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Little Corn Island in Nicaragua: Zum Schnorcheln mit Elvis

Foto: Linus Geschke

Little Corn Island vor Nicaragua Eine Insel mit zwei Herbergen

Die Einwohner von Little Corn brauchen keine Nachnamen - bei 800 Einwohnern kennt eh jeder jeden. Auf der Insel vor Nicaragua gibt es nur zwei echte Hotels, hier lässt sich die Karibik noch erleben wie vor 50 Jahren.
Von Linus Geschke

Um Marrakesch richtig zu erleben, musste man in den Sechzigerjahren jung sein. Für Goa waren die Siebziger ideal, für Ibiza die Achtziger. Heute sind diese Ziele zu etwas geworden, bei dem man von älteren Reisenden nur noch hört, dass früher alles besser war, authentischer, freundlicher, weniger verdorben vom Massentourismus.

Auf Little Corn Island dagegen ist die gute, alte Zeit gerade erst angebrochen. Backpacker haben die Karibikinsel vor der Küste Nicaraguas für sich entdeckt; im "Lonely Planet" wird sie als Geheimtipp gehandelt.

Wer hierher kommt, hat meist eine Propellermaschine bestiegen, die von Managua nach Big Corn Island fliegt. Von dort hat er sich mit einem Boot übersetzen lassen, das zweimal täglich verkehrt. Die Passagiere müssen sich bei schlechtem Wetter eine Plastikplane über Kopf und Schultern halten, damit der Rumpf durch Regen und Spritzwasser nicht vollläuft.

Am Hafen, der lediglich aus einem ins Meer gebauten Pier besteht, verteilen sie sich dann auf kleine Hostels und karg eingerichtete Hütten, die in Strandnähe stehen. Es gibt keine Autos oder Motorräder auf Little Corn - die Schubkarre und der eigene Rücken sind das einzige Transportmittel fürs Gepäck.

Mangos liegen auf den Trampelpfaden, die durch das dschungelartige Innere des Eilands führen. Das Kreischen tropischer Vögel ist überall zu hören, und wer Hunger hat, bekommt für sechs Dollar einen Hummer angeboten: Die Krustentiere stellen die Haupteinnahmequelle der Einheimischen dar - neben dem Tourismus.

Haie, die Hunden gleichen

Für Elvis, einen lokalen Fischer, ist das Eintreffen der Neuankömmlinge immer einer der Höhepunkte des Tages. Dann bietet er seine Dienste an: Angeltouren oder Schnorchelausflüge zu den vorgelagerten Riffen.

"Kurz vor meiner Geburt hat meine Mutter ein Foto von Elvis Presley gesehen", erzählt der 53-Jährige. "Sie fand ihn so attraktiv, dass sie mich nach ihm benannt hat - dabei hatte sie ihn noch nie singen hören." Seinen Nachnamen dagegen hat er seit Jahren nicht benutzt: Wenn man auf einer Insel mit lediglich 800 Einwohnern lebt, genügt ein Vorname wie Elvis, damit jeder einen kennt.

Seit ein paar Jahren jedoch sind die Backpacker nicht mehr die einzigen Reisenden, die es auf das abgeschiedene Eiland rund 70 Kilometer vor der Küste Nicaraguas zieht. In letzter Zeit kommen auch immer mehr Taucher.

Ammenhai: Freundlich und neugierig

Ammenhai: Freundlich und neugierig

Foto: Martin Strmiska

Sie kommen, um an unberührten Riffen zu flösseln, an denen Stachelrochen und Ammenhaie zu den typischen Bewohnern gehören. Gerade die für den Menschen völlig harmlose Haifamilie zeigt dabei eine untypische Neugierde: Oftmals folgen die Fische den Tauchern unter Wasser wie junge Hunde. Im offenen Meer gleiten Adlerrochen in Verbänden von mehr als 50 Tieren vorbei, und wer ganz viel Glück hat, kann an der Ostküste sogar auf den weltweit selten gewordenen Großen Hammerhai stoßen.

Trotz dieser Unterwasserspektakel hat bislang nur ein einziger deutscher Tauchreiseveranstalter die Insel im Angebot, was auch an der begrenzten Bettenkapazität und den Unwägbarkeiten einer Südamerika-Reise liegt: "Wenn in Nicaragua etwas sicher ist", sagt Nautilus-Geschäftsführer Jan Thies, "dann höchstens, dass auf einer solchen Reise irgendetwas danebengeht - egal, wie gut man vorher geplant hat."

Alles bleibt, wie es ist - vorerst

Selbst in den beiden einzigen Hotels der Insel, die diesen Namen verdienen, wird nachts der Strom abgestellt und Werbung damit gemacht, warmes Wasser anbieten zu können. Weitere Neubauten sind nicht geplant, und Little Corn würde sie auch nicht vertragen: Die durch den Regen gespeisten Süßwasservorkommen reichen gerade, um Einheimische und Backpacker zu versorgen - ein Massenansturm an Pauschaltouristen könnte einen Kollaps des Ökosystems bedeuten.

Abends dann, wenn die untergehende Sonne das Meer zum Glühen bringt, finden sich Touristen und Einheimische entlang des einzigen befestigten Weges ein, der direkt am Pier liegt. Zwei größere Bars gibt es dort, dazu etliche Wellblechhütten, aus denen der unvermeidliche Bob-Marley-Reggae dudelt und in denen man eisgekühltes Bier serviert.

Am Strand davor verkaufen ein paar Hippies selbstgebastelten Schmuck oder versuchen sich als Feuerschlucker. Derek, ein Einheimischer mit Goldkette und Goldzahn, pfeift einer blonden Touristin hinterher. "Hola, Chica", ruft er - und überhaupt scheint er einer der wenigen zu sein, die sich noch mehr Touristen wünschen. "Vorausgesetzt natürlich, sie sind weiblich und haben Geld!"

Eine Zeitlang sah es so aus, als könnte sein Wunsch Wirklichkeit werden. Auf Big Corn, der rund zehn Kilometer entfernten und mehr als dreimal so großen Nachbarinsel, sollte vor Jahren ein internationaler Flughafen entstehen - Direktverbindungen in die USA inklusive. Mittlerweile ruht das Bauvorhaben, der Investor ist pleite. Gute Chancen also, dass auf Little Corn alles so bleibt, wie es ist - und die gute, alte Zeit noch ein wenig andauert.

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