
Mit Baby durch Malaysia "Wir sind nicht so perfekt wie zu Hause"
Kuala Lumpur - Schlappen liegen verstreut auf dem Kunstrasen vor unserer Herberge. Sie sind bunt, aus Gummi, und es ist schade, dass sie nicht sprechen können. Sie gehören Getriebenen und Gestrandeten: einem iranischen Teppichhändler, der keine Wohnung hat. Einem pensionierten Franzosen, der weibliche Reisebekanntschaften sammelt wie Sportabzeichen. Einer philippinischen Mutter und ihrer kleinen Tochter, die oft weint. Ein Schönling aus Bangladesch wankt jeden Vormittag verschlafen aus einem der Herbergszimmer, putzt die Bäder, macht die Betten und palavert bis Mitternacht mit den neuen Gästen aus Indien.
Auch wir haben bunte Gummischlappen, wir wohnen in Zimmer 1-5, auf einer Matratze, mehr passt nicht hinein. Macht nichts. Es gibt kein Bett, von dem unser Sohn Tom fallen könnte, und die Ritze zwischen Matratze und Wand ist gerade groß genug, dass er bequem darin sitzen kann. Die Rucksäcke stapeln sich am Fußende. Die Wäsche hängt an Kleiderbügeln hinter der Tür. Irgendwie geht's immer, mit Kind, auf Reisen - sogar mit Kind auf Reisen.
Seit Tom Brei isst, haben wir das Improvisieren weiter perfektioniert. Wir können jetzt Gemüse kochen ohne Topf und pürieren ohne Passierstab. Im ersten Stock der Herberge steht ein Reiskocher, in dem der Schönling aus Bangladesch sein Mittagessen zubereitet. Kocht doch darin eure Kürbisschnitze, sagt die Frau, die an der Rezeption arbeitet und die alle hier nur Auntie - Tante - nennen. Es funktioniert. Danach drücken wir das Gemüse durch eine große Knoblauchpresse, die wir im Supermarkt gefunden haben.
Wir sind nicht so perfekt wie zu Hause
Auch in Kuala Lumpur haben wir so etwas wie Alltag: Frühstück holen wir bei dem Inder, der unter dem riesigen Banyan-Baum vor unserem Fenster eine Bude aufgebaut hat, in der er Rotis brät, südindische Pfannkuchen. Danach gehen wir in einem der Läden jenseits des Kneipenviertels Gemüse für den Mittagsbrei und Bananen für Toms Abendessen kaufen. Dort haben wir auch Haferflocken entdeckt, die man nicht zu kochen braucht, um sie in Haferschleim zu verwandeln. Die zuckerfreien Reisflocken, den Couscous und das Milchpulver ohne Zusätze gab es in einem der Einkaufszentren in Malaysias schicker Hauptstadt.
Wir wissen nun, dass wir Toms Spucktuch, das auch als Lätzchen fungiert, doppelt auswaschen müssen. Denn das Spucktuch ist auch sein Kopftuch und in seinen ersten Beikosttagen hatte Tom hin und wieder ein paar trockene Haferflocken auf dem Kopf. Wir wissen auch, dass wir nicht mehr wie Vampire von Schattenfleck zu Schattenfleck hüpfen brauchen, wenn wir tagsüber draußen sind. Ich spanne einfach den Regenschirm über uns auf. Das habe ich mir bei den vielen chinesischen Frauen abgeschaut, die stolz auf ihre blasse Haut sind.
Wir sind nicht so perfekt wie zu Hause. Tom trägt Schlafanzüge, weil das oft die einzigen langen und leichten Sachen sind, die wir hier für Kinder finden. Er badet in Putzeimern und Spülwannen, die wir ausgewaschen haben. Unser Falteimer klappt so unpraktisch zusammen, wenn Tom sich auf den Rand stützt. Einmal haben wir Möhrenstücke in einem Mörser zermanscht, an dem noch etwas Kurkuma klebte. Tom hat das Gesicht verzogen und den Brei trotzdem gegessen. Seit uns eine malaysische Mutter erzählt hat, dass sie ihrem Sohn als erste Kost ein hartgekochtes Ei gefüttert hat, sehen wir das mit dem deutschen Musterspeiseplan für Babys sowieso nicht mehr so eng.
Eine Süßkartoffel gibt die Sightseeing-Route vor
Nach Kuala Lumpur kommt Malakka. Die historische Hafenstadt, einst begehrt von chinesischen, britischen, holländischen und portugiesischen Händlern, birgt einen unglaublichen Schatz: eine Waschmaschine! Wir bleiben zehn Tage - und spazieren jeden Abend durch eine Straße gesäumt von Papierlampions, die die Holzläden und Torbögen der chinesischen Läden in einen roten Schein tauchen. Zwei Großväter in Unterhemden lassen den Tag vor einem Café ausklingen, neben ihnen döst ein braun gelockter Pudel. Vom Minarett zwei Straßen weiter ruft der Muezzin zum Gebet.
Von den vielen Museen, für die die Stadt auch bekannt ist, besuchen wir keines. Den Spaziergang über die hübsche Uferpromenade schaffen wir auch nicht. Dafür lernen wir auf der Suche nach Süßkartoffeln ein ganzes Viertel kennen. Die indischen Kellner im Restaurant mit den besten Babystühlen begrüßen Marcel mit Schulterklopfen. Und als wir weiterziehen, steht Toms malaysische Ersatzoma aus der Pension am Straßenrand und winkt. Wir sind nicht perfekt, aber wen stört's?
P.S.: Windeln und Feuchttücher gibt es tatsächlich überall.