in der Eventreihe "Literaten im Hotel" oder beim 2015 etablierten "Lesefrühstück". Hierbei stellen Autoren aus dem deutschsprachigen Raum den Frühstücksgästen ihre Werke vor. Wer lieber selbst lesen will, der findet in der hauseigenen Bibliothek ausreichend Stoff.
Das Frühstück mit Autoren - nach deren Candlelight-Lesung am Vorabend - ist auch ein Highlight im 2008 eröffneten Literaturhotel Franzosenhohl im sauerländischen Iserlohn. Dazu gibt es Buchpartys, Schreibseminare wie etwa Workshops mit Krimiautoren und Hörspielwerkstätten. "Lesen, schreiben und entspannen - das Konzept kommt großartig an!", sagt Andrea Reichart, die für das Literaturprogramm zuständig ist.

Conny Brock vom Gutshotel Groß Breesen
Foto: Gutshotel Groß Breesen/ SRTConny Brock vom Gutshotel Groß Breesen in Mecklenburg-Vorpommern ließ sich vom walisischen Bücherdorf Hay-on-Wye inspirieren und hat den Gutshof 1998 in Deutschlands erstes Bücherhotel verwandelt. Die rund 500.000 zusammengetragenen Bücher stapeln sich an Wänden, in Regalen und Kisten. Lobby, Flure, Scheune, Keller, selbst das Restaurant ist gefüllt.
"Es sind nicht die großen Namen, die hier wichtig sind, sondern die Begegnungen und Gespräche", sagt Brock: Die BuchBar stellt, wie es heißt, die "fantastische Welt der anonymen Bookoholiker" dar, auch finden häufig Leseveranstaltungen statt - 2018 aufgrund des 20-jährigen Jubiläums besonders viele.