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Tauchtourismus in Ägypten: Ökobucht von El Quadim

Foto: Subex

Ökotourismus am Roten Meer Weniger Taucher, mehr Riff

Das Rote Meer hat unter Tauchern keinen guten Ruf. Zu voll ist es oft an den beliebten Spots, die Riffe leiden unter unvorsichtigen Sportlern. Doch es gibt auch Tauchbasen in Ägypten, die auf Umweltverträglichkeit achten. Der Lohn: mehr Fisch- als Tauchflossen vor der Maske.
Von Linus Geschke

Auf den ersten Blick sieht es hier aus wie überall zwischen Hurghada und Marsa Alam: ein großes Hotel, eine Tauchbasis, davor ein azurblaues Meer, unter dem sich die Riffe türkisfarben hervorheben. Doch auf einem Schild, dem die salzhaltige Luft und der feinkörnige Wüstensand bereits eine gewisse Patina verliehen haben, steht: "Willkommen in der Ökobucht al-Kuadim". Von großflächigen Sonnenkollektoren aber, Windkraftanlagen oder sonstigen Kennzeichen, die man gemeinhin mit dem Begriff "Öko" verbinden würde, ist nichts zu sehen. Auch hatte man sich eine "Ökobucht" ein wenig spartanischer vorgestellt.

"Nein, nein", versichert Johann Vifian, Geschäftsführer der dort beheimateten Subex-Tauchbasis , "das ist schon ein ökologisches Gesamtkonzept, was wir hier anbieten. Allerdings ist das Thema im Zusammenhang mit dem Tauchsport deutlich komplexer und lässt sich allein von der Oberfläche aus nicht beurteilen." Basis seines Konzepts sind weltweite Studien der Initiative "Reef Check",  die ergeben haben, dass ein Riff im Durchschnitt nicht mehr als 6000 Tauchgänge pro Jahr verkraftet, ohne dabei Schaden zu nehmen. Eine Anzahl, die an den beliebten Riffen Ägyptens meist um ein Vielfaches überboten wird.

Um das Hausriff seiner Tauchbasis zu schützen, hat der Vifian es in fünf große Sektionen eingeteilt und darüber hinaus fünf Zeitfenster von jeweils drei Stunden Dauer erstellt: "Pro Zeitfenster lassen wir nicht mehr als 25 Taucher gleichzeitig zu, die sich dann auf die fünf Riffabschnitte verteilen." Die Maßnahme soll Flora und Fauna ebenso erfreuen wie die Sportler, die in der al-Kuadim-Bucht nicht ständig Gefahr laufen, unter Wasser mehr Taucher- als Fischflossen vor die Maske zu bekommen. "Obwohl wir in al-Kuseir die älteste Tauchschule sind, haben wir durch unsere Maßnahmen das intakteste Hausriff zu bieten", sagt Johann Vifian in seinem Schweizer Dialekt stolz.

Tarieren muss gelernt sein

Also gilt der zweite Blick dem Riff selber: Beim Tauchgang fällt als Erstes die für die Region große Anzahl an Falterfischen und Zackenbarschen auf sowie die optisch kaum in Mitleidenschaft gezogenen Hartkorallenarten. Auch dies ist ein Ergebnis der konsequenten Arbeit der Tauchführer, die wenig erfahrene Taucher und solche, die Probleme mit der Tarierung zeigen, in geführten Gruppen mit maximal vier Tauchern zusammenfassen.

"Leider vermitteln viele Ausbildungsorganisationen ihren Schülern, dass sie nach dem ersten Tauchkurs, der aus vier Pool- und vier Freiwassereinheiten besteht, nun selbständig tauchen könnten", erläutert der 55-jährige Vifian die Maßnahme. "Das ist - ich muss es ganz deutlich sagen - gelogen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es je nach Talent schon 30 bis 50 Tauchgänge dauert, bis ein Anfänger wirklich selbständig mit einem gleichwertig erfahrenen Partner unterwegs ist."

Und ob Anfänger oder aus der Übung geratener Taucher: Wer das Tarieren nicht beherrscht, wird einer geführten Gruppe angeschlossen, in der man versucht, seine Fertigkeiten zu verbessern - ob er will oder auch nicht. "Lieber verzichte ich auf einen Gast, bevor ich mir das Riff zerstören lasse."

Im Oktober 2005 führte "Reef Check" eine Studie in der al-Kuadim-Bucht durch. Die Wissenschaftler ermittelten Daten über Indikatorarten, die Korallenbeschaffenheit und die allgemeine Riffqualität in Bezug auf Verschmutzung, Beschädigung und Krankheiten. Außerdem beschäftigten sie sich mit der Artenvielfalt.

