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Freiburger Paar: Per Anhalter um die Welt

Foto: Patrick Allgaier / Gwen Weisser

Low-Budget-Weltreise "Beim Fliegen geht die Romantik der Distanz verloren"

Mit fünf Euro pro Tag und ohne Flugzeug um die halbe Welt - seit über zwei Jahren sind Gwen Weisser und Patrick Allgaier unterwegs. Hier erzählt das Paar von den schwierigsten Momenten und warum sie diese Form des Reisens glücklich macht.
Von Steve Przybilla
Zur Person
Foto: Patrick Allgaier / Gwen Weisser

Patrick Allgaier, 32, ist freier Kameramann und arbeitet unter anderem für den SWR. Gwen Weisser, 23, ist nach ihrem Abitur zur großen Weltreise aufgebrochen. Beide kommen aus Freiburg im Breisgau. In ihrem Blog Weitumdiewelt.de und in Kurzfilmen geben sie Einblicke in ihre Tour.Weitumdiewelt 

SPIEGEL ONLINE: Sie sind im März 2013 in Freiburg aufgebrochen - dann quer durch Asien gereist und weiter nach Amerika. Was war Ihr schlimmster kultureller Fehltritt?

Allgaier: Trampen in Iran! Bei uns streckt man den Daumen nach oben, um zu signalisieren, dass man mitgenommen werden möchte. In Iran bedeutet die Geste so etwas wie bei uns ein gestreckter Mittelfinger.

SPIEGEL ONLINE: Und was war Ihr spannendstes Erlebnis?

Allgaier: Mit dem Taxi durch Pakistan zu fahren. Wir haben lange gehadert, ob wir das machen sollen. Erst als wir in Iran waren, ist uns klar geworden, dass man ein Pakistan-Visum nur im Heimatland beantragen kann. Zum Glück hat jeder von uns zwei Pässe dabei, sodass wir einen davon an die pakistanische Botschaft in Deutschland schicken konnten.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist es, dort zu reisen?

Weisser: Bevor es losging, hatten wir Schiss. In dem Moment aber, als wir die Grenze überquert hatten und uns der pakistanische Zöllner mit einem Wahnsinnslächeln begrüßte, wussten wir, dass wir das Richtige taten. Die Leute haben sich sehr gefreut, und sich sogar teilweise dafür bedankt, dass Fremde in ihr Land kommen und sich für sie interessieren.

SPIEGEL ONLINE: Die Grenzregion gilt als Taliban-Hochburg, in der Europäer schon mehrfach verschleppt wurden…

Weisser: Ja, wir waren sehr angespannt. Einmal saßen wir im Taxi, als es plötzlich laut knallte. Wir haben uns an den Sitzen festgekrallt und gedacht: Jetzt hat jemand geschossen. In Wahrheit war nur der Reifen geplatzt.

SPIEGEL ONLINE: Wo befinden Sie sich jetzt gerade?

Weisser: In Santa Maria del Oro in Mexiko. Das ist ein ganz kleiner Ort im Mittleren Westen, ungefähr zwischen Tepic und Guadalajara.

Allgaier: Wir haben hier für zweieinhalb Monate ein Häuschen mit Garten gemietet. Unser Sohn Bruno ist hier Anfang Mai auf die Welt gekommen.

SPIEGEL ONLINE: Also ist die große Weltreise fürs Erste unterbrochen?

Allgaier: Nein. Wir haben uns einen alten VW-Bus gekauft und wenn das Auto will, ziehen wir bald nach Mittelamerika weiter: Guatemala, Honduras, Nicaragua.

Weisser: Unser Minibus ist gerade in der Werkstatt. Da gehen immer mal wieder Teile kaputt, und er überhitzt ständig. Das kriegen die Mechaniker aber hoffentlich wieder hin.

SPIEGEL ONLINE: Sie hatten sich vorgenommen, auf das Flugzeug zu verzichten - warum?

Allgaier: Nicht zu fliegen, ist für uns die Grundidee dieser Reisen. Mit dem Fliegen geht die Romantik der Distanz verloren. Das Gefühl für die Strecke. Wir haben zehn Monate nach Indien gebraucht statt zehn Stunden per Flugzeug. Zwischen den Ländern liegen Welten - oder eben auch nicht, wenn man den Direktflug bucht.

