
Djamaa al-Fna: Marrakeschs Marktspektakel
Gauklerplatz in Marrakesch Orientalische Melange
Mouha Said kennt sie alle, die deutschen Köche: Alfons Schuhbeck, Alfred Biolek, Tim Mälzer. "Lecker, lecker. Treten Sie herein", sagt der 43-Jährige. Rauchschwaden liegen über dem Platz. Die Sonne ist gerade hinter den Minaretten untergegangen. Es riecht nach Holzkohle und gegrilltem Lammfleisch. "Tajine, Couscous, marokkanischer Salat. Alles kein Problem. Bei mir haben Sie drei Jahre Garantie auf den Magen."
Said grinst, als ob es keinen anderen Gastwirt auf dem Platz außer ihm gäbe. Ein Kellner stimmt zum Dank für die Besucher "That's the way I like it" an. Die anderen singen mit. Augenblicke später stehen mehrere dampfende Tajine-Töpfe auf dem Tisch.
Wenn die Sonne hinter dem Djamaa al-Fna untergeht, die Hitze des Tages verflogen ist, dann liegt eine elektrisierende Spannung auf dem Platz. Tausende Menschen schieben sich zwischen den Essensständen hindurch. Das monotone Geflöte der Schlangenbeschwörer, die Musikwolken der Gnoua-Orchester und der Geruch der Garküchen verdichten sich zu einer orientalischen Melange.
Wunderheiler, Wahrsagerinnen, Zahnzieher und Feuerschlucker: Sie alle suchen offene Augen, Ohren, Kameras. Das, was sich jeden Abend auf dem Djamaa al-Fna im Herzen von Marrakesch abspielt ist Theater und Schauspiel, großartige Inszenierung und Touristennepp zugleich.
Leben am Platz der Toten
Als Station für Karawanen und Händler war der Djamaa al-Fna schon im Mittelalter bekannt. Hier trafen sich Araber, Berber und Schwarzafrikaner, hierhin zogen die sagenumwobenen Karawanen aus dem Sahel. Salz, Seide, Gold, Elfenbein, Leder und Gewürze wechselten auf dem Platz den Besitzer. Zur Zeit der Almohaden wurden hier auch Hinrichtungen vorgenommen und die abgeschlagenen Köpfe ausgestellt. Djamaa al-Fna bedeutet übersetzt "Versammlung der Toten". Doch eigentlich war der Platz immer vor allem eins: ein äußerst lebendiger Ort des Handels. Das ist bis heute so.
Überall türmen sich die Waren. Feine Tücher aus Seide, Berberteppiche und Dschellabas aus Schurwolle. Manche Dinge werden zu völlig überteuerten Preisen feilgeboten, manches lässt Touristen staunen: Innereien, abgetrennte Schafsköpfe, lebendige Warane und Schildkröten. Seit 2001 gehört der Platz zum immateriellen Welterbe der Unesco.

Marrakesch: Souks, Shopping und Storchennester
Der Djamaa al-Fna hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigenen Gezeiten. Ebbe und Flut. Morgens ist die Fläche noch leer. Die Straßenreiniger säubern den Boden von den Überresten des Vorabends. Der Platz liegt beinahe nackt da. Das ist die Stunde der Orangensaftverkäufer: Mit ausgebreiteten Armen winken sie Passanten an ihre Stände.
Gegen Mittag schlägt die Stunde der Händler. "Guter Preis, schauen Sie rein", sagt ein Schuhverkäufer in perfektem Deutsch. Mit "natürlichem Viagra" wirbt einer der Gewürzverkäufer. Die Energie des Platzes staut sich auf, bis die Stunde des Sonnenuntergangs gekommen ist. Dann platzt der Djamaa al-Fna aus allen Nähten.
"Es ist die Vision des Königs, Marrakesch upzugraden"
Marrakesch ist die Boomtown des Landes. Nirgendwo sonst wird so viel gebaut wie hier. Nahezu jeden Monat eröffnet ein Hotel der Luxuskategorie: Les Jardins de la Koutoubia, Taj Palace Marrakech und Royal Mansour, um nur einige zu nennen.
Vor allem Letzteres setzt Maßstäbe. Das Hotel des Königs von Marokko wurde 2010 eröffnet. Das 35.000 Quadratmeter große Areal, das teilweise in die Stadtmauer integriert wurde, verfügt über 53 Riads, also typisch marokkanische Häuser mit Innenhof. "Es ist die Vision des Königs, Marrakesch upzugraden", sagt Kenza Zizi, Marketingmanager der exklusiven Unterkunft. Angesichts von Preisen ab mehreren tausend Euro pro Nacht scheint ihm das gelungen zu sein.
Von Beträgen wie diesen kann Mouha Said nur träumen. Er verdient gerade genug, um seine Familie zu ernähren. Schon als kleiner Junge stand er auf dem Platz, mittlerweile hat er seinen eigenen Stand. Seinen schlimmsten Moment erlebte er im April 2011. Damals ging im Café Argana direkt am Djamaa al-Fna eine Bombe in die Luft. "Sie explodierte kaum hundert Meter hinter uns", sagt Said. "Doch keiner unserer Mitarbeiter wurde verletzt."
Im ersten Moment dachte er, es handele sich um eine Gasexplosion. Die Panik war groß, alle liefen davon. Aber am nächsten Tag standen er und seine Mitarbeiter wieder auf dem Platz, um zu arbeiten. "Erst Tage später erfuhren wir, dass es ein Terroranschlag war und 17 Menschen starben." Die ersten Monate danach blieben die Touristen aus. Mittlerweile hat sich das Geschäft erholt, es boomt regelrecht. "Wir profitieren von der Krise in Ägypten und Tunesien", sagt Said.
Erst gegen zehn Uhr abends flaut der Besucherstrom langsam ab, gegen Mitternacht bauen die Ersten ihre Stände ab. Ein paar versprengte Flaneure machen letzte Fotos. Das hypnotische Flöten der Schlangenbeschwörer und die Trommeln der Gnoua-Musiker hallen jedoch noch eine ganze Weile nach.