Matjiesfontain - Südafrika Oase im Nichts

240 Kilometer nördlich von Kapstadt liegt mitten in der Halbwüste Karoo der Ort Matjiesfontain. Fast unwirklich, wie eine Fata Morgana, erhebt sich hier ein viktorianisches Idyll zwischen staubigem Gras, flimmerndem Asphalt und schwarzen Bergen.
Von Hilke Maunder

Ein junger Schotte verhalf der abgelegenen Ortschaft zu legendärem Ruf: James Douglas Logan. Mit 17 Jahren beschloss der gelernte Buchhalter, das Büroleben aufzugeben und Matrose zu werden. Zwei Jahre später strandete er mit dem Schoner "Rockhampton" in der Simon's Bay von Kapstadt - einzig eine Fünf-Pfund-Note in der Tasche.

Logan erhielt einen Job bei der neuen Eisenbahnlinie Cape Colonial Railways und siedelte 1883 nach Matjiesfontain über, einer bis dato kleinen Bahnstation, an der die Dampflok ihren Kühlwasservorrat auffüllte. Der Schotte, gerade 22 Jahre alt, entschloss sich, die "Stadt" aufzukaufen und in einen privaten Kurort zu verwandeln. Die trockene warme Luft, das hatte er durch das Leiden seiner Frau bei mehreren Reisen erfahren, war für Lungenkranke ideal.

Schon bald entwickelte sich Matjiesfontain zu einer begehrten Oase für betuchte und prominente Persönlichkeiten. Cecil Rhodes, der Sultan von Sansibar und der Vater von Winston Churchill verbrachten in Matjiesfontain so manchen Monat; Schriftsteller wie Edgar Wallace und Olive Schreiner kamen immer wieder nach Matjiesfontain zurück. Britische Aristokraten und Politiker der Kap-Kolonie kamen zur Kur in Karoo - bis der Burenkrieg dem florierenden Ferienort ein jähes Ende bereitete: Der Kurort wurde Kaserne.

Als James Logan 1920 mit 63 Jahren starb, war Matjiesfontain nahezu vergessen, eine Geisterstadt in der weiten Wüste, preisgegeben dem Verfall. Doch die trockene Luft konservierte die Bauten aus der britischen Kolonialzeit. 1968 kaufte David Rawdon das gesamte Ensemble und begann die Restaurierung des Ortes, die bis heute andauert. Bereits zwei Jahre später, am 1. November 1970, öffnete das Hotel Milner, umbenannt als Hotel Lord Milner, als erste Herberge zunächst 14, dann 37 originalgetreu eingerichtete Zimmer für Gäste.

Künftig will das Nest, seit 1975 als National Monument staatlich geschützt, bis zu 70 Betten in allen Kategorien bieten können. So wurden die Versammlungsräume der Freimaurerloge und die Zellen der alten Polizeistation zu geräumigen Zimmern mit Bad umgerüstet, das ehemalige Gericht zum Motel. Im viktorianischen Pub "Laird Arms" fließen wieder Ale, Stout und Draught Beer aus den historischen Zapfhähnen. Alte Stiche zeigen James Logan als passionierten Kricketspieler. Über der Verbindungstür zum Lord Milner Hotel blickt Queen Victoria mißbilligend auf die Zecher herab. Am klapprigen Klavier schlägt der schwarze Barmann Boogie-Woogie-Klänge an.

Der Kaufmannsladen, Logans einstiger General Store, serviert heute als gemütliches Coffee House hausgemachte Kuchen und kleine Gerichte; "Jimmy's Tavern" afrikanische Klassiker wie Steaks vom Springbock oder Strauß in rustikalem Ambiente.

Kommunikationstreff der wenigen "echten" Einwohner von Matjiesfontain, zu den Major John Buist, letzter lebender Enkel des "Stadtgründer" Logan gehört, ist das alte Postamt. Im fahlen Licht einer alten Leuchte verkauft eine ältere Frau aus dem 60 Kilometer entfernten Nachbarort neben Briefmarken, was sonst so alles gebraucht wird: Billets für die Bahn, Souvenirs und südafrikanische Weine.

Ab Mittag herrscht Hochbetrieb auf der einzigen Straße der Stadt. 300 Meter misst die Logan Street, die eher einem großen Platz mit zwei ausgestreckten Armen in L-Form ähnelt. Bei der einstündigen "Stadtrundfahrt" in dem uralten, aber echten Londoner Doppeldecker-Bus sind sämtliche Sitzplätze ausgebucht.

Als "Juwel in der Wüste" ist Matjiesfontain fester Stopp bei Ausflugsfahrten durch die Karoo. Mehrmals pro Woche macht der nostalgische Blue Train in Matjiesfontain Station. Die Abfertigung verläuft vollautomatisch - der "neue" Bahnhof, im Dezember 1890 eröffnet, beherbergt heute das Konferenzzentrum und den Museumskomplex.

Ein Stück Eisenbahngeschichte wird im Transnet Museum lebendig. Es liegt gleich neben dem alten Stellwerk, wo einst die Weichen per Hand umgelegt wurden. Mit dem Marie Rawdon Museum hat zudem eine der größten Privatsammlungen des Landes, die öffentlich zugänglich ist, im Bahnhof von Matjiesfontain ihre Heimat gefunden.

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