Weisser: Wir sind schon um mehr als die halbe Welt gereist und hatten nie Jetlag, haben uns immer langsam und natürlich an Klimaveränderungen, Vegetation, Essen und Kulturen gewöhnen können. Und selbst das geht uns manchmal noch zu schnell. Vielleicht wäre zu Fuß die intensivste und natürlichste Art zu reisen.

SPIEGEL ONLINE: Und wie klappt die langsame Fortbewegung?

Allgaier: Sehr gut. Anfangs wollten wir durch Europa trampen und ab Moskau die Transsibirische Eisenbahn Richtung Kasachstan nehmen. Dann aber hat das Trampen auch in Russland, Zentralasien, im Kaukasus, in Iran und sogar in Pakistan so gut funktioniert, dass wir bis Indien durchgetrampt sind.

SPIEGEL ONLINE: Wie wird Ihr Sohn Ihr Unterwegssein verändern?

Weisser: Eigentlich ändert sich alles. Aber wir versuchen, unsere Art zu reisen beizubehalten: relativ spontan, Kontakt zu Einheimischen, keine Hotels. Aber ohne Auto geht es nun nicht mehr. Wir können uns vorstellen, noch ein Jahr unterwegs zu sein.

Allgaier: Vorher konnten wir auch mal bis Mitternacht trampen. Jetzt brauchen wir für Bruno einen geregelten Tagesablauf.

SPIEGEL ONLINE: Sie hatten sich vorgenommen, nicht mehr als fünf Euro pro Tag auszugeben. Hat das bisher funktioniert?

Weisser: Fünf Euro pro Person - das muss man fairerweise sagen. Die ersten anderthalb Jahre bis Tokio haben wir im Schnitt sogar weniger gebraucht. Mittlerweile sehen wir das nicht mehr ganz so eng.

SPIEGEL ONLINE: Wie finanzieren Sie Ihre Reise?

Allgaier: Wir hatten vorher gespart. Wenn man in Deutschland ranklotzt und bereit ist, auf bestimmte Dinge zu verzichten, kann man in kurzer Zeit genug Geld verdienen. Oft arbeiten wir unterwegs auch für Kost und Logis.

Weisser: Ich hatte innerhalb von acht Monaten mein komplettes Reisebudget zusammen. Bis jetzt haben wir oft sogar deutlich weniger als fünf Euro am Tag ausgegeben. Richtig ins Geld ging nur unsere erste Fahrt mit dem Containerschiff, von Tokio nach Mexiko über den Pazifik.

SPIEGEL ONLINE: Sie drehen Dokumentarfilme über Einheimische , zuletzt über die Mutter eines behinderten Jungen in Mexiko. Mit welchem Konzept?

Allgaier: Die Porträtidee haben wir am Anfang der Reise entwickelt, weil wir nicht nur über uns und unsere subjektiven Eindrücke berichten wollten. Für ein Porträt filmen wir nur an einem Tag - von morgens bis abends -, und das ist eine sehr besondere und intensive Erfahrung.

Weisser: Von Zeit zu Zeit suchen wir jemanden und fragen, ob wir einen beliebigen Tag seines Lebens dokumentieren dürfen. Während des Drehs nehmen wir keinen Einfluss, machen weder Ansagen noch Vorschläge, wir schauen lediglich mit der Kamera zu. Wenn nichts passiert, dann passiert eben nichts. So ist eben manchmal Alltag.

SPIEGEL ONLINE: Zwei Jahre unterwegs  - hat sich Ihre Sicht auf die Welt verändert?

Allgaier: Wenn man selbst vor Ort ist, löst die Erfahrung die Phantasie ab. Das kann manchmal ernüchternd sein, zum Beispiel wenn die Hochglanzfotos aus dem Internet dem Original seine Überraschung nehmen. Aber es kann auch umgekehrt sein: Gerade in Gegenden, die als gefährlich gelten, haben wir eine wunderbare Offenheit und Gastfreundschaft kennen gelernt.

SPIEGEL ONLINE: Wie stellen Sie sich die erste Zeit zu Hause vor?

Weisser: Hoffentlich kehrt nicht so schnell der Alltag ein. Wir werden eine ganze Weile damit beschäftigt sein, unseren Film zu schneiden und damit auf Tour zu gehen. Und eigentlich träumen wir wie jede Familie von einem kleinen Haus mit Garten. Aber wer weiß, vielleicht packt uns nach ein paar Monaten schon wieder das Fernweh.

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