Das Ergebnis der Riffforscher zeigt, dass die Bemühungen der Tauchbasis Erfolg haben: In der Bucht kamen 91 Prozent aller Steinkorallenarten des nördlichen Roten Meeres vor, Weichkorallen bedeckten neun Prozent der Fläche, Hartkorallen 37 Prozent und der Anteil der kürzlich abgestorbenen Korallen belief sich insgesamt auf lediglich ein halbes Prozent. Das Fischaufkommen bezeichneten die Experten gar als "vergleichbar mit dem in einem Naturschutzgebiet".

Ökonomische gegen ökologische Interessen

Der Verband Deutscher Sporttaucher (VDST)  macht sich die einmaligen Bedingungen in der Bucht zunutze. Seit fünf Jahren hält der VDST hier meeresbiologische Seminare ab - nicht nur für Taucher, sondern auch für Badeurlauber und die Schnorchler des angeschlossenen Mövenpick-Hotels. "Was wir hier vorfinden, ist in jeder Beziehung vorbildlich", sagt Ralph Schill, Fachbereichsleiter Umwelt und Wissenschaft, "besser kann man in einem Land wie Ägypten Umweltschutz und Tourismus kaum verbinden. Durch die abgeschlossene geografische Lage haben Hotel und Tauchbasis auch in der Hand, was in der Bucht passiert." Anders ausgedrückt: Fremde Tauchbasen und deren Gäste müssen leider draußen bleiben.

Wie schnell der Umweltschutz aufgegeben werden kann, sobald Tourismusinteressen dagegen stehen, zeigt ein Fall, der sich 2005 nur wenige Kilometer südlich ereignet hat. Zwischen al-Kuseir und Marsa Alam liegt inmitten einer weitläufigen Anlage das Hotel "Kahramana". 179 Zimmer, mehrere Restaurants, eine große Swimmingpool-Landschaft - Reisekataloge beschreiben es als "Ferienhotel mit luxuriösem Ambiente". Dem jedoch eines fehlt: der direkte Zugang vom Sandstrand zum Meer, denn ein vor der Küste liegendes Saumriff stellt eine natürliche Blockade dar.

Da ein über das Riffdach gebauter Steg nur begrenzt Abhilfe schaffte, plante der Kahramana- und Hotelketten-Besitzer Ahmed Balbaa eine radikale Lösung: Bagger sollten das Riff so lange mit Sand zuschütten, bis der Zugang darüber problemlos möglich gewesen wäre. Ein ökologisches Desaster war abzusehen: Millionen Korallen wären unter dem Sand erstickt, Jungfische hätten auf dem Riffdach keine Zuflucht mehr gefunden, unzählige Arten wären verloren gegangen - das Riff hätte in diesem Bereich einer Mondlandschaft geähnelt.

General Abu Riada, der damals für den Distrikt zuständige Gouverneur, stoppte die Arbeiten nach massiver Intervention der Meeresschutzorganisation Hepca  in letzter Minute: Bagger und Arbeiter standen schon bereit. Wegen "nicht genehmigter Bauvorhaben und Aufschüttung" wurde Balbaa zur Zahlung einer Geldbuße von anderthalb Millionen ägyptischem Pfund (knapp 200.000 Euro) verurteilt.

Hotels müssen Tauchbasen unterstützen

So wie Subdex gibt es viele Tauchbasen in Ägypten, die sich für den Umweltschutz engagieren. Sie führen meeresbiologische Seminare durch oder organisieren "Beach Clean-ups", bei denen Strand und Riff von Müllrückständen befreit werden. Als besonders schädlich gelten dabei Plastiktüten, die, einmal ins Meer gelangt, Korallen ersticken und bei Tieren, die diese anknabbern, häufig zum Tode führen.

Doch ohne die Unterstützung der Hotels, denen die großen Basen angeschlossen sind, bleiben dies Einzelaktionen. Ein umfassendes Konzept zum Schutz des eigenen Hausriffs ist ohne Mitwirkung der Hoteliers nicht möglich. Im Mövenpick-Resort , auf dessen Gelände Vifians Tauchschule beheimatet ist, stieß der Schweizer mit seinen Plänen auf offene Ohren: Das Haus wirtschaftet nach strengen ökologischen Richtlinien und ist bereits mit dem Nachhaltigkeitssiegel "Green Globe"  zertifiziert.

"So eine Tauchgangsbeschränkung wie bei uns bedeutet ja auch: weniger Taucher, weniger Tauchgäste für das Hotel, in der Folge also auch weniger Umsatz. Zumindest kurzfristig." Johann Vifian zögert kurz und fährt dann mit Nachdruck fort: "Langfristig bin ich allerdings davon überzeugt, dass man auf diesem Weg sogar erfolgreicher wirtschaften kann." Vielleicht unterscheidet dies den Schweizer von vielen anderen, denen es auch nicht an Idealen mangelt: Vifian ist bei allem Engagement Geschäftsmann geblieben und weiß, wie er andere von seinen Ideen überzeugen kann.

"Natürlich steht da auch Selbstzweck hinter", sagt er. "Ich säge doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze: Ein schönes Tauchrevier trägt nun mal maßgeblich zur Attraktivität einer Tauchbasis bei."

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