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Fotosafari im Tschad: Schlafen unter Sternen

Foto: Michael Martin

Fotosafari im Tschad Schlucht der Kamele

Die größte Wüste der Welt ist fast unzugänglich - aus Sicherheitsgründen. Lediglich im lange Zeit instabilen Tschad sind ausgedehnte Sahara-Expeditionen möglich. Fotograf Michael Martin reist zu Nomaden, Felsbögen und Krokodilen.

Sahara-Liebhaber haben es derzeit nicht einfach, sind doch die klassischen Regionen der größten Trockenwüste der Welt aus Sicherheitsgründen nicht bereisbar.

In Mali, Mauretanien und Niger machen islamistische Terrorgruppen die Sahara unsicher. In Algerien riegeln die Behörden den "Grand Sud" weitgehend ab, in Libyen verhindert die unsichere innenpolitische Lage Trips ins Outback, und in Ägypten untersagen die Behörden die interessantesten Routen. Marokko und Tunesien sind zwar sicher, besitzen aber nur einen winzigen Teil der Sahara.

Wer hätte je gedacht, dass der über Jahrzehnte instabile Tschad heute das einzige Land ist, in dem wochenlange Reisen in unberührten Sahara-Landschaften möglich sind. Auch die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes lassen Reisen in den Nordtschad möglich erscheinen.

Trotzdem spüre ich eine gewisse Anspannung, als der Airbus der Air France zum Landeanflug auf N'Djamena, die Hauptstadt des Tschad, ansetzt. Neben mir sitzen meine Freundin Elfriede Fischer und mein langjähriger Reisepartner Jörg Reuther, mit dem ich schon viel für mein neues Fotoprojekt fotografiert habe. Es vergleicht Polarwüsten mit Trockenwüsten - und da durfte die Zentralsahara nicht fehlen.

In unserem Hotel weckt uns am nächsten Morgen ein extrem lautes Donnern und Fauchen. Bürgerkrieg? Ich blicke aus dem Fenster und sehe einen startenden Mirage-Kampfjet. Die französische Armee hat N'Djamena zur Basis ihrer militärischen Operationen in der Zentralafrikanischen Republik und in Mali gemacht.

Dies ist sicher ein Grund für die Stabilität des Tschads, aber auch die Armee des Landes gilt für afrikanische Verhältnisse als effizient. Hinzu kommt, dass islamistisches Gedankengut bei den im Nordtschad lebenden Tubu nie auf fruchtbaren Boden gefallen ist.

Im Schlafsack unter Sternen

Am frühen Vormittag bringt uns Moussa, der Inhaber der Reiseagentur Tchad Evasion, unsere Expeditionsfahrzeuge - zwei vollgeladene Toyota-Landcruiser. Zwei Fahrer, ein Koch und wir verlassen N'Djamena auf einer holprigen Teerstraße, die bereits nach gut hundert Kilometern endet. Die folgenden 4000 Kilometer werden wir auf Pisten oder querfeldein zurücklegen. Nach einem Tankstopp verlassen wir die Hauptpiste, die nach Faya Largeau führt, und fahren auf einer winzigen Straße nach Nordosten.

Wir sind in der Sahelzone, jenem 400 Kilometer breiten Streifen, der im Süden der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer verläuft. Hier sind die Weidegründe so spärlich und regional begrenzt, dass die Viehzüchter gezwungen sind, zu nomadisieren. Bald schon begegnen wir großen Familien, die ihre Zelte und den gesamten Hausrat kunstvoll auf Kamele geladen haben.

An den zahlreichen Brunnen entlang unserer Route stoßen wir immer wieder auf die Nomaden, die ihre Rinder, Ziegen und Kamele zu den Tränken treiben. Mit Hilfe besonders kräftiger Kamele werden große Säcke in bis zu 60 Meter Tiefe abgelassen, um frisches Grundwasser heraufzuholen. An manchen Brunnen zählen wir mehr als 500 Tiere.

Nach drei Tagen im Sahel haben Jörg, Elly und ich unseren Rhythmus gefunden: aufstehen und Frühstück in der Morgendämmerung, Abfahrt bei Sonnenaufgang, mittags eine kurze Rast unter einer Akazie, abends rechtzeitige Suche nach einem Lagerplatz. Das Abendessen bereitet Koch Pascal auf offenem Feuer zu. Elly und ich schlafen wie unsere Tubu-Begleiter immer im Freien. Es gibt nichts Schöneres, als in der Wüste unter Sternen im warmen Schlafsack zu liegen und die Sternschnuppen zu zählen.

Kamele und ein Krokodil

Am dritten Tage erreichen wir Oum Chalouba, wo wir geschmuggeltes libysches Benzin tanken. Am Horizont zeichnet sich das Ennedi-Gebirge ab. Im Nordosten des Tschads gelegen, erstreckt es sich über eine Fläche von 40.000 Quadratkilometern. Durch die Erosion von unterschiedlich hartem Sedimentgestein entstanden gewaltige Sandsteinformationen mit Pfeilern, Brücken und Bögen, die mit ihren Dimensionen einzigartig für die Sahara sind.

Unser erstes Ziel ist der Felsbogen von Aloha, der sich in 200 Meter Höhe weit über ein Tal spannt. Die Bögen des amerikanischen Colorado-Plateaus wirken gegen ihn wie Miniaturen. Ausnahmsweise erweist sich einmal die Mittagszeit als die beste Tageszeit für Landschaftsbilder, denn nur dann fällt Sonne in das enge Tal. Nachmittags rollen wir an der Südflanke des Ennedis entlang, um ein anderes spektakuläres Ziel im Gebirge zu erreichen: die Schlucht von Archi.

Am Morgen folgen wir einem kleinen Pfad durch ein enges Tal zu einem Felsplateau. Als Elly und Jörg als Erste an eine Felskante treten, spüre ich ihre Ergriffenheit. Wir sehen unter uns eine Guelta, eine natürliche Wasserstelle, die zwischen 120 Meter hohen Felsen liegt. Plötzlich hören wir das Brüllen eines Kamels, das bald hinter einem Felsen auftaucht. Weitere Tiere folgen, nach kurzer Zeit stehen Hunderte Kamele an der Wasserstelle von Archi.

Dann macht der Tubu-Guide uns auf eine kleine, etwas abseits gelegene Guelta aufmerksam. Wir beobachten ein zwei Meter großes Krokodil, das für ein Sonnenbad ans sandige Ufer kriecht. Wir sind fasziniert von dem Gedanken, in der Sahara auf eine solches Reptil zu stoßen. Es gibt im Ennedi nur noch sieben Exemplare. Die Krokodile können als Relikte der Jungsteinzeit gesehen werden. Damals, vor 4000 bis 5000 Jahren, besaß die Sahara ein feuchteres Klima.

Wir werden in den folgenden Tagen immer wieder auf Zeugnisse jener Zeiten stoßen, in denen die Sahara ein grünes Paradies war.

Michael Martin wird in seinem Blog in weiteren Folgen über seine Tschad-Reise berichten.

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