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Mongolei: Jagd im Winter, Ausflug im Sommer

Foto: Michael Martin

Motorradtour in der Mongolei Die Adlerjäger des Altai

In den dünn besiedelten Weiten des mongolischen Nordwestens ist das Leben der Nomaden hart. Fotograf Michael Martin besucht sie und die Berkutschis im Altaigebirge.

Immer wieder werfen die jungen Männer das Lasso. Meist geht ihr Wurf ins Leere, nur selten legt sich die Schlinge über den Hals einer Ziege, die dann sogleich in den Pferch gezogen wird.

Als 20 Ziegen eingepfercht sind, werden sie zunächst gemolken, dann beginnen die Männer mit großen Metallkämmen, das im langen Winter dicht gewachsene Unterhaar der Ziegen auszukämmen. In Säcken und Wannen werden die Unterhaare gesammelt, bis Händler sie abholen.

Von den hohen Preisen für Kaschmirprodukte in Europa oder Nordamerika sehen die Nomaden nur wenig. 100.000 Tugrik, knapp 40 Euro erhalten sie für ein Kilo der Ziegenhaare, mit höchstens 150 Gramm pro Jahr und Tier können sie rechnen.

"Wir sind jeden Frühjahr hier am See Chjargas Nuur" erzählt Nena, die Großmutter der Familie bei salzigem Buttertee, der uns am Boden der geräumigen Jurte aus einer großen Blechkanne serviert wird. "In vier Wochen ziehen wir weiter Richtung Altaigebirge zu unserem Sommerweiden", sagt Schwiegertochter Odontuya. Ich schaue mich vor der Jurte um. Kaum zu glauben, dass in dieser Halbwüste die 600 Ziegen und Schafe der Familie ausreichend Nahrung finden.

In der Ferne sind die Schneegipfel des Altaigebirges zu erkennen, das die Mongolei mit Kasachstan und Russland teilt. Trotzdem gibt Baljir die Fahrzeit dorthin mit zwei Tagen an. Er steuert für uns den russischen Furgon-Geländebus über oft miserable Pisten. In ihm sitzen meine Freunde Jörg und Lars sowie unsere Übersetzerin Bolormaa, ich bin auf meinem Motorrad unterwegs.

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Mongolei: Jagd im Winter, Ausflug im Sommer

Foto: Michael Martin

Unser nächstes Ziel ist das Subzentrum Ömnögov, das am See Ölgii Nuur liegt. Die Fahrt dorthin führt durch einsame Wüstenlandschaften, die typisch sind für den Nordwesten der Mongolei. Nur ab und zu ist in der Ferne eine Jurte zu erkennen.

Wir folgen einzelnen Fahrspuren und blicken immer wieder zur Kontrolle auf das GPS. Die Suche nach einem Übernachtungsquartier in Ömnögov wird schwierig. Ein Hotel gibt es nicht, aber eine Ladenbesitzerin telefoniert eine Bekannte herbei, die uns ein kleines Zimmer mit ein paar durchgelegenen Betten in einem völlig heruntergekommenen Gebäude aus der sowjetisch geprägten Zeit zeigt. Das es für die Suche nach einem Platz zum Campen zu spät ist, willigen wir ein.

Tierschützer sehen Adlerhaltung kritisch

Der nächste Tag bringt uns zum See Achit Nuur, hinter dem die schneebedeckten Berge des Altai aufragen. Jurten und Pferdeherden machen das idyllische Bild komplett. Es sind noch einmal 80 Kilometer bis Ölgii, das am weitesten von der Hauptstadt entfernte Aimag-Zentrum der Mongolei.

Wir haben inzwischen das Siedlungsgebiet der Kasachen erreicht. Im äußersten Westen der Mongolei stellen sie die Bevölkerungsmehrheit, landesweit machen sie weniger als fünf Prozent der Einwohner aus. Anders als die buddhistischen Mongolen sind die Kasachen Muslime.

Wir engagieren dort einen lokalen Führer, der uns zu einem der 400 Adlerjäger des Altai bringen soll. Nach einer Stunde Fahrt halten wir in der Nähe des Subzentrums Sagsai vor einem kleinen Gehöft. Bei Buttertee und bunten Bonbons erzählt uns Hausherr Baibolat von seinem Adlerweibchen Balapan. Als Küken hat er es aus einem Nest geholt, um es für die Jagd auf Füchse, Murmeltiere und Hasen zu trainieren.

Die Jagdsaison beginnt mit den ersten Schneefällen im November und endet im März. Die Adler müssen aber auch in den übrigen Monaten fliegen können. Und so dürfen wir Baibolat und seine beiden Freunde Jaraskhan und Tanatar bei einem Ausritt mit ihren Adlern in die Berge begleiten.

Die Männer legen zunächst ihre Jägerkluft an, die mit ihren Fellapplikationen und wilden Hüten sicher zum legendären Ruf der Berkutschis, der Adlerjäger des Altai beigetragen hat. Dann werden die drei Raubvögel von drei Pflöcken losgebunden, auf dem sie schon seit Tagen zu sitzen scheinen. Die drei Männer besteigen ihre kleinen Pferde und lassen sich ihren Adler für den einstündigen Ritt reichen.

In den Bergen angekommen, werden die Tiere freigelassen: Mit wenigen Flügelschlägen gewinnen die Vögel an Höhe und schrauben sich bis an die Untergrenze der Wolken. Ein Stück frisches Fleisch lockt sie nach einer halben Stunde Flug zuverlässig wieder an.

"Die Adlerjagd ist unsere Beschäftigung in den Wintermonaten, wir verkaufen die Felle der Beute, aber davon leben können wir nicht", sagt Baibolat. Tierschützer sehen diese Jagdtradition kritisch, denn viele Hundert Adler verbringen ein Leben in Gefangenschaft, die meiste Zeit an einem Pflock gebunden, über den Kopf eine Kapuze aus Leder.

Weit weg

Von Ölgii führt eine neue Teerstraße in die Aimag-Zentren Khovd und Altai. 100 Kilometer vor Altai verlassen wir das Asphaltband und fahren in das kleine Subzentrum Bayan Uul, auf dessen Dorfplatz bis heute Lenin von einem mächtigen Sockel auf die Bewohner herabblickt. Im örtlichen Gemeindehaus können wir ein paar Betten organisieren, sanitäre Einrichtungen sucht man auch hier vergeblich.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf zum entlegenen See Eeren Nuur, der in den Dünen des Mongol Els an der Genze der beiden Aimags Gobi Altai und Dsawchan liegt. Entsprechend versandet ist die Anfahrt. Doch die Schinderei hat sich auch für mich auf dem Motorrad gelohnt. Goldgelbe Dünen umgeben den blauen See, als Abschiedsgeschenk gibt es für ein paar Minuten spektakuläres Morgenlicht.

Am nächsten Tag erreichen wir das Aimag-Zentrum Uliastai. Wir kommen in einem Hotel unter, in dem die Bäder kein Wasser haben, viele der Gäste betrunken sind und randalieren. Hinter der aufwändig gestalteten Rezeption hängen mehrere baugleiche Uhren, welche die Zeit in Tokio, Moskau, New York und São Paulo zeigen und Weltläufigkeit demonstrieren sollen. Trotzdem fühlen wir uns weit weg vom Rest der Welt.